SUCHTMITTEL AM ARBEITSPLATZ

Ein Leitfaden für Führungskräfte, Personalverantwortliche und Personalvertreter/innen

Autor: Diplom-Psychologe Burkhard Schackmann (schackma@web.de)

(französische Übersetzung mit Adressen für Luxembourg: Alcool et lieu de travail - Guide pour responsables d'entrprises, cadres supérieurs, gestionnaires de ressources humaines, membres des comités d'entreprise et des délegations du personnel)

Inhalt

  1. Vorbemerkung
  2. Hinweise zur Früherkennung von Suchtproblemen
    1. Merkmale auf betrieblicher Ebene
    2. Veränderungen der Person
    3. Veränderungen im Sozialverhalten
  3. Gespräche mit suchtauffälligen Mitarbeiter/innen führen
    1. Was können Gespräche erreichen
    2. Was können Gespräche nicht erreichen
    3. Vorbereitung der Gespräche
    4. Hinweise zur Durchführung der Gespräche
  4. Zum Umgang mit akut berauschten/intoxikierten Mitarbeiter/innen
  5. Überlegungen zur Prävention von Suchtmittelmißbrauch am Arbeitsplatz

1. Vorbemerkung

Mit der Einrichtung der "Beratungsstelle für Suchtfragen" im Dezember 1991 wurde an der Universität Trier die Grundlage für einen professionellen Umgang mit Suchtproblemen und die Voraussetzung für kontinuierliche betriebliche Suchtprävention geschaffen. Dieser Anspruch wurde durch die im Februar 1993 veröffentlichte "Handlungsanleitung zur betrieblichen Suchtprävention an der Universität Trier", einer Vereinbarung zwischen dem Präsidenten und dem Personalrat der Universität, festgeschrieben.

Der vorliegende Leitfaden möchte Vorgesetzten sowie Mitgliedern des Personalrates Hinweise zur Umsetzung der Handlungsanleitung und des darin enthaltenen "Stufenplans zur Einleitung von Hilfsmaßnahmen im Einzelfall" in der betrieblichen Praxis geben. Hierzu gehören insbesondere

  • Informationen zu Merkmalen der Früherkennung von Suchtproblemen,
  • Hinweise zur Vorbereitung und Führung von Gesprächen mit suchtauffälligen Beschäftigten,
  • Verhaltensempfehlungen zum Umgang mit akut intoxikierten Personen,
  • generelle Überlegungen zur Prävention von Suchtmittelmißbrauch am Arbeitsplatz.

Der Leitfaden beschäftigt sich in erster Linie mit Alkohol als sowohl gesamtgesellschaftlich als auch im betrieblichen Setting am häufigsten mißbrauchten Suchtmittel, kann aber auch auf den Mißbrauch anderer Substanzen (Medikamente, illegale Rauchmittel) bezogen werden. Unter Mißbrauch wird dabei der nicht-bestimmungsgemäße Gebrauch (z.B. Medikamenteneinnahme ohne Indikation zur Beeinflussung der Befindlichkeit) bzw. ein Gebrauch zu unpassenden Gelegenheiten (z.B. Alkohol im Straßenverkehr oder bei der Arbeit) verstanden.

2. Hinweise zur Früherkennung von Suchtproblemen

Im folgenden werden Beobachtungsmerkmale zur Früherkennung von Suchtproblemen genannt. Sind mehrere dieser Merkmale über einen längeren Zeitraum bei einem Mitarbeiter/einer Mitarbeiterin zu beobachten, kann dies ein Hinweis auf eine Sucht- bzw. Alkoholgefährdung sein. Sie sollten sich dann an die Beratungsstelle für Suchtfragen wenden, um das weitere Vorgehen zu planen.

2.1 Merkmale auf betrieblicher Ebene

  • Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit
  • kurze aber häufige Fehlzeiten vor/nach dem Wochenende; Entschuldigung häufig durch Dritte (z.B. Ehepartner)
  • zunehmende Unfallhäufigkeit (Arbeits-und Wegeunfälle)
  • schwankendes Leistungs-und Durchhaltevermögen
  • Vergeßlichkeit (z.B. von Arbeitsaufträgen, Verabredungen, Zwischenfällen)
  • Absonderung von Kollegen/innen, Meiden des Kontakts mit Vorgesetzten
  • Mitarbeiter/innen und KollegenInnen beschweren sich
  • Trinken bzw. Alkoholfahne bereits zu Arbeitsbeginn

