Trier Therapie Navigator

Randomisiert kontrollierte Studie zur Wirksamkeit von psychometrischem Feedback auf den Behandlungserfolg (DFG-gefördert)

Eine Vielzahl von Studien haben den positiven Effekt von kontinuierlichen psychometrischen Erhebungen und der Rückmeldung der aufbereiteten Informationen zum Therapiefortschritt zeigen können. Dies gilt insbesondere für Risikopatienten, welche in Gefahr sind keine oder eine negative Veränderung zu erfahren. In einer aktuellen Metaanalyse sind die Befunde allerdings gemischt, sodass weiterer Forschungsbedarf besteht (Kendrick et al., 2016). Seit Anfang 2017 läuft eine durch die DFG geförderte (LU 660/9-1) randomisiert kontrollierte Studie zur Evaluation der Effekte personalisierter Behandlungsvorhersagen und personalisierter Behandlungsanpassung auf das Therapieergebnis. In diesem Projekt werden Therapien verglichen in denen der Therapeut im computerbasierten Feedbackportal (1) keine Rückmeldungen, (2) Rückmeldungen bezüglich der Selbstbeurteilung des Patienten und (3) Rückmeldungen bezüglich der Selbstbeurteilung des Patienten und zusätzlich klinische Unterstützungstools zur Verfügung gestellt bekam. Ziel ist es zu überprüfen inwieweit psychometrisches Feedback, das Therapeuten über den Therapieverlauf ihrer Patienten zurückgemeldet bekommen, einen positiven Einfluss auf das Therapieergebnis hat und zu einer Personalisierung führt (Lutz, Zimmermann, Müller, Deisenhofer, & Rubel, 2017). In der Praxis personalisieren Therapeuten ihr Behandlungsangebot, indem sie Therapien intuitiv und aufgrund ihrer klinischen Erfahrung an die Bedürfnisse des Patienten anpassen. Diese Personalisierung erfolgt allerdings unsystematisch und wirft die Frage auf, ob diese Personalisierung durch ein evidenzbasiertes Vorgehen unterstützt und vor allem für Risikopatienten eine verbesserte Behandlung nach sich ziehen könnte. Demnach sollen die Ergebnisse der Studie neue Erkenntnisse im Bereich der patientenorientierten Versorgungsforschung liefern und die Weiterentwicklung der Profession sowie des Faches fördern.  

Eine frei verfügbare Version des Trier Therapie Navigator findet sich hier: https://github.com/Psykli/Trier_Treatment_Navigator

 

Stratified Medicine Approaches foR Treatment Selection (SMART) - Mental Health Prediction Tournament (UK Wellcome Trust-gefördert)

Die Arbeitsgruppe (Lutz) beteiligte sich am SMART Tournament (Stratified Medicine Approaches foR Treatment Selection (SMART) - Mental Health Prediction Tournament), einem wissenschaftlichen Wettstreit zur Ermittlung der besten Methode zur Vorhersage von Therapieergebnissen und der optimalen Zuweisung von Patienten zu verschiedenen Behandlungsbedingungen (gefördert durch UK Wellcome Trust). Darüber hinaus sollte das Projekt verschiedene methodische Ansätze auf Vor- und Nachteile evaluieren und damit zur grundlegenden Wissenserweiterung im Feld der Psychotherapieforschung beitragen.

