Burghard B. Rieger:
Einführung in die Dynamik der Bedeutungskonstitution
In: Rieger, B. (Hrsg.):
Dynamik in der Bedeutungskonstitution [Papers in Textlinguistics
46], Hamburg (H. Buske) 1985, S. 1-17.
Kurzfassung
In den Wissenschaften geht es in der Regel um die in eigenen (intersubjektiv oder doch
überindividuell entwickelten) Aussagesystemen repräsentierten
Resultate von Bemühungen um das Verständnis und/oder die Erklärung
von (beobachteten, erschlossenen oder auch nur vermuteten)
Zusammenhängen zwischen Entitäten, die ihrerseits Resultate von
Bemühungen um das Verständnis und/oder die Erklärung von
Zusammenhängen zwischen Entitäten repräsentieren, die ihrerseits
Resultate von ... und so fort, bis zu beliebiger Tiefe (oder Höhe) des - einzig
vom jeweiligen Stand der
Forschung abhängigen - Reflexionsniveaus einer beliebigen
Disziplin. Dabei läßt sich unterscheiden zwischen den
Theorien, die allgemeine und umfassende Zusammenhänge
formulieren, den daraus entwickelten Modellen, die kleinere
und überschaubare Ausschnitte dieser Zusammenhänge abbilden, und
der experimentellen Erprobung dieser Modelle, welche als
Überprüfung und Vergleich von Daten, Test von Hypothesen, Analyse
von Strukturen, Simulation von Prozessen, etc. erst Rückschlüsse
auf den explikativen Wert der Theorie zu ziehen
erlaubt.
Das hierin angedeutete rekursive Prinzip zunehmender Strukturierung, die
durch fortschreitenden (oder auch
revidierenden) Erkenntnisgewinn als ein Resultat der Leistung
immer spezifizierender
semiotischer Abbildungen von Wirklichkeit in
verfeinerten Repräsentationssystemen erscheinen, kennzeichnet die
Dynamik, mit der zunächst chaotische Regellosigkeiten in regelhaften
Zusammenhänge bzw. umgekehrt zunächst fundamentale Einheiten in vielfältige
Systemkomplexe überführen werden, und mit der wissenschaftliche Theorien untereinander
konkurrieren und Paradigmen unterschiedlich (deskriptiv,
strukturalistisch, prozessual, prozedural) konzipierter Modelle
einander ablösen. Dieses rekursive Prinzip kann allgemein als
Grundmuster zur Kennzeichnung auch derjenigen
dynamischen Prozesse der
Bedeutungskonstitution dienen, die in bestimmten (kommunikativen)
Situationen durch regelgeleiteten Gebrauch von
(natürlich-sprachlichen) Zeichen(-ketten) Bedeutungen
entstehen lassen, die von den beteiligten
(Zeichen-)Verwendern auch verstanden werden (können).
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