Cover Autorität und Demokratie

Autorität und Demokratie

Eine Kulturgeschichte des Erziehungswandels in Westdeutschland und Frankreich, 1945-1975
(abgeschlossenes Habilitationsprojekt)

Gefördert als Dilthey-Fellowship von der VolkswagenStiftung, Laufzeit 2011-2017.

Aus dem Projekt ging die abgeschlossene Habilitationsschrift hervor. Das Buch historisiert das Narrativ, die frühe Bundesrepublik sei von „autoritären Traditionen“ geprägt gewesen, die sie von ihren westlichen Nachbarländern unterschieden. Nur langsam gelang es den Deutschen, so suggeriert diese Erzählung, sich von jener undemokratischen Kultur der Erziehung zu Unterordnung und Gehorsam zu distanzieren, die ihren Höhepunkt im Nationalsozialismus gehabt hatte. Das Buch argumentiert demgegenüber mit Fokus auf Erziehung, dass sich die Bundesrepublik der 1950/1960er Jahre nicht durch einen spezifischen Autoritarismus auszeichnete, sondern vielmehr durch ein rasch wachsendes und im Vergleich mit Frankreich (in vieler Hinsicht aber auch im europäischen Vergleich) ungewöhnlich ausgeprägtes Unbehagen an Formen von Autorität, die auf Gehorsam und Unterordnung zielten.

Das Buch beleuchtet in komparativer Perspektive den Einfluss unterschiedlicher Vergangenheitsdeutungen und Demokratiekonzepte auf die Erziehungsideale und -praktiken beider Gesellschaften. Eingebettet wird die kultur-geschichtliche Frage nach Deutungsmustern und ihren Konsequenzen in eine differenzierte Diskussion verschiedener Faktoren des Wandels – so etwa des Einflusses der Sozialwissenschaften (von der französischen Psychoanalyse bis zur westdeutschen Soziologie), der Auswirkungen der Konsumgesellschaft, der Jugendkultur, der Strukturen der politischen Systeme. In vier thematischen Kapiteln verbindet das Buch die Analyse von Debatten mit der Frage nach konkretem Wandel – in der Schulkultur, im Umgang mit ‚Politik‘ in der Erziehung, in Strafpraktiken, in der Sexualerziehung. Gesellschaftliche Selbstbilder, so folgert es, und für die Bundesrepublik dabei insbesondere das Narrativ der ‚autoritären Traditionen‘ prägten Form und Dynamiken des Wandels in entscheidender Weise. Schließlich analysiert das Buch erstmals den Stellenwert und Charakter von ‚1968‘ im westdeutschen und französischen Erziehungswandel auf umfassender empirischer Grundlage. ‚1968‘ bedeutete sehr Verschiedenes für deutsche und französische Erziehungsdebatten – und zeigte sehr unterschiedliche Konsequenzen.

Sonja Levsen: Autorität und Demokratie. Eine Kulturgeschichte des Erziehungswandels in Westdeutschland und Frankreich, 1945-1975, 711 S., 7 Abb., geb., Schutzumschlag, 14 x 22,2 cm, ISBN 978-3-8353-3563-9, € 49,00, Göttingen (Wallstein Verlag) 2019.