Zum Wettstreit traten insgesamt 13 verschiedene Forschergruppen aus verschiedenen Institutionen (z.B. University of Pennsylvania, Queens College, Yale University, University of California, Leiden University, Universität Trier etc.) an. Jede Forschergruppe erhielt einen Datensatz bestehend aus 3840 Fällen, welche von dem “Improving Access to Psychological Therapies” (IAPT) Programm routinemäßig erhoben worden sind. Mit Hilfe dieser Daten sollten entsprechende Vorhersagemodelle entwickelt werden. Hierbei wurden vor allem Algorithmen des maschinellen Lernens genutzt, welche anhand bestimmter mathematisch statistischer Verfahren ein Vorhersagemodell erstellen. Getestet wurden diese von unabhängigen Wissenschaftlern durch die Anwendung der Modelle auf einen sogenannten „hold-out“ Datensatz. Die Ergebnisse zeigten, dass verschiedene Modelle zu ähnlich guten Ergebnissen führen, wobei die Modelle der Trierer-Arbeitsgruppe über verschiedene Vergleichen zu den besten zählten (Rang 2). Die Ergebnisse des SMART Tournament wurden auf der Konferenz “Treatment Selection Idea Lab” im Juni 2018 in London präsentiert. Die Arbeitsgruppe nahm mit eigenen Beiträgen daran teil und gewann zusätzlich einen Posterpreis (Dr. Deisenhofer). Die nächste Tagung des “Treatment Selection Idea Lab” wird 2021 an der Universität Trier stattfinden.

EVIDENT Trial – “EffectiVeness of Internet-based DEpressioN Treatment” (BMG-gefördert)

Viele Studien haben gezeigt, dass Onlinetherapie als Behandlungsoption für verschiedene Störungsbilder wirksam sein kann. Bisher gibt es in Deutschland nur wenige Studien, die prüfen inwieweit Onlinetherapien in die Routineversorgung wirksam implementiert werden können. Im Rahmen dieses Projekts erhalten Patienten, die auf einen Therapieplatz in der Psychotherapieambulanz PALF warten, Zugang zu einem Onlineportal. Dieses beinhaltet nützliche Übungen (z.B. zu Ressourcen- und Aktivitätsaufbau) aus verhaltenstherapeutischen Manualen. Bisher nutzten bereits 60 Patienten die Übungen zur Überbrückung der Wartezeit. Die Auswertung der Nutzungsdaten, der Zufriedenheit und der Symptomveränderungen über die Zeit der Nutzung wird voraussichtlich im Januar 2019 erfolgen. Es sollen erste Erkenntnisse darüber gewonnen werden, ob und wenn ja in welcher Form die Implementierung von Onlinetherapie als Überbrückungsangebot für die Wartezeit in der Routineversorgung sinnvoll ist.

Ecological Momentary Assessment (EMA) – Psychometrische und biophysiologische Daten in Echtzeit erheben

Ecological Momentary Assessment (EMA) ist eine Form der ambulanten Datenerhebung, die in Echtzeit in der natürlichen Umwelt der Personen stattfindet, meist unter Verwendung elektronischer Datenerfassungsgeräte. Diese neue Messmethode ermöglicht es neuartige Fragestellung im Rahmen der Psychotherapieforschung zu untersuchen. In der EMA-Studie der Psychotherapieambulanz PALF werden bereits während der Wartezeit auf einen ambulanten Therapieplatz diagnostische Informationen bezüglich der Alltagsbelastungen und Ressourcen von PatientInnen gewonnen. Dazu werden den PatientInnen auf den eigenen Android-Smartphones mehrfach täglich Fragen zum aktuellen Befinden und ihren Erfahrungen während der letzten 3-4 Stunden präsentiert. Erfragt werden Wohlbefinden, positiver und negativer Affekt, Erleben und Verhalten sowie Emotionsregulationskompetenzen. Ziel der Studie ist es mit den Daten aus der Wartezeit Vorhersagemodelle zu entwickeln, die die Entwicklung in der späteren Psychotherapie beschreiben und aus denen sich Interventionen ableiten und ein individualisiertes Behandlungskonzept erstellt werden kann.

Evaluation und Qualitätssicherung von Psychotherapieverläufen in der Trierer Forschungsambulanz (finanziert durch diverse Krankenkassen, u.a. Techniker Krankenkasse)

Zur Evaluation und Qualitätssicherung der Routineversorgung der ambulanten Psychotherapie wird das System in der Trierer Forschungsambulanz finanziert durch diverse Krankenkassen (u.a. Techniker Krankenkasse) kontinuierlich weiter entwickelt. 

