[17.08.16] „Wegfall der sogenannten Störerhaftung“ bei öffentlichen WLAN-Hotspots

Bedingt durch die bisher geltende verschuldensunabhängige Störerhaftung im Rahmen der öffentlichen Bereitstellung von WLAN-Hotspots ist die Dichte potentieller Anbieter in Deutschland bisher gering geblieben und liegt weit hinter dem internationalen Durchschnitt. So konnte nach der Rechtsprechung des BGH (BGH, Urteil vom 12.05.2010 - I ZR 121/08; MMR 2010, 565 ff.) aus dem Jahr 2010 der Inhaber eines Internetanschlusses als Störer insbesondere für begangene Urheber- und andere Rechtsverletzungen, die Dritte unter Benutzung eines unverschlüsselten Funknetzwerks im Internet begingen, von den Rechteinhabern auf Unterlassung in Anspruch genommen werden und musste unter Umständen entsprechende Abmahngebühren zahlen, da durch den Betrieb eines nicht ausreichend gesicherten WLAN-Netzwerks eine adäquat kausale Gefahr für Rechtsverletzungen durch unbekannte Dritte geschaffen würde. Es bestand bis dato daher eine anlasslose Verpflichtung der Anschlussinhaber, „die im Kaufzeitpunkt des Routers für den privaten Bereich marktüblichen Sicherungen ihrem Zweck entsprechend wirksam einzusetzen“ (BGH, a.a.O., Rdnr. 23).

Das zur Änderung dieser verschärften Haftungssituation am 27.07.2016 in Kraft getretene Zweite Gesetz zur Änderung des Telemediengesetzes erweitert nunmehr die Vorschrift des § 8 Telemediengesetzes (TMG) um einen Absatz 3 und bezieht die in Abs. 1 und Abs. 2 normierte Haftungsprivilegierung für bestimmte Dienstanbieter (insbesondere Accessprovider wie die Deutsche Telekom), die bestimmt, dass jene Anbieter für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich sind, auch auf private und gewerbliche Anbieter.<o:p></o:p>

Vor dem Hintergrund, dass der Wortlaut des § 8 bezüglich seiner konkreten Reichweite jedoch unklar bleibt, sind die genauen Auswirkungen der Gesetzesänderung auf die Praxis noch nicht abschließend abzusehen. Fraglich erscheint, ob der Terminus „nicht verantwortlich“ im Sinne des § 8 Abs. 1 TMG künftig auch eine Freistellung von Unterlassungsansprüchen umfassen soll, obgleich der Wortlaut des Absatzes 1 unverändert bleibt. Darüber hinaus trifft das Gesetz auch nach der vorgenommenen Änderung keine Aussage dazu, ob dem Betreiber eines Funknetzwerks künftig eine anlasslose Verschlüsselungspflicht auferlegt werden kann. In diesem Zusammenhang ist auch auf die nach Inkrafttreten der Änderung des TMG ergangene Entscheidung des EuGH in einem Vorabentscheidungsverfahren vom 15.09.2016 (C-484/14) hinzuweisen, nach der Art. 12 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 der Richtlinie 2000/31/EG (sog. e-commerce Richtlinie) und der Regelungen der Richtlinien 2001/29/EG und 2004/48/EG dahin auszulegen ist, dass er bei Vorliegen gewisser Voraussetzungen grundsätzlich nicht dem Erlass einer Anordnung entgegensteht, mit der einem Diensteanbieter unter Androhung von Ordnungsgeld aufgegeben wird, den Internetanschluss durch ein Passwort zu sichern, um Dritte daran zu hindern, der Öffentlichkeit mittels dieses Internetanschlusses ein bestimmtes urheberrechtlich geschütztes Werk oder Teile davon über eine Internettauschbörse zur Verfügung zu stellen. 

Bisher unbeantwortet bleiben zudem die Fragen, ob Eltern von einer Haftung aus § 832 Abs. 1 BGB befreit sind und wie sich die Ausgestaltung der Darlegungs- und Beweislast für die WLAN-Betreiber künftig darstellt (Besteht eine sekundäre Darlegungslast im Hinblick auf die Nutzungssituation des Netzwerks vor Ort und welche konkreten Maßstäbe sind an diese zu stellen? Welche Anforderungen sind an die Beweislast der Anschlussinhaber im Hinblick auf die Privilegierungsvoraussetzungen des § 8 TMG zu stellen?).