Alexandra Orth, M.A.

Betreuer: Prof. Dr. Ulrike Gehring

Die Essenz des Kosmos. De Stijl und der Einfluss der modernen Naturwissenschaften auf die Konkrete Kunst

Natur ist keine Assoziation, die sich angesichts der geometrischen Nüchternheit des De Stijl aufdrängt. Dennoch legt die niederländische Avantgarde-Bewegung Wert darauf, ihre konkreten Kompositionen als deduktive Auseinandersetzung mit dem Kosmos zu interpretieren. So beschreibt Piet Mondrian, Mitbegründer des Künstlerforums, in seinen Baum-Studien der 1910er Jahre eine stringente Reduktion der sichtbaren Wirklichkeit zu jenen Elementarformen, die für die Bildsprache des De Stijl charakteristisch sind: Mondrian erhebt Linie, Fläche und Primärfarbe zur „reinen Gestaltung des Universalen“ (Piet Mondrian, 1923) – einem Sinnbild metaphysischer Strukturen in der Natur, das zum Topos des bildkünstlerischen wie kunsttheoretischen Werks der Gruppe wird.

Diese These ist hinreichend bekannt. Von neuer Relevanz soll die daran anknüpfende Fragestellung sein, warum De Stijl die Welt in diesen Formen denkt. Dazu sollen nicht die gängigen stil- und sozialgeschichtlichen Erklärungsmodelle herangezogen, sondern der Fokus erstmals umfassend auf den Einfluss der Naturwissenschaften gerichtet werden. Inwiefern prägt das abstrakte Naturverständnis des frühen 20. Jahrhunderts die Wahrnehmung und Gestaltung des De Stijl? Das Dissertationsprojekt stützt sich dabei auf das vielfach bekundete Interesse der Künstler für die physikalische, mathematische und biologische Forschung ihrer Zeit und untersucht die Auswirkungen naturwissenschaftlicher Theoretiker wie Emil Cohn, Albert Einstein, Élie Metchnikoff, Wilhelm Ostwald, Henri Poincaré, Max Verworn oder Jakob von Uexküll auf die Konzeptionen des Kosmos in den Werken des De Stijl.