Ähnlich zu Navigationssystemen im Alltag ermöglicht der "Trier Treatment Navigator" computergestützte Hilfe bei konkreten therapeutischen Entscheidungen (zu Beginn und im Verlauf der Therapie) auf Basis der Erkenntnisse der patienten-orientierten Psychotherapieforschung zur differentiellen und adaptiven Indikation (vgl. Lutz, Clausen & Deisenhofer, 2019).

Es stellt damit eine Weiterentwicklung des PALF|Feedback-Systems dar und ist ein internetgestütztes System zu Qualitätssicherung von psychotherapeutischen Behandlungen. Es ermöglicht eine kontinuierliche Begleitung des psychotherapeutischen Prozesses. Die Dateneingabe erfolgt direkt im Therapieraum an bereitstehenden Touchscreen-PCs. Die Auswertung erfolgt automatisiert und kann von den Therapeutinnen und Therapeuten in einem Online-Portal eingesehen werden. Eine detaillierte Darstellung der Komponenten des Systems sowie konkrete Fallbeispiele aus Patientenbehandlungen finden sich bei Lutz, Neu & Rubel (2019). 

Das System wird routinemäßig in der Poliklinischen Psychotherapieambulanz der Universität Trier eingesetzt und in einer aktuellen kontrollierten klinischen Studie untersucht (Lutz, Zimmermann, Müller, Deisenhofer & Rubel, 2017).

Im Kontext des Einsatzes dieses Systems in der Psychotherapieambulanz werden verschiedene Fragestellungen zur Routineversorgung im Rahmen Dissertationen und Masterarbeiten untersucht (u.a. Therapeuteneffekte, Angebote für Personen auf der Warteliste, Ausbildungsforschung). 

Modellprojekt der Techniker Krankenkasse - Patientenorientierte Versorgungsforschung

In einem Modellprojekt der Techniker Krankenkasse (TK), indem die Arbeitsgruppe Teil des Evaluationsteams war, wurde in Deutschland erstmalig im Sinne einer patientenorientierten Versorgungsforschung der Einfluss von routinemäßigen und kontinuierlichen Verlaufsrückmeldungen über den therapeutischen Fortschritt (Feedback) in einer ambulanten Psychotherapiestichprobe untersucht. Im Zeitraum Mai 2005 bis Juni 2010 wurden Daten von insgesamt 1708 Patienten erhoben, die bei einer von 245 an der Studie beteiligten niedergelassenen Psychotherapeuten in eigener Praxis mit unterschiedlicher therapeutischer Ausrichtung (Verhaltenstherapie, Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie, Analytische Psychotherapie) behandelt wurden. In der Interventionsgruppe (IG) erhielten die Therapeuten, im Vergleich zu einer Kontrollgruppe (KG), im Verlauf der Therapie kontinuierlich Rückmeldungen zum Therapiefortschritt in Form von Veränderungsgrafiken und Kennwerten. Zentrale Forschungsfragen des Modellprojektes beinhalteten unter anderem die Überprüfung der Einsetzbarkeit von Qualitätssicherungs- und Rückmeldesystemen in ambulanten Psychotherapien unter Routinebedingungen sowie deren Einfluss auf die Ergebnisqualität (vgl. hierzu z.B. Wittmann, Lutz et al., 2011; Lutz et al., 2011; 2012; 2013).

Stationäres Feedbackprojekt

Das stationäre Feedbackprojekt findet in Kooperation mit der Psychosomatischen Fachklinik der MediClin Bliestal Kliniken in Blieskastel statt. Im Rahmen des Projektes soll der oben beschriebene Feedbackeffekt erstmalig für die stationäre Routineversorgung überprüft werden. Operationalisiert wird die Fragestellung mittels der Erhebung vier unterschiedlicher Gruppen, jeweils drei  Kontrollgruppen und einer Interventionsgruppe, deren Therapieerfolg mittels verschiedener Fragebögen erfasst werden sollen.

