Die von Flores’sche Dissertation

Bedeutungsrepräsentationen. Ein Kommentar zur "imagery debate" aus semiotischer Perspektive

beschäftigt sich mit dem erkenntnistheoretischen Problem der überprüfbaren Gewinnung und adäquaten Darstellung von Resultaten kognitiver Prozesse im Menschen und im Computermodell. Prozedurale Bedeutungsrepräsentationen, die eine semiotische Modellierung des Sprachverstehens liefert, bilden den Vergleichshorizont, auf dem die Positionen der Debatte zum Bildverstehen (imagery debate) in den Kognitionswissenschaften vorgestellt, diskutiert und kritisch evaluiert werden.

Dem Autor geht es dabei um die grundlegenden Bedingungen, die einen Vergleich der Verarbeitung von Sprache mit der Verarbeitung von Bildern ermöglichen. Diese Bedingungen sieht er in der Prozeduralität dynamisch sich konstituierender Bedeutungen, ihrer Modellierungen und Repräsentationen gegeben, deren ontologische und funktionale Status er im Rahmen seiner Computersimulationen auch überprüfbar realisieren kann. Hierzu legt Flores die von ihm substantiell erweiterte Testumgebung SCIP2 vor, die eine Vielzahl neu entwickelter Parameter einführt und deren Variation erlaubt. Dazu war schon früher in einer Referenzebene mit frei plazierbaren Objekten ein einfaches, mobiles Agentensystem definiert worden (Rieger 1995), dessen Systempositionen relativ zu den Objektlagen (SPOL-Relationen) die Basis korrekter, propositionaler Beschreibung seiner wechselnden Umgebungssituationen lieferte. Verbunden mit der Algorithmisierung eines Prozesses zum fortschreitenden, non-propositionalen Verstehen  dieser sprachlichen Beschreibungen, ergab sich so die Möglichkeit, das aus den Beschreibungen berechnete Verständnis sprachlicher Bedeutungen (wie mentale Bilder) überprüfbar als zunehmend schärfere Abbildungen der beschriebenen Situationen algorithmisch zu visualisieren.  Dabei handelt es sich um Prozesse der semiotisch kognitiven Informationsverarbeitung (SCIP), durch die (mehr oder weniger) bestimmte Agglomerationen von Entitäten in (mehr oder weniger) bestimmten Zusammenhängen (mehr oder weniger) bestimmte Eigenschaften zukommen, deren mehrstufige Zusammengesetztheit unter anderem als Bedeutung von (bildlichen wie sprachlichen) Zeichen verstanden werden kann, ohne daß hierzu ihre Syntax und Semantik formulierbar oder bekannt sein müßte. 

Auf dem Hintergrund dieser Dynamik semiotischer Prozesse der Bedeutungskonstitution und ‑repräsentation entwickelt Flores seine überzeugende Kritik an der beschränkten Diskussion zur Bildverarbeitung in den Kognitionswissenschaften. Sie erscheint als Auseinandersetzung der sog. Propositionalisten mit den sog. Depiktionalisten um die Frage nach den angemessenen Repräsentationsformaten mentaler Bilder, nicht aber als Diskussion der möglicherweise inadäquaten Statik ihrer Modellierungen, die  alle Vorgänge mentaler Bildsequenzen (Bildgeschehen) aussparen muß, weil sie für Fragen kognitiver Verarbeitungsprozesse blind ist. Diesen Zusammenhang klar herausgearbeitet und in seinen erkenntnistheoretischen Konsequenzen überzeugend dargelegt zu haben, macht die Aufarbeitung der imagery debate für die prozedurale Modellierung kognitiver Prozesse in der Computersemiotik, die Flores mit seiner Dissertation hier vorlegt, zu einem wertvollen Beitrag in der gegenwärtigen Diskussion, der hohe Anerkennung verdient.