2.2 Veränderungen der Person

  • offensichtliche Unkonzentriertheit
  • mangelnde Selbsteinschätzung/Selbstüberschätzung, mangelnde Sorgfalt
  • häufiger Wechsel der Stimmungen zwischen Reizbarkeit, Nervosität, Euphorie, Depression und Zurückgezogenheit
  • zunehmender Leichtsinn; Angeberei, Prahlerei
  • Vernachlässigung des äußeren Erscheinungsbilds
  • Restalkohol ("Fahne") ist zu riechen - oft überdeckt von Pfefferminzgeruch, Mund- oder Rasierwasser etc.
  • verlängerte Reaktionszeiten, Verschlechterung der motorischen Geschicklichkeit
  • häufige Angstzustände
  • mögliche körperliche Auffälligkeiten: Zittern der Hände und Schwitzen, gedunsenes Aussehen, gerötete Gesichtshaut

2.3 Veränderungen im Sozialverhalten

  • Viel Alkohol bei feierlichen Anlässen, "aus-dem Rahmen-fallen"
  • Ruf hoher Trinkfestigkeit
  • Alkoholkonsum bei unpassenden Gelegenheiten
  • Erfinden von Alibis für ständigen Alkoholkonsum
  • Anlegen von Verstecken für Alkoholvorräte
  • Vermeidung von Gesprächen über Alkohol
  • Leugnen des Trinkverhaltens
  • Vernachlässigung der sozialen Umwelt / der Familie

3. Gespräche mit suchtauffälligen Mitarbeiter/innen führen

3.1 Was können Gespräche erreichen

Für die Planung und Durchführung von Gesprächen ist es erst einmal unerheblich, ob jemand "schon" abhängig ist oder "nur" Mißbrauch betreibt. KollegInnen und Vorgesetzte können und sollen dies auch gar nicht beurteilen. Es ist jedoch sinnvoll zu wissen, daß Sucht über die Kette Genuß-Gewohnheit-Mißbrauch-Abhängigkeit entsteht und die Grenzen hier jeweils fließend sind.

Mit dem/der Betroffenen reden - statt über ihn/sie!

Auch wenn bei diesem Leitfaden die Handhabung des Einzelfalls im Vordergrund steht, sollte nicht übersehen werden, daß Suchtprobleme immer in Zusammenhang mit gesellschaftlichen und betrieblichen (Trink-)Gewohnheiten bzw. Einstellungen gesehen werden müssen. Alkoholismus ist eine Krankheit, von der sich nur sehr wenige Menschen aus eigener Kraft befreien können. Um so größer ist die Verantwortung der Vorgesetzten, die Betroffenen (auch gegen deren aktuelles Interesse an einer Fortführung der Sucht) in Hilfsmaßnahmen zu vermitteln (krankheitsbedingter Widerstand!). Betroffene bewerten dies nach der Therapie oft anders oder (falls keine Intervention stattfindet) bedauern später, keine entsprechende Rückmeldung bekommen zu haben. Auf die Entstehung von Alkoholabhängigkeit kann im Rahmen dieses Leitfadens jedoch nicht eingegangen werden.

Gemäß der Handlungsanleitung haben Vorgesetzte die Aufgabe, mit suchtauffälligen Mitarbeiter/innen einem bestimmten Verfahren (Stufenplan) folgend Gespräche zu führen.

Ab der zweiten Stufe können und ab der dritten Stufe müssen auch weitere Personen an diesen Gesprächen teilnehmen (Personalratsmitglied, Mitarbeiter der Beratungsstelle für Suchtfragen, Personalleiter, Betriebsarzt und ggf. auch der Schwerbehindertenvertreter sowie KollegInnen und Familienangehörige des/der Betroffenen). Diese Gespräche haben zum Ziel,

  • betroffene Mitarbeiter/innen in Hilfseinrichtungen zu vermitteln, bevordie Probleme sich verfestigt haben und/oder
  • der/die MitarbeiterIn für den Betrieb nicht mehr tragbar ist,
  • "konstruktiven Leidensdruck" zu erzeugen
  • den Betroffenen zu zeigen, daß Probleme nicht ignoriert sondern offen angesprochen werden.