Katamneseprojekt – Langzeitwirkung von Psychotherapie

Patienten der Psychotherapieambulanz PALF werden nach Therapieende in regelmäßigen Abständen, bis zu dreimal innerhalb von 3 Jahren, erneut zu ihrem psychischen Befinden befragt. Dies ermöglicht es der Arbeitsgruppe zu untersuchen, inwiefern die gefundenen kurzfristigen Therapieeffekte, langfristig stabil und nachhaltig bleiben. Bisherige Studienergebnisse aus der Literatur sind vielversprechend. Besonders im Vergleich zu medikamentösen Behandlungen zeigten sich die Effekte von Psychotherapie bisher als stabiler und nachhaltiger (Wucherpfennig, Boyle, Rubel, Weinmann-Lutz, & Lutz, in preparation).

Entwicklung psychometrischer Instrumente

Dem kontinuierlichen Monitoring von Veränderungen bei psychotherapeutischen Interventionen kommt im Sinne eines personalisierten Behandlungsansatzes und einer wissenschaftlich gestützten Psychotherapie eine besondere Bedeutung zu. Zur regelmäßigen Messung des therapeutischen Fortschritts sind Messinstrumente nötig, die verschiedene Vorbedingungen erfüllen. So sollten diese aufgrund der Erhebungsfrequenz kurz und kostengünstig sein. Gleichzeitig sollten sie ein breites Spektrum relevanter Aspekte erfassen und möglichst veränderungssensitiv sein.

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich fortwährend mit der Entwicklung von veränderungssensitiven Kurformen von gängigen psychometrischen Instrumenten (e.g. Lutz et al., 2006; Böhnke & Lutz, 2010) sowie von neuen Instrumenten zur Erhebung von Therapieverläufen (e.g. Lutz & Böhnke, 2008; Lutz et al., 2009, Schürch, Lutz, & Böhnke, 2009).

Timing nonverbaler Patient-Therapeut Interaktionen und Therapieerfolg bei sozialen Phobien (DFG-gefördert)

Innerhalb der patienten-fokussierten Psychotherapieforschung werden zur Vorhersage von Therapieerfolg und Rückmeldung von Prozessvariablen vielfach Fragebögen eingesetzt (z.B. zur Güte der therapeutischen Beziehung). Die Forschung zeigt, dass nonverbale Indikatoren wertvolle zusätzliche Informationen über dyadische Merkmale der therapeutischen Beziehung liefern können. Sie bieten den Vorteil, dass sie durch automatisierte Videoanalysen objektiven Kriterien unterliegen und damit nicht durch mögliche subjektive Verzerrungen beeinflusst sind. In einem DFG geförderten Projekt der Arbeitsgruppe (DFG, grant nos. STR 306/28-1 to Bernhard Strauß, LU660/8-1 and LU660/10-1 to Wolfgang Lutz) wurde der prädiktive Wert von nonverbaler Synchronie von Bewegungen für den Therapieerfolg untersucht. Ergebnisse zeigen, dass nonverbale Synchronie von Bewegungen mit Therapieerfolg und Drop-Out zusammenhängt (Paulick et al., 2017). Weiterhin kann z.B. bei depressiven Patienten im Therapieverlauf eine Zunahme der dyadischen Synchronie festgestellt werden, die Informationen über die Quantität der Bewegungen (z.B. allgemeine Verlangsamung) hinaus liefert (Paulick et al., 2018). Im aktuellen Forschungsvorhaben steht die Synchronie oder auch Co-Regulation von Emotionen im Fokus. Mittels der Software „Social Signal Interpretation“ werden Informationen aus Mimik und Prosodie integriert, um eine automatisierte Erkennung des Emotionsausdrucks zu ermöglichen. Diese Methodik soll im therapeutischen Setting erprobt sowie dahingehend untersucht werden, ob sie zur Vorhersage von Therapieerfolg beitragen kann.

