Die
Mehler’sche Dissertation
Textbedeutungen. Zur prozeduralen Analyse und
Repräsentation struktureller Ähnlichkeiten von Texten
beschäftigt
sich mit grundlegenden Bedingungen der Realisierung selbst-lernender,
maschineller Verarbeitung natürlichsprachlicher Texte, deren Bedeutungen nicht
anhand ihres vorgängigen Verständnisses zu repräsentieren sind, sondern als
Resultate semiotischer Prozesse analysiert werden können, durch die sich die
Struktur dieser Texte wie das Verstehen ihrer Bedeutungen konstituieren. Dabei
handelt es sich um Prozesse, durch die (mehr oder weniger) bestimmte
Agglomerationen von Entitäten in (mehr oder weniger) bestimmten Zusammenhängen
(mehr oder weniger) bestimmte Eigenschaften zukommen, und deren mehrstufige
Zusammengesetztheit unter anderem als die Bedeutung
von Zeichen verstanden wird.
In der vorliegenden Arbeit
geht es um die Rekonstruktion derartiger Prozesse als Prozeduren, und wie sie
im Rahmen eines korpusanalytischen Ansatzes sowohl empirisch-quantitativ wie
formal-algebraisch fundiert, algorithmisch modelliert und aufgrund der Dynamik
ihrer Resultate adäquat repräsentiert werden können. Der Autor bewältigt diese
Aufgabenstellung mit Bravour, durch ungewöhnlichen Ideenreichtum, klare Argumentation
und (bisweilen formale) Beweisführung seiner begrifflich scharfen,
definitorisch sauberen und prozedural überprüften Neuentwicklungen. Gedankliche
Disziplin und wissenschaftliche Anspruch dieser (sehr umfangreichen)
Dissertation entschädigen dabei für den dem Leser
abverlangten Verstehensaufwand durch z.T. brillante Vermittlung überraschender
Zusammenhänge und neuer Einsichten.
Grundlage
und Ausgangsbasis der Problemstellung dieser Dissertation bilden Hypothesen u.a. der Unscharfen Semantik (Rieger 1989), wonach die strukturelle Bedeutung
sprachlicher Zeichen als zweistufiger Prozeß ihrer (syntagmatischen) Kookkurrenzen und (paradigmatischen) Vergleichskontexte
rekonstruierbar ist. Auf der Basis der so algorithmisierten Regularitäten
der Wortgebräuche gelingt dem Autor eine in jeder Hinsicht beeindruckende
Verallgemeinerung dieses Ansatzes, die er sowohl formal (graphentheoretisch und
relationenalgebraisch) als auch empirisch
(mathematisch-statistisch) und prozedural (algorithmisch) als wohlbegründet
einführen und nachweisen kann. Durch die
methodische Entwicklung neuer Verfahren zur Analyse von Textkorpora, in deren
Verlauf die Emergenz semantischer Ähnlichkeiten von Texten zur Konstitution individueller
Textbedeutungen führen, kann Mehler diese Textbedeutungen als Vektoren (Distributionen
von Werten von Textkonstituenten) adäquat darstellen und im semantischen Raum
vereinheitlichend als Textbedeutungspunkte repräsentieren. Gleichzeitig stellt
der Autor mit der simulativen Nachbildung dieser
Prozesse der Bedeutungskonstitution von Texten im Rechner eine von ihm
entwickelte, textlinguistisch motivierte und voll-automatische Methode zur
semantischen Gruppierung von Texte bereit. Diese Prozeßsimulation arbeitet auch
dann erfolgreich, wenn die verarbeiteten Texte nur wenige – oder sogar keine –
oberflächenstrukturelle Gemeinsamkeiten
aufweisen, wohl aber semantisch ähnliche Inhalte behandeln. Mehlers
computersemiotische Ausarbeitung dieses innovativen Verfahrens zur
automatischen Erstellung von Verweisstrukturen (Hypertexte) in pragmatisch
homogenen Textsammlungen kann angesichts des weltweiten Mangels auch nur
vergleichbarer Verfahren höchste Aktualität bescheinigt und beträchtliche
Beachtung vorausgesagt werden.