Konstruktiver Leidensdruck

  • bedeutet einerseitsden Alkoholgefährdeten/-kranken ihre Lage deutlich vor Augen führen
  • ihnen aber auch Möglichkeiten aufzeige, wie sie etwas verändern können
  • ihnen Hilfen anbieten oder helfen, fachgerechte Hilfen zu finden

bedeutet andererseits

  • konsequentes Verhalten gerade wenn sie nicht bereit sind, diese Hilfe anzunehmen und etwas zu verändern

Den unmittelbaren Vorgesetzten kommt dabei eine besondere Bedeutung zu, da sie

  • in engem Kontakt zu ihren Mitarbeiter/innen stehen und etwaige Fehlverhaltensweisen daher frühzeitig registrieren,
  • im Gegensatz zu KollegInnen über Druckmittel verfügen,
  • im Gegensatz zu Angehörigen nicht emotional und finanziell von dem/der Betroffenen abhängig sind.

Natürlich können Vorgesetzte nicht alleine und meistens auch nicht durch ein Gespräch gefährdete Mitarbeiter zur Aufnahme einer Beratung/Behandlung motivieren. Es ist vielmehr ein einheitliches und konsequentes Vorgehen des gesamten sozialen Umfeldes und verschiedener betrieblicher Einrichtungen sinnvoll, wie es die Handlungsanleitung vorsieht: Vorgesetzte, Suchtberater, Personalrat, Personalabteilung, KollegInnen und auch Familienangehörige sollten an einem Strang ziehen und sich nicht gegeneinander ausspielen lassen!

3.2 Was können Gespräche nicht erreichen

  • es ist nicht möglich und sinnvoll, eine Diagnose zu stellen (Alkoholismus o.a.),
  • eine Diskussion über Trinkmengen ist kontraproduktiv,
  • persönliche Probleme des/der Betroffenen können nicht erörtert werden (es sollte auf dafür zuständige Einrichtungen verwiesen werden),

vorrangiges Ziel bleibt also die Vermittlung professioneller Hilfe !

3.3 Vorbereitung der Gespräche

Das Gespräch sollte nach Möglichkeit schriftlich und gemeinsam mit der Beratungsstelle für Suchtfragen vorbereitet werden.

Folgende Fragen sind zur Vorbereitung von Gesprächen mit Betroffenen im Zusammenhang mit Suchtmittelmißbrauch hilfreich:

  • Was ist meine ganz persönliche Motivation für dieses Gespräch?
  • Welche Beziehung habe ich zu dem/der Betroffenen? (Vorgesetzte/r, Kollege/in, Angehörige/r)
  • Wenn Sie zum/r Betroffenen freundschaftliche Kontakte unterhalten oder wenn es sich um eine/n ehemaligen Kollegen/in handelt, empfiehlt es sich, daß das Gespräch vom nächsthöheren Dienstvorgesetzten geführt wird.
  • Welche Ziele kann ich in diesem Gespräch erreichen? Es sollten realistische Ziele gesteckt werden, niemand entwickelt im ersten Gespräch volle Krankheitseinsicht. Es ist hilfreich, die Ziele schriftlich und in einem Satz zu formulieren.
  • Welche Fakten kann ich ansprechen? Wo liegen eindeutig belegbare Fehlverhaltensweisen vor, die mir Sorge bereiten bzw. Anlaß zu Beanstandungen geben?
  • Wo vermute bzw. sehe ich Zusammenhänge zu Suchtverhalten?
  • Welche Hilfsangebote kann ich anbieten? Bei der Beratungsstelle für Suchtfragen ist eine aktuelle Liste aller regionalen Suchtberatungseinrichtungen und Selbsthilfegruppen erhältlich. Welche Auflagen und Konsequenzen sind erforderlich? Die Konsequenzen für weiteres Fehlverhalten und etwaige Auflagen sollten (sofern Sie als Vorgestzte/r dazu befugt sind) angekündigt werden (jedoch nur dann, wenn sie auch eingehalten werden können!). Dabei ist nach der Handlungsanleitung zu verfahren. Möglicherweise sind vorher Absprachen mit der Beratungstelle für Suchtfragen, dem Personalrat und der Personabteilung notwendig.

3.4 Hinweise zur Durchführung der Gespräche

  • Führen Sie ein Gespräch nur, wenn der Mitarbeiter/die Mitarbeiterin in einem nüchternen bzw. ufnahmefähigen Zustand ist.
  • Schaffen Sie ein gutes Gesprächsklima
  • Die Rahmenbedingungen (Ort und Zeit) sollten ein ungestörtes Gespräch ermöglichen.
  • Zeigen Sie dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin, daß Sie sich Sorgen machen
  • Der/die Betroffene sollte spüren, daß er nicht abgelehnt wird sondern daß der Wunsch ihm zu helfen Motiv für das Gespräch ist. Es ist sinnvoll, einen aktuellen Vorfall zum Anlaß des Gesprächs zu nehmen.