Erfassung der Behandlungsintegrität in der ambulanten Psychotherapie

In der Psychotherapieforschung bezeichnet die Behandlungsintegrität das Ausmaß zu dem eine Therapie wie vorgesehen umgesetzt wurde und umfasst zum einen die Auswahl der Interventionen anhand eines Behandlungsprotokolls (Adhärenz) und zum anderen die fachgerechte Anwendung der Techniken im zwischenmenschlichen Kontext der Therapie (Kompetenz). Eine besondere Herausforderung stellt sich bei der Erfassung der Behandlungsintegrität unter Routinebedingungen im Vergleich zu randomisiert-kontrollierten Studien, da hier die Behandlung nicht möglichst einheitlich gehalten wird, sondern sinnvollerweise an den individuellen Patienten und Verlauf angepasst wird. Dennoch ist die Frage der Behandlungsintegrität in diesem Kontext von hoher Relevanz, um Therapieprozesse untersuchen zu können sowie die Qualität zu sichern. Ziel des aktuellen Projekts ist daher die Entwicklung und Erprobung eines Inventars, anhand dessen Therapievideos hinsichtlich der Behandlungsintegrität ausgewertet werden können. Nachdem die Zuverlässigkeit des Inventars ausreichend belegt wurde, sollen die Ergebnisse zur Untersuchung von Therapieprozessen und Behandlungsergebnissen sowie langfristig zur Optimierung der Supervision genutzt werden.

Diskontinuierliche Psychotherapieverläufe (z.B. Sudden Gains & Losses)

Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich mit der Untersuchung individueller diskontinuierlicher Therapieverläufe und deren Zusammenhang zum Therapieergebnis. Es hat sich gezeigt, dass ein Teil der individuellen Patientenverläufe sich nicht linear und kontinuierlich verbessert, sondern Veränderungen diskontinuierlich stattfinden. Diese diskontinuierlichen Veränderungen, d.h. große Symptomverbesserungen oder –verschlechterungen zwischen zwei aufeinanderfolgenden Sitzungen, werden in die Literatur als Sudden Gains bzw. Sudden Losses bezeichnet. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich unter anderem mit möglichen Ursachen von positiven und negativen Veränderungssprüngen im Therapieprozess und deren Zusammenhang zum Therapieerfolg (Lutz, et al., 2013; 2007; Lutz & Tschitsaz, 2007; Tschitsaz-Stucki & Lutz, 2009). Es hat sich zum Beispiel gezeigt, dass sich Therapiesitzungen vor einem Sudden Gain oder einem Sudden Loss qualitativ voneinander unterscheiden und kognitive Veränderungen, interpersonale Aspekte der Therapeuten, die therapeutische Beziehung, der emotionale Status der Patienten und außertherapeutische Faktoren Einfluss nehmen.

Sprache im Therapieprozess

Sprache dient als Mittel als sozialer Kommunikation und Interaktion dient dem Ausdruck von persönlichem Erleben und reflektiert so beispielsweise Gefühle, Gedanken und psychisches Befinden. Gleichzeitig ist unser sprachliches Verhalten beeinflusst davon, wer wir sind, was uns ausmacht und wie es uns geht. Dadurch kann man annehmen, dass Sprache sowohl intentional durch das, was wir sagen, als auch nicht-intentional durch das, wie wir etwas sagen, widerspiegelt, wie es uns geht und was uns beschäftigt.

Psychotherapie basiert zu größten Teilen auf Sprache. Somit ist Sprache eine Datenquelle, die in jeder Psychotherapiesitzung vorhanden ist und, da sie nachträglich ausgewertet werden kann, möglicherweise weniger anfällig für Antworttendenzen ist, als beispielsweise Fragebögen.

