Aufbau einer Gen-Datenbank für die Rotwildbestände in Rheinland-Pfalz

Die Zerschneidung und Fragmentierung von Lebensräumen ist ein tiefgreifendes Problem der modernen mitteleuropäischen Landschaft. Insbesondere in industrialisierten und dicht besiedelten Gebieten verringert der Bau von Straßen und Bahntrassen den Austausch zwischen Tierpopulationen bzw. unterbindet diesen vollständig. Dieser verminderte Austausch zwischen Populationen kann zur Gefährdung von Arten führen, da zum einen eventuelle Populationseinbrüche nach Krankheiten oder kalten Wintern nicht auf natürlichem Wege ausgeglichen werden können und zum anderen die genetische Vielfalt (und damit die Fitness und Anpassungsfähigkeit) einer Population langfristig verloren geht. Anders als Vögel sind viele Säugetiere nicht in der Lage, Barrieren zu überwinden. Zäune sind zwar ein effektives Mittel zum Schutz von Einzeltieren vor dem Straßentod, gleichzeitig aber verstärken sie die Separation von Populationen und damit deren genetische Isolation. Dieser Effekt kann möglicherweise lokal durch Grünbrücken reduziert werden, vermutlich aber verhindert er ihn nicht vollständig.

Unser Wissen über die Effekte von Barrieren auf Wildpopulationen sind in den letzten Jahrzehnten deutlich gestiegen. Durch die Entwicklung hochauflösender genetischer Markersysteme werden solche Analysen zunehmend effektiver und preiswerter, so dass heute ein standardisiertes genetisches Management von Populationen möglich ist. Die inzwischen am häufigsten angewandte Methode bei solchen Untersuchungen ist die Analyse von Mikrosatelliten. Diese hochvariablen Genabschnitte erlauben eine besonders feine Auflösung genetischer Strukturen. So lassen sich Immigranten in einer Population klar einer Quellpopulation zuordnen, und der Austausch zwischen einzelnen Populationen kann quantifiziert werden. Als Ausgangsmaterial ist zwar Gewebe oder Blut am besten geeignet, meist ist aber auch eine Analyse aus Haarproben oder sogar aus frischen Fäces möglich. Somit lassen sich selbst mit Hilfe solcher indirekter Sammelmethoden populationsgenetische Analysen durchführen.

Das Rotwild unterliegt als größte deutsche Wildart einem besonderem Interesse für den Aufbau eines effektiven Jagd- und Schutzmanagements. Die hohe Bedeutung des Rotwildes äußert sich in einer beachtlichen Jagdstrecke (über 8700 Tiere in Rheinland-Pfalz im Jagdjahr 2008/2009). Durch die heute enge Bindung des Rotwildes an Waldlebensräume in Mitteleuropa ist gerade bei dieser Art ein starker Effekt der Lebensraum-Fragmentierung auf die genetische Strukturierung von Populationen zu erwarten. Ursprünglich war das Rotwild vermutlich ein Bewohner halboffener Landschaften, und ausgedehnte Wanderungen zwischen Sommer- und Wintereinständen führten zu einem regelmäßigen Genfluss zwischen Populationen. Die Reduzierung des Lebensraumes und die Störungen der Einstände werden auch mit den zum Teil erheblichen Schäden in Wäldern und landwirtschaftlichen Flächen in Verbindung gebracht.

Im Projekt wird einer Gen-Datenbank für die Rotwildbestände in Rheinland-Pfalz etabliert. Hierfür sollen aus allen 13 Rotwild-Populationen Individuen genotypisiert werden, um die Verteilung der genetischen Diversität in Rheinland-Pfalz beurteilen zu können und mögliche Barrieren identifizieren zu können. Diese Daten können dann für die Planung von Lebensraumkorridoren und für zukünftige Verkehrswegeplanungen (Grünbrücken etc.) genutzt werden. Ebenso kann mit Hilfe der Daten der Fortpflanzungserfolg in einzelnen Revieren bestimmt, die Verwandtschaftsstrukturen aufgeklärt, Austausch von Tieren zwischen Revieren rekonstruiert und eventuelle Gefahren durch Inzuchtdepression rechtzeitig erkannt werden. Auch lässt sich mit Hilfe der Daten eine Herkunftsbestimmung von Tieren durchführen (körperlicher Nachweis).

zurück