Die automatischen Gärten

Von den mechanischen Parkinstallationen der Antike und des Barock bis hin zu rechnergeneriertem virtuellem Wildwuchs in der Medienkunst, nicht zu vergessen die künstlichen Gärten literarischer Visionen und des „automatischen Schreibens“, ja man möchte fast an Borges’ erzähllabyrinthischen „Garten der Pfade, die sich verzweigen“ denken... – doch das ist eine andere Geschichte.

So twice five miles of fertile ground / With walls and towers were girdled round: / And there were gardens bright with sinuous rills…”: Coleridges Opiumvision von Xanadu (1797) ist vielleicht – glaubt man dem Bericht des Dichters selbst – der erste im automatischen Textentstehungsverfahren erzeugte Garten der Weltliteratur.

Holmes, Richard: Coleridge: early visions
London [u.a.]: Hodder & Stoughton, 1989. XVI, 409 S.: Ill., Kt.
Signatur: np 36010


Eine Vogelschau auf den „Garten von Frankreich“? Eher eine emblematische Landschaft am Vorabend der industriellen Revolution, aristokratische Parkanlagen und die Aufgaben der Technik eingelagert in Natur und Agrikultur, mit der hier ein Ingenieurstudent des ancien régime sein kartographisches Können bewies (L.-P. Clément, 1785).

Picon, Antoine: L' ingénieur artiste: dessins anciens de l'École des Ponts et Chaussées
Paris: Presses de l'École Nationale des Ponts et Chaussées, 1989. 206 S.: überwiegend Ill.
Signatur: w 8956



Wo Herkules die Keule schwingt / und ungewohnt ein Vogel singt: / Sind das belebte Kreaturen / oder bloß Herons Apparaturen?“ fragte sich berechtigterweise mancher Alexandriner beim Gang durch die Parks seiner Metropole, die in der Tat der geniale Erfinder Heron von Alexandria mit künstlichen Singvögeln und hydraulisch bewegten mythologischen Figurengruppen bevölkert hatte – der Beginn einer langen Geschichte automatischer Garteninstallationen.

Vercelloni, Virgilio: Historischer Gartenatlas: eine europäische Ideengeschichte
Stuttgart : Deutsche Verlagsanstalt, 1994. 206 S.: zahlr. Ill., Kt.


Kraftwerk der Harmonien: Im „Großen Gewölbe“ des Heidelberger Schloßgartens hatte sein Schöpfer Salomon de Caus vorgesehen, „eine Wasser Machinam darinn zurichten zu lassen, daß man vermittels des Wassers die drey Art und Gattungen der Alten Musick, so Sie Diatonicam, Harmonicam und Chromaticam genandt, hette hören können“ – ein Plan, der religionskriegsbedingt nie zur Ausführung kam.   Caus, Salomon de: Hortus palatinus: die Entwürfe zum Heidelberger Schlossgarten
Nachdr. d. Ausg. Frankfurt am Main 1620. Worms: Werner, 1980. [34] Bl.: überw. Ill. u. graph. Darst. (Grüne Reihe; 1)
Signatur: 33 = X.DT.HD/pb 6417-Text


Für die musikalischen Grotten imaginärer Gärten entwarf Athanasius Kircher – wenn er nicht gerade Hieroglyphen entzifferte, Vulkane erforschte, Sonnenflecken beobachtete oder China beschrieb – auch schon einmal eine Maschine zur automatischen Erzeugung von Tierstimmen und Panflötenklängen.   Kircher, Athanasius: Musurgia universalis
Reprograf. Nachdr. d. Ausg. Rom 1650. Hildesheim [u.a.]: Olms, 1970. Getr. Zählung: Ill., graph. Darst. und Notenbeisp.
Signatur: b 16737


Im Auge des Zyklopen: Hydraulische Grottentheater und mechanische Opern – hier eine „Galatea“ – entwarf der Gartenarchitekt und -techniker de Caus am Vorabend des dreißigjährigen Krieges für den Heidelberger Schloßpark.

Fehrle-Burger, Lili: Die Welt der Oper in den Schloßgärten von Heidelberg und Schwetzingen
1. Aufl. Karlsruhe: Braun, 1977. 168 S.: zahlr. Ill.
Signatur: pb16344


Versailles wäre nicht Versailles gewesen, wenn nicht die legendäre „Maschine von Marly“, weitab an einem Seitenarm der Seine (einen Begriff von den Ausmaßen der Anlage gibt erst nebenstehende kleine Abbildung), mit ihren gigantischen Schöpfrädern und Pumpen die Gärten und Wasserspiele des Schlosses gleichsam ferngesteuert hätte – wenigstens für die kurze Dauer ihrer Funktionstüchtigkeit.

Diderot, Denis [Hrsg.]: Encyclopédie, ou dictionnaire raisonné des sciences, des arts et des métiers
Recueil de planches sur les sciences, les arts libéraux, et les arts méchaniques avec leur explication
Genève: Pellet, 1779. Getr. Zählung .
Signatur: 99 = ag 56(2)-Suppl,1


Man müsse seinen Garten kultivieren, fand bekanntlich Candide am Ende seiner Abenteuer. Mit der Encyclopédie in der Hand hätte der geläuterte Optimist getrost ein „lassen“ hinzufügen können, denn zumindest die schwierige Aufgabe des Bewässerns hätte dieses automatische Hebewerk ihm abgenommen.   Encyclopédie méthodique ou par ordre de matières
Art aratoire et du jardinage: contenant la description & l'usage des machines, ustensiles, instrumens & outils employés dans l'exploitation des terres & dans la culture des plantes

Recueil des planches. Paris : Agasse, 1802. 54 Taf.
Signatur: 99 = ag401-5,2


Aufruhr im Kartengarten: Geköpft von einem Tinguelyschen Automatenblitz birst hier der „Turm von Babel“, eines der gebauten Tarots in Niki des Saint Phalles Giardino dei Tarocchi (Pescia Fiorentina, Italien).   Saint Phalle, Niki de: Der Tarot-Garten
Photographien von Giulio Pietromarchi. Wabern-Bern: Benteli, 1999. 75 S.: zahlr. Ill.
Signatur: 33 = FK.SPH/pb 19435


Gärten des Gefühlssinns läßt der Rechner in Christa Sommerers und Laurent Mignonneaus Installation The Interactive Plant Growing (1992) auf der Projektionsfläche emporwachsen, je nach der Art und Intensität, mit der die präparierten (echten) Pflanzen im Raum von den Besuchern berührt werden.   Schwarz, Hans-Peter: Medien-Kunst-Geschichte
[Erschienen anläßlich der Eröffnung des Medienmuseums im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe am 18. Oktober 1997] München [u.a.]: Prestel, 1997. 191 S.: zahlr. Ill.
Signatur: 33 = CM.KAR/pb 18178


„... daß ich nicht wußte, wie lange ich schon dort gewesen war, im Garten der Gärten...“: Mit den Methoden der écriture automatique wagt Henri Michaux einen Schritt ins Paradiesische.

Michaux, Henri: Le jardin exalté
Saint-Clément: Fata Morgana, 1983. 28 S.
Signatur: mt 33785