Die Psychotherapieambulanz PALF zeichnet sich durch eine flächendeckende Videoaufzeichnungen von Psychotherapiesitzungen und ein breites Spektrum an Diagnostik vom diagnostischen Interview über Fragebögen hin zu Checklisten aus, sodass sich beste Möglichkeiten für die Auswertung von Sprachdaten ergeben.

Im Rahmen des Projekts wurden anonymisierte Transkripte von Therapiesitzungen erstellt und diese mittels einer Software (LInguistic Inquiry and Word Count - LIWC) ausgewertet, welche die Häufigkeit des Gebrauchs von Wortkategorien wie beispielsweise Pronomen, Positive Emotionsworte, Negative Emotionsworte, Kognitive Worte, Soziale Worte u.ä. auswertet. Anschließend wurde verglichen, ob sich Patienten mit Depressionen, Angststörungen oder Depression und Angststörungen unterscheiden und es zeigte sich, dass der emotionale Inhalt sich unterschied. So verwendeten depressive Patienten vermehrt Worte mit Bezug zu Traurigkeit, während Angstpatienten vermehrt Worte mit Bezug zu Angst verwendeten. Die Gruppe der Patienten mit Depression und Angststörung lässt sich vom Sprachgebrauch als Kombination der beiden Gruppen verstehen.

Mikroeinheit: Automatisierte Emotionserkennung in der Psychotherapie mittels nonverbaler Signale

Ein wesentlicher Teil der menschlichen Kommunikation erfolgt über nonverbale Signale. Daraus ergibt sich eine potentiell große Relevanz für therapeutische Interaktionen und Prozesse. Insbesondere Emotionen und deren Ausdruck sind für die meisten psychischen Störungen und deren Behandlung zentral. Neue Methoden der digitalen Videoverarbeitung zur automatisierte Erkennung des Emotionsausdrucks sollen im Rahmen dieses Projekts in der ambulanten Psychotherapie angewendet werden. Dazu wird in Kooperation mit Prof. André und Kollegen der Universität Augsburg aktuell die Software NOVA (Nonverbal Behavior Analyzer) im Rahmen einer Pilotstudie auf Therapievideos angewendet und evaluiert (Clausen, Baur, Lingenfelser, André & Lutz, 2019). 

Durch diese Methodik sollen grundlegende Erkenntnisse über Therapieprozesse erweitert werden und Zusammenhänge mit Therapieverläufen und –erfolg untersucht werden. Dabei ist neben Aspekten des jeweiligen Emotionsausdrucks (Valenz und Arousal) auch von Interesse, wie sich die emotionale Ko-Regulation zwischen TherapeutIn und PatientIn gestaltet. Auf Basis der Theorie und bisheriger empirischer Studien wird erwartet, dass eine intensivere emotionale Aktivierung und eine moderate bis hohe Ko-Regulation mit einem größeren Therapieerfolg zusammenhängen.

Clausen, S. A., Baur, T., Lingenfelser, F., André, E. & Lutz, W. (2019, Mai). Automatisierte Emotionserkennung in der Psychotherapie – Pilotstudie zur Anwendbarkeit des Nonverbal Behavior Analyzer (NOVA). 11. Workshopkongress für Klinische Psychologie und Psychotherapie, Erlangen

Mikroeinheit: Imagery Rescripting bei Prüfungsangst

In Kooperation mit der Bar Ilan Universität in Tel Aviv wurde im Sommersemester 2016 ein eigens entwickeltes ImRs-Behandlungskonzept in der Behandlung von Prüfungsangst an einer studentischen Stichprobe getestet. Die sechs Behandlungssitzungen á 50 Minuten erstreckten sich über einen Zeitraum von drei Wochen und fanden zweimal wöchentlich mit einem Abstand von zwei Werktagen statt. Die Sitzungen wurden per Video aufgezeichnet, zudem wurden der Ton separat mittels Richtmikrofonen sowie die elektrodermale Aktivität (EDA) erhoben. Die Datenerhebung umfasste einen Zeitraum von 14 Wochen und orientierte sich am Semesterverlauf. Die Probanden wurden in drei Gruppen eingeteilt. Die Gruppen unterschieden sich ausschließlich im Behandlungsbeginn. Gruppe 1 begann mit den Behandlungssitzungen zwei Wochen nach der Baseline-Messung, Gruppe 2 vier Wochen und Gruppe 3 sechs Wochen danach. Je nach Gruppeneinteilung wurde von dem Probanden/der Probandin in einem Zeitraum von drei bis sieben Wochen einmal wöchentlich ein Fragebogen vor dem Beginn der Behandlung sowie in einem Zeitraum von drei Wochen einmal wöchentlich ein Fragebogen nach Abschluss der Behandlung ausgefüllt.

