Reform der Mordparagraphens

Die Notwendigkeit einer Reform des Mordparagraphen ist seit längerem Thema rechtspolitischer Debatten. Das Bundesjustizministerium bemüht sich seit 2014 um konkrete Lösungen. Derzeit zeichnen sich jedoch einige Schwierigkeiten bei der Umsetzung ab. Debattiert wird insbesondere über die sogenannte „Kleine“ und „Große Lösung“ sowie auch weiterhin, ob überhaupt die Notwendigkeit einer solchen Überarbeitung besteht.

Die Notwendigkeit einer Reform des Mordparagraphen ist schon länger Thema rechtspolitischer Debatten. Das Bundesjustizministerium bemüht sich seit 2014 um konkrete Lösungen. Eine vom Justizminister eingesetzte Expertenkommission arbeitete an Lösungsansätzen zur Behebung der erkannten Defizite und übergab ihren Abschlussbericht im Juni des vergangenen Jahres. Gerügt wird insbesondere der Wortlaut des § 211 StGB, der in Anlehnung an die Tätertypenfixierung der Nazizeit nicht nur die Tat beschreibt, sondern den Täter als „Mörder“ bezeichnet. Des Weiteren werden die mangelnde Trennschärfe und der weite Auslegungsspielraum der Mordmerkmale kritisiert, die zugleich zu eng und zu weit seien und so häufig nur durch zweifelhafte Konstruktionen eine Subsumtion unter den Tatbestand des Mordes zuließen. In der Debatte stehen beispielsweise die Fälle der heimtückischen Tötung von Haustyrannen durch eine gequälte und deutlich schwächere Person oder – im Gegensatz dazu – die Tötung von Babys oder geistig behinderten Menschen, die aufgrund fehlender kognitiver Fähigkeiten nicht in der Lage sind, Argwohn zu hegen.

Vorschläge sind bisher in Richtung einer spezialpräventiven oder sozialpsychologischen Umgestaltung gemacht worden, die entweder auf die Gefährlichkeit des konkreten Täters oder die des konkreten Tat-Typus abstellen will. Hiergegen wird jedoch eingewandt, dass beide Vorschläge nicht in der Lage seien, die bestehenden Probleme zu lösen. In der Diskussion stehen daher noch die sogenannte „Kleine“ und die „Große Lösung“. Die „Kleine Lösung“, vorgeschlagen durch die Kommissionsmehrheit, will bei dem ursprünglichen Konzept bleiben und lediglich konkretisierende terminologische Glättungen der Mordmerkmale vornehmen. Die „Große Lösung“ zielt dagegen auf grundlegende Änderungen in der Struktur der Tötungsdelikte ab. So soll – entsprechend einer in der Rechtswissenschaft verbreiteten Ansicht – der Mord zu einer Qualifizierung des Totschlags werden. Letzterer würde damit zum Grunddelikt der vorsätzlichen Tötung. Entsprechend würde die Reihenfolge der Tatbestände im StGB verändert (§ 211: Totschlag; § 212: Mord). Außerdem soll in den Mordtatbestand ein Katalog von Merkmalen aufgenommen werden, die eine Qualifizierung zum Mord begründen. Der neue § 212 würde dann eine Aufzählung von Fällen enthalten, die ein erhöhtes Handlungsunrecht aufweisen und insofern als Mord einzustufen sind. Inwiefern eine solche Liste abschließend und widerspruchsfrei gestaltet werden könnte, bleibt abzuwarten.

Auf der Rechtsfolgenseite soll ferner das Strafmaß von einer absoluten Strafandrohung hin zu einer schuldangemessenen Strafe flexibilisiert werden. So könnte eine Strafe etwa auf bis zu 5 Jahre gesenkt werden, wenn der Täter aus bestimmten (schuldmindernden) Motiven heraus gehandelt hat, etwa aus Verzweiflung, um sich oder eine nahestehende Person aus einer Konfliktlage zu befreien, weil er durch eine schwere Beleidigung gereizt wurde oder weil er von einer vergleichbar heftigen Gemütsbewegung betroffen war. Ein Konsens bezüglich dieser Lösungsansätze konnte innerhalb der Großen Koalition allerdings noch nicht hergestellt werden. Laut einem Bericht des Spiegels (Ausgabe 13/2016) ist nun ein erster Gesetzentwurf erarbeitet worden, der sich in der Ressortabstimmung befindet. Dieser Entwurf stößt jedoch auf teils starken Widerstand. Als stärkste Kritiker gelten Politiker aus Reihen der Unionsfraktion, etwa der bayerische Justizminister Winfried Bausback. Elisabeth Winkelmeier-Becker, rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, formulierte gar ein Veto: „Die Unionsfraktion sieht bei den Tötungsdelikten keinen Reformbedarf. Mord bleibt Mord.“ Das Gesetzesvorhaben droht zu einem Stillstand zu kommen. Die Kritiker des Gesetzesvorhabens führen häufig an, dass eine Überarbeitung nicht nötig sei, da die Rechtsprechung für Grenzfälle akzeptable Lösungen gefunden habe. Ferner sei es nicht mit der im Grundgesetz verankerten überragenden Bedeutung des Lebens vereinbar, wenn die lebenslange Strafandrohung für Mord zur Disposition gestellt werde. Ebenfalls von den Kritikern moniert wird, dass die Reformpläne vor dem Hintergrund der aktuellen terroristischen Akte ein falsches Signal sendeten.