Herr Prof. Dr. em. Walter Röll

Die Trierer Germanistik trauert um

Prof. em. Dr. Walter Röll

Am 25. Dezember 2016 ist Prof. em. Dr. Walter Röll nach langer schwerer Krankheit im Alter von 79 Jahren gestorben. Mit ihm verstarb einer der Gründungsprofessoren der Trierer Germanistik, dessen Aufgabe es 1970 zunächst war, den Fachteil Ältere deutsche Philologie aufzubauen und als einen der drei Pfeiler der Trierer Germanistik in der Lehre zu etablieren. In der Folgezeit engagierte er sich im weiteren Ausbau des Fachteils, was mit der Einrichtung einer weiteren Professur zum WS 1979/80 gelang, sowie mit der Erweiterung des Spektrums der Germanistik im Ganzen. In zahlreichen Gremien der Selbstverwaltung  beteiligte er sich zudem aktiv an der Weiterentwicklung des Fachbereichs insofern, als er den von den Schulfächern Deutsch, Französisch Englisch und Latein her konzipierten ursprünglichen Fachbereich II zum heutigen breiter aufgestellten Fachbereich Sprach- und Literaturwissenschaften mit Zielrichtung weit über die Lehramtsfächer hinaus umgestalten half.

Der Trend zur Ausweitung der Perspektiven des Fachbereichs kam seinen persönlichen wissenschaftlichen Zielen insofern entgegen, als er schon als wissenschaftlicher Assistent in Hamburg das Jiddische als Forschungsgebiet für sich entdeckt und ihm das Fernziel vor Augen geriet, das der deutschen Universität weitgehend unbekannte Gebiet an ihr als wissenschaftliche Jiddistik zu etablieren. Zunächst sorgte er dafür, dass innerhalb der Älteren deutschen Philologie regelmäßig Einführungen ins Jiddische angeboten wurden und das Fach so universitätsintern wahrgenommen wurde. In enger Zusammenarbeit mit Kollegen vor allem aus der germanistischen Linguistik gelang es ihm in vielen Einzelschritten, Jiddistik ab dem  WS 1985/ 86 als eigenständigen Fachteil der Germanistik zu etablieren, bis seine Bemühungen um das Fach schließlich  1990 mit der Errichtung eines Lehrstuhls für Jiddistik in Trier, des ersten in Deutschland, gekrönt wurden.

In seiner über 30jährigen Lehr- und Forschungstätigkeit innerhalb der Älteren deutschen Philologie zwischen der ahd. Literatur des 9. Jh.s, der mhd. Klassik der Stauferzeit und dem Humanismus des 16. Jh.s war Walter Röll stets bemüht, den ganzen Facettenreichtum des Faches sichtbar zu machen. Dazu sollte auch die von ihm getragene Einrichtung einer Ringvorlesung aller Lehrenden der älteren deutschen Philologie dienen, die seit dem WS 1980/81 in unregelmäßigen Abständen und z. T. mit verändertem Programm abgehalten wurde. Aus der Vielzahl seiner eigenen Veranstaltungen treten dabei zwei Schwerpunktbereiche hervor. Ein erster knüpft an seine Habilitation über den Liederdichter Oswald von Wolkenstein an: die Lieddichtung des hohen und späten Mittelalters einschließlich des Meistersangs mit gelegentlichen Ausflügen in die lateinische humanistische Lyrik. Einen  zweiten bilden die Verserzählungen und Märendichtung von der klassischen Zeit bis ins 16. Jh. In diesem Bereich war er auch nach seiner Emeritierung im Jahre 2002 bis zuletzt tätig, konnte sein Projekt der Ausgabe einer mhd. Version der Gesta Romanorum bedauerlicherweise jedoch nicht mehr zu Ende führen.

Auch weil er für jeden, der mit Problemen zu ihm kam, Zeit und ein offenes Ohr hatte und mit seiner ruhigen und freundlichen Umgangsart hat sich Walter Röll die Wertschätzung seiner Kollegen und Kolleginnen wie der Studierenden erworben. Sie alle werden ihm ein ehrendes Andenken bewahren.

Jürgen Jaehrling

siehe auch: Jiddistik aktuell

 

Schwerpunkt Lehre/Forschung:

'Gesta Romanorum', Altjiddische Glossare, Altjiddische Lexikographie, Lyrik und Epik des hohen Mittelalters.
Aktuelle Projekte: Edition einer deutschen Fassung der 'Gesta Romanorum'. Edition altjiddischer 'Hiob'-Glossare.