Mikroeinheit: Loving Kindness Meditation

In der Zeitspanne zwischen Anfang Mai 2015 und Ende Januar 2016 wurde in der Psychotherapieambulanz PALF  ein Gruppentherapie-Programm zur Behandlung von chronischen Depressionen angeboten. Die Gruppentherapien wurden im Rahmen der Studie „Untersuchung der Wirksamkeit der achtsamkeitsbasierten Loving-Kindness Meditation bei Patienten mit chronischer Depression“ (Schilling et al., 2018) durchgeführt. Das Programm umfasste verschiedene Meditations-Praktiken und achtsamkeitsbasierte Techniken zur Reduktion von Grübelneigungen und depressiven Verstimmungen. Außerdem erhielten die Teilnehmenden Anregungen zur Emotionsregulation, zum Umgang mit Sorgen und Grübeln und erlernten einen wohlwollenderen, weniger kritischen Umgang mit sich selbst. Im Vergleich zum Beginn der Behandlung konnten signifikante Verbesserung bezüglich der allgemeinen Belastung der Patientinnen und Patienten erzielt werden. Es zeigte sich allerdings zunächst keine signifikante Verbesserung zum Endpunkt der Therapie in Bezug auf die depressive Symptomatik. Eine Fortführung des Programms ist derzeit nicht geplant. Wirksame Elemente des Programms (Psychoedukative Konzepte, achtsamkeitsbasierte Übungen, Meditationsanleitungen, etc.) wurden in das Feedbackportal, welches von den Therapeuten der Psychotherapieambulanz PALF genutzt wird, integriert. Die Materialien können von den Therapeutinnen und Therapeuten der Psychotherapieambulanz PALF für die Einzeltherapie genutzt werden.

Mikroeinheit: Hirnphysiologische Aktivitäten

Auf einer Mikro- bzw. Grundlagenebene im Schnittpunkt zwischen Psychotherapieforschung und Neurowissenschaften werden die Hintergründe und spezifischen Bedingungen von Veränderungsprozessen in der Psychotherapie analysiert. Die Arbeitsgruppe beschäftigt sich in diesem Forschungsschwerpunkt mit der Wirksamkeit und insbesondere auch den neuronalen Korrelaten einzelner spezifischer psychotherapeutischer Interventionsmethoden (z.B. kognitive Umstrukturierung, Entspannungsverfahren etc.). Es stellt sich die Frage, welche therapeutischen Techniken unter welchen Rahmenbedingungen wirksam sind und welches die grundlegenden Wirkmechanismen darstellen. Ziel ist es, Konzepte und Modelle zu einer spezifischen wissenschaftlichen Unterstützung von differenziellen Indikationsentscheidungen zu entwickeln. Mehrere drittmittelgeförderte Studien (TransCoop-Programm der Alexander von Humboldt-Stiftung, Forschungsprofessur des Schweizer Nationalfonds, Forschungsfonds der Universität Trier, Forschungsinitiative Rheinland-Pfalz) liefern erste vielversprechende Ergebnisse, die den Einfluss therapeutischer Mikrointerventionen auf die hirnphysiologische Aktivität zeigen (z.B. Zaunmüller & Lutz, 2012; Zaunmueller, Lutz, & Strauman, 2012; Strauman, et al., 2013).