Für Vorgesetzte:

  • Sagen Sie dem/der Mitarbeiter/in, welches Arbeitsverhalten Sie beanstanden.
  • welche Verhaltensweisen sind Ihnen aufgefallen?
  • welche Folgen und Probleme haben sich daraus ergeben?
  • welche Änderungs- bzw. Hilfsmöglichkeiten können Sie machen?
  • Machen Sie dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin keine Vorwürfe und geben Sie keine "guten Ratschläge". Vorwürfe bekommt er vermutlich ständig zu hören. Falls er abhängig ist, werden auch Appelle ihn nicht von seinem Suchtmittel wegbringen.
  • Versuchen Sie nicht den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin davon zu überzeugen, daß er/sie Alkoholiker/in ist. Sie sind nicht qualifiziert diese Diagnose zu stellen und verstärken damit nur die Abwehrhaltung des/der Betroffenen.
  • Fordern Sie den Mitarbeiter/die Mitarbeiterin zur Stellungnahme auf
  • Lassen Sie sich das Gespräch nicht aus der Hamd nehmen!
  • Lassen Sie sich nicht auf lange Diskusssionen über Trinkmengen und Trinkgründe ein. Gehen Sie nicht auf Versuche abzulenken und über andere zu reden ein.
  • Beenden Sie das Gespräch mit klaren Vereinbarungen/Auflagen und kündigen Sie die Kontrolle deren Einhaltung ein. Sinnvolle Auflagen/Vereinbarungen können sein: eine Beratungsstelle oder Selbsthilfegruppe aufzusuchen, absolute Nüchternheit während der gesamten Arbeitszeit, Krankmeldung nach dem ersten Tag, kein kurzfristig oder nachträglich gewährter Urlaub.

4. Zum Umgang mit akut berauschten/intoxikierten Mitarbeiter/innen

Die für die Universität Trier maßgebliche Regelung über Suchtmittel am Arbeitsplatz ist in § 3 der Handlungsanleitung enthalten:

"Beschäftigte dürfen sich in ausreichendem zeitlichen Abstand vor Beginn der Arbeitsaufnahme, während der Arbeitszeit und während der Arbeitspausen durch Alkohol oder die Einnnahme anderer Mittel nicht in einen Zustand versetzen,

  1. durch den sie sich oder andere gefährden können oder
  2. durch den die ordnungsgemäße Erbringung der Arbeitsleistung nicht mehr gewährleistet ist.


Beschäftigte, die infolge Alkoholgenusses oder der Einnahme anderer Mittel nicht mehr in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen, dürfen in dieser Zeit mit Arbeiten nicht beschäftigt werden."

§ 3 der Handlungsanleitung wurde in Anlehnung an § 38 der Unfallverhütungsvorschrift "Allgemeine Vorschriften" (GUV 0.1) formuliert. Es wird jedoch darüber hinaus ausdrücklich auch auf andere die Arbeitssicherheit und die Arbeitsleistung beeinträchtigende Mittel außer Alkohol hingewiesen und deutlich gemacht, daß sich eine solche Beeinträchtigung auch durch die Einnahme außerhalb der regulären Arbeitszeiten ergeben kann. Pro Stunde werden nur etwa 0,1 Promille Alkohol abgebaut, viele Medikamente mit sicherheitsbeeinträchtigenden Wirkungen haben eine hohe Halbwertzeit (z.B. Valium etwa vier Tage).

Wer ist dafür zuständig festzustellen, ob Mitarbeiter/innen nicht mehr in der Lage sind, ihre Arbeit ohne Gefahr für sich selbst oder andere auszuführen?

Zuständig sind immer die unmittelbaren Vorgesetzten

Warum müssen Sie als Vorgestzte/r gegen Suchtmittelmißbrauch einschreiten?

Sie sind für die Sicherheit der Mitarbeiter/innen verantwortlich und müssen alles tun, was ihnen möglich ist, um Unfallgefahren zu beseitigen.

Wann müssen Sie als Vorgesetzte/r einschreiten?

Immer dann, wenn aufgrund des äußeren Anscheins der Eindruck entsteht, daß ein/e MitarbeiterIn nicht ganz nüchtern ist.