Vita:

Promotion: 1962
Habilitation: 1969

Publikationen (in Auswahl):

Monographien

  • Studien zu Text und Überlieferung des sogenannten Jüngeren Titurel, Heidelberg: Winter 1964. 179 S. (= Diss. Hamburg 1964).
  • Vom Hof zur Singschule. Überlieferung und Rezeption eines Tones im 14. - 17. Jahrhundert, Heidelberg : Winter 1976. 146 S. (= Hab.schr. Hamburg 1969).
  • Oswald von Wolkenstein, Darmstadt: Wiss. Buchgesellschaft, 1981. XII, 140 S. (Erträge der Forschung; 160).
  • Findebuch zum mittelhochdeutschen Wortschatz, Stuttgart 1992 (zusammen mit Kurt Gärtner, Christoph Gerhardt, Jürgen Jaehrling, Ralf Plate, Erika Timm).

 Edition

  • Die 'Hiob'-Paraphrase des Avroham ben Schemuel Pikartei, in Handschriftenabdruck und Transkription hrsg., Hamburg 1996. XLIX, 313 S. (jidische schtudies; 6, zusammen mit Gabriele Brünnel und Maria Fuchs).

 Aufsätze

  • Johannes Flamingus Boppardiensis und ein Glossator. In: Verführung zur Geschichte. Hrsg.: G. Droege (u. a.). Trier 1973. - S. 165-186.
  • Der vierzigjährige Dichter. Anläßlich des Liedes 'Es fügt sich' Oswalds von Wolkenstein. In: ZfdPh 94. 1975, S. 377-394. Zu den ersten drei Texten der Cambridger Handschrift von 1382/83. In: ZfdA 104. 1975, S. 54-68.
  • Die Pluralbildung im Jiddischen und im Deutschen. In: Internationale Kongressberichte. Akten des V. Intern. Germanisten-Kongresses Cambridge 1975. Hrsg.: L. W. Forster und H. G. Roloff Bern 1976. - H. 2, S. 211-220 (Jb. f. Intern. Germ., Reihe A, Bd. 2).
  • Wolfram von Eschenbach, 'Ursprinc bluomen'. In: Wolfram-Studien 6. 1980, S. 63-82.
  • Zu den Judeneiden an der Schwelle zur Neuzeit. In: Zur Geschichte der Juden im Deutschland des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit. Hrsg.: Alfred Haverkamp; Stuttgart 1981. - S. 163-204 (Monographien zur Gesch. d. MAs; 24).
  • Zum Zitieren als Kunstmittel in der älteren deutschen Lyrik. In: Beitr. 105. Tüb. 1983, S. 66-79.
  • Zum formalen Aufbau der erzählenden Werke Wolframs von Eschenbach. In: Miscellanea mediaevalia 16/2. 1984, S. 356-376. Berthold von Regensburg und der 'Jüngere Titurel'. In: Wolfram-Studien 8. 1984, S. 67-93.
  • The Kassel "Ha-Meassef" of 1799. An Unknown Contribution to the Haskalah. In: The Jewish Response to German Culture. From the Enlightenment to the Second World War. Hrsg.: J. Reinharz und W. Schatzberg. Hanover-London 1985. Paperback-Ausgabe 1991. - S. 32-50.
  • Zur Überlieferungsgeschichte der 'Gesta Romanorum'. In: Mittellat. Jb. 21. 1986, recte 1988, S. 208-229.
  • Bernhard Schöfferlins Vorrede zum ersten Teil der 'Römischen Historie' (1505). In: ZfdA 117. 1988, S. 210-223.
  • "Figuren"-Bände (Bilderbücher) des 16. Jahrhunderts als Buchtyp. In: Gutenberg-Jb. 1992, S. 198-235.
  • Der 'Convertimini'-Traktat als Quelle der 'Gesta Romanorum'. In: Fs. Walter Haug und Burghart Wachinger. Hrsg.: J. Janota (u.a.). Tübingen 1992. - Bd. 1, S. 485-504.
  • Die Druckgeschichte der 'Römischen Historie' Bernhard Schöfferlins in Umrissen. In: Von wyßheit würt der mensch geert ... Fs. Manfred Lemmer. Hrsg.: I. Kühn, G. Lerchner. Frankfurt/M. 1993. - S. 205-225.