Urteil der Woche (KW 26)

Im heutigen Urteil der Woche hat sich der BFH mit der Frage beschäftigt, ob die Vorschrift zur „Wegzugsbesteuerung“ bei unentgeltlichen Anteilsübertragungen auf im Ausland ansässige Steuerpflichtige einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste.

Kläger ist ein Vater, der seinem in den USA ansässigen Sohn einen Anteil an einer deutschen GmbH übertragen hat. Das Vermögen der GmbH bestand überwiegend aus im Inland belegenem Grundvermögen, sodass nach dem einschlägigen DBA USA das Besteuerungsrecht an den stillen Reserven der GmbH weiterhin Deutschland zustand. Das FA behandelte die Übertragung als teilentgeltlichen Erwerb und setzte einen steuerpflichtigen Übertragungsgewinn an. Für den unentgeltlichen Teil der Übertragung bejahte es außerdem die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG und ermittelte noch einen weiteren steuerpflichtigen Übertragungsgewinn. Das FG folgte der Ansicht des FA. Gegen die Besteuerung des unentgeltlichen Teils der Übertragung wehrte sich der Kläger.

Der BFH bestätigte die vorangehende Entscheidung des FG. Er kam zu dem Ergebnis, dass § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AStG - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht einschränkend dahingehend auszulegen sei, dass durch die unentgeltliche Anteilsübertragung auf einen beschränkt Steuerpflichtigen das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste. Der Gesetzgeber habe keinen Zweifel daran gelassen, dass er trotz der Reform des Außensteuergesetzes auch weiterhin Fälle in die „Wegzugsbesteuerung“ habe einbeziehen wollen, in denen es nicht zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an Veräußerungsgewinnen komme. Eine entsprechende einengende Auslegung sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten, da im Streitfall die den sofortigen Besteuerungszugriff rechtfertigende abstrakte Gefahr bestanden habe, dass die GmbH ihren Charakter als Immobiliengesellschaft verlieren könnte, ohne dass hieran eine Besteuerung in Deutschland geknüpft wäre. Eine einengende Auslegung sei auch nicht unionsrechtlich geboten. Zwar sei der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig, jedoch greife der Bestandsschutz der sog. Standstill-Klausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV.

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210082/