Anzeichen dafür sind plötzliche Verhaltensänderung, verwaschene Sprache, unsicherer Gang, bei Alkoholkonsum oft auch eine Fahne. Schon kleine Mengen Alkohol beeinflussen die für sicheres Arbeiten erforderlichen körperlichen und geistigen Fähigkeiten erheblich, sicherheitswidriges Verhalten beginnt schon ab einer Blutalkoholkonzentration von 0,2 Promille! Informationen über die spezifischen Wirkungen von Suchtmitteln (Alkohol, Medikamente, Drogen) sind bei der Beratungsstelle für Suchtfragen erhältlich.

Auch Hinweisen von dritter Seite auf einen/eine betrunkenen/berauschten Kollegen/in sollten Sie nachgehen. Sie sollten dies nicht als Denunziation sondern als berechtigte Sorge über den Gesundheitszustand und die Arbeitssicherheit von Mitarbeiter/innen interpretieren.

Müssen Sie als Vorgestzte/r beweisen, daß ein/e MitarbeiterIn betrunken ist bzw. unter dem Einfluß von Suchtmitteln steht?

Ihre Aufgabe ist zunächst ganz allgemein, festzustellen ob der/die Betroffene in der Lage ist, seine Tätigkeit ohne Gefahr für sich oder andere auszuführen. Grundsätzlich gilt der äußere Eindruck, den Sie als Vorgesetzte/r haben. Sie sollten jedoch Verhaltensweisen notieren, die zu diesem Eindruck geführt haben (z.B. "riecht nach Alkohol", "spricht verwaschen", "unsicherer Gang" etc.). Im allgemeinen ist es möglich, mit Betroffenen ein Gespräch von mindestens 10-15 Minuten Dauer zu führen, um festzustellen, ob die Konzentration nachläßt und sie dann verwaschen bzw. undeutlich sprechen. Es ist sinnvoll, sich mit dem Zeugenbeweis einer dritten Person abzusichern.

Wie sieht dieser Zeugenbeweis aus?

Am besten ein Mitglied des Personalrats hinzuziehen, oder - falls dies nicht möglich ist - eine andere Person. In einem Protokoll sollte der/die Vorgesetzte schriftlich die Gründe darlegen, warum der/die Mitarbeiter/in momentan nicht (mehr) beschäftigt werden darf (auf genaue Verhaltensbeschreibungen achten!). Das Protokoll wird von dem/der Vorgesetzten unterschrieben. Der/die Betroffene sollte darüber informiert werden, was in dem Protokoll steht. Wenn der/die Betroffene nach der Protokollaufnahme weiter bestreitet, unter dem Einfluß von Alkohol oder einem anderen berauschenden Mittel zu stehen, kann er/sie zum Nachweis des Gegenteils und auf eigenen Wunsch in Bgleitung den betriebsärztlichen Dienst in Anspruch nehmen. Auf keinen Fall darf er/sie dorthin gegen seinen/ihren Willen geschickt werden. Bei einem positiven Ergebnis sollte der/die Betroffene die Kosten selbst tragen.

Was geschieht weiter mit betrunkenen/ sich im Rauschzustand befindlichen Mitarbeiter/innen?

Das Beschäftigungsverbot nach § 38 UVV bzw. § 3 der Handlungsanleitung führt nicht zwingend zu einer Entfernung vom Arbeitsplatz. Das muß jeweils der Vorgestzte einschätzen und entscheiden.

Wer volltrunken ist, sollte jedoch einem Arzt/einer Ärztin vorgestellt werden. In Frage kommen:

  • der Betriebsarzt der Universität, Dr. Willenborg (App. 3173 bzw. 0651/85088),
  • der Hausarzt des/der Betroffenen
  • Notaufnahme eines Krankenhauses (vgl. Tagespresse)
  • Krankenwagen Rettungsleitstellen (Tel. 19222)
  • der ärztliche Notdienst (Tel. 45555)
  • Je nach Situation können Betroffene
  • unter Aufsicht an der Universität bleiben
  • durch Angehörige nach Hause gebracht werden
  • mit einem Dienstfahrzeug oder notfalls dem privaten PKW eines/einer Kollegen/inn nach Hause gefahren werden, wobei außer dem/der Fahrer/in eine weitere Begleitperson mit dem/der Betroffenen hinten im Wagen sitzen muß
  • auf eigene Kosten mit einem Taxi nach Hause gebracht werden.

Möglichst unmittelbar am nächsten Tag sollte der/die Voregsetzte ein Gespräch mit dem/der auffälligen Mitarbeiter/in führen.

Bei Verdacht auf Trunkenheit muß der der/die Vorgesetzte den PKW-Schlüssel des/der Betroffenen einziehen, wenn zu befürchten ist, daß der/die MitarbeiterIn im berauschten Zustand mit dem Auto fahren will. Die Verantwortung des/der Vorgestzten für die Sicherheit bezieht sich sowohl auf den Arbeitsbereich als auch auf die Arbeitswege. Wird bei Unfällen mangelnde Sorgfaltspflicht nachgewiesen, sind Regreßforderungen der Berufsgenossenschaften möglich. Auch bei personellen Engpässen dürfen alkoholisierte Mitarbeiter/innen nicht mit sicherheitsrelevanten Arbeiten beschäftigt werden. Es gilt der Grundsatz:

Im Zweifel für die Sicherheit!

5. Überlegungen zur Prävention von Suchtmittelmißbrauch am Arbeitsplatz

Folgende Zahlen sind bundesweit als realistisch zu betrachten:

  • 25 % aller Arbeitsunfälle sind vermutlich auf Alkohol zurückzuführen,
  • bei jeder sechsten Kündigung geht es um Alkohol,
  • Alkoholkranke fehlen etwa 2,5 mal häufiger krankheitsbedingt als andere Mitarbeiter/innen,
  • nach Schätzungen der Deutsche Hauptstelle gegen die Suchtgefahren sind bundesweit mindestens 5 % aller Beschäftigten alkoholkrank und weitere 10 % unterliegen so starken Gefährdungen, daß bereits Störungen im Verhalten, in der Gesundheit und in der Leistung auftreten,
  • ca. ein Zehntel aller Beschäftigten trinkt täglich am Arbeitsplatz Alkohol.

Ob die genannten Zahlen auch für die Universität zutreffen, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden, es gibt jedoch keinen Grund anzunehmen, daß es hier wesentliche Abweichungen von anderen Betrieben und Verwaltungen gibt. Die Zahlen machen jedenfalls deutlich, daß Suchtprobleme am Arbeitsplatz in einem solchen Ausmaß bestehen, daß sie durch Einzelfallhilfe zwar eingedämmt, nicht aber beseitigt werden können. Um nicht zu warten "bis das Kind in den Brunnen gefallen ist" (d.h. Abhängigkeitsprobleme entstanden sind bzw. sich verfestigt haben), um es zumindest "nicht zu tief fallen zu lassen" (d.h. im Vorfeld bzw. zu Beginn einer Abhängigkeitsentwicklung zu intervenieren), sollte betriebliche Suchtarbeit deshalb - wie es an der Universität durch die Beratungsstelle für Suchtfragen angestrebt wird - in präventive und gesundheitsfördernde Maßnahmen eingebettet sein. Eine Schlüsselposition bei der erfogreichen Umsetzung dieser Maßnahmen an der Universität kommt den Führungskräften und Dienstvorgesetzten aller Ebenen zu.

Wie können Sie als Vorgestzte/r oder Mitglied des Personalrats Suchtprävention an der Universität Trier unterstützen:

  • Nehmen Sie Ihre im Rahmen der Handlungsanleitung formulierte Verantwortung ernst, damit bei Suchtproblemen frühzeitig interveniert werden kann.
  • Seien Sie sich Ihrer Vorbildfunktion auch in Hinblick auf Alkohol am Arbeitsplatz bewußt. Überprüfen Sie kritisch Ihr eigenes Trink-/Suchtverhalten!
  • Helfen Sie mit, auch den sogenannten "normalen" Alkoholkonsum zu enttabuisieren. Nehmen Sie betriebliche Trink(un)sitten unter die Lupe und sorgen Sie dafür, daß bei Feiern alkoholfreie Alternativen berücksichtigt werden.
  • Setzen Sie sich für ein vermindertes Angebot alkoholischer Getränke ein.
  • Nehmen Sie Schulungsmaßnahmen der Beratungsstelle für Suchtfragen in Anspruch.
  • Beteiligen Sie sich an einer Verbesserung belastender Arbeitsbedingungen.
  • Führen Sie Konflikte am Arbeitsplatz, möglicherweise unter Hinzuziehung eines am Konflikt nicht beteiligten Beraters, einer konstruktiven Lösung zu.
  • Unterstützen Sie die Teilnahme von Beschäftigten an gesundheitsfördernden Fortbildungsmaßnahmen.
  • Geben Sie Ihre Erfahrungen mit Suchtproblemen, Ihre Anregungen und Ihre Kritik an die Beratungsstelle für Suchtfragen weiter. Beteiligen Sie sich an einen konstruktiven und vorurteilsfreien Diskurs "Betriebliche Suchtprävention an der Universität Trier".