E-Sport - neue Maßstäbe innerhalb etablierter rechtlicher Standards?

„E-Sport“ steht für elektronischen Sport (im englischen „eSports“ für electronic sports). Unter E-Sport versteht man Sportwettkämpfe mit Video- und Computerspielen auf Computern und Konsolen, die nach festen Regeln ablaufen. Die Spieler sind häufig in – den Sportvereinen ähnlichen – so genannten „Clans“ organisiert. Weltweit werden so immer mehr Anhänger vor Bildschirmen und in Stadien unterhalten. So haben 32 % der Deutschen E-Sport schon einmal live (in Stadien, durch Streaming oder im TV) verfolgt.

Diese neuartige Form der digitalen Massenunterhaltung stellt sowohl die rechtliche Bewertung der Arbeitnehmereigenschaft als auch die Anerkennung des E-Sports als Sportart anhand bekannter Kriterien vor neue Herausforderungen und könnte gesetzgeberische Reaktionen erfordern. Dieser Beitrag beschäftigt sich nach einem kurzen rechtlichen Überblick vor allem mit der arbeitsrechtlichen Bewertung und dem Arbeitnehmerbegriff innerhalb des E-Sports.

Aktuelle Bewertung des E-Sports

Fraglich erschien immer wieder die Einordnung des E-Sports im Vergleich zu herkömmlichen Sportarten. Der Petitionsausschuss des Bundestages beispielsweise befürwortet die Anerkennung des E-Sports als eigene Sportart im Sinne des Vereins- und Verbandsrecht. Somit könnte auch von Sportförderprogrammen profitiert werden. Die Ansicht des Petitionsausschusses, dass E-Sport die Kriterien des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) erfülle, basiert auf der Annahme, dass es sich beim E-Sport um einen virtuellen Wettkampf handle, obwohl das Hauptkriterium der „körperlichen und motorischen Aktivität“ nicht im herkömmlichen Sinne erfüllt werde. Es gebe jedoch motorische Abläufe der Spieler, wie die präzisen Handbewegungen und die Augen-Hand-Koordination, die sich mit der des Bogenschießens vergleichen ließen und eine körperliche Aktivität darstellten. Innerhalb dieses Wettkampfes träten die Spieler alleine oder in Teams mit gleicher Spielerzahl gegeneinander an. Die Taktik sowie die feinmotorischen Fähigkeiten der Spieler müssten vorher trainiert werden. Ein weiteres Kriterium ist die Einhaltung organisatorischer und ethischer Grundsätze, wie etwa der des „Fairplay“. Der Tätigkeit müsse eine gewisse Gemeinnützigkeit zugeschrieben werden (vgl. § 52 Abgabenordnung). Vor allem das Merkmal der Gemeinnützigkeit wird bislang allerdings vom DOSB nicht anerkannt. Dazu hatte der DOSB 2019 ein Gutachten bezüglich „Rechtsfragen einer Anerkennung des E-Sports als gemeinnützig“ von Herrn Prof. Dr. Peter Fischer, Vors. Richter am BFH a.D. und Rechtsanwalt, erstellen lassen. Zur Begründung wird auf die Auslegung des geltenden Rechts unter Beachtung der deutschen höchstrichterlichen Rechtsprechung und der des Europäischen Gerichtshofs Bezug genommen.

E-Sport löst sich von den Standards der bisher vorherrschenden Sportarten und lässt sich in vielerlei Hinsicht rechtlich nicht ganz eindeutig einordnen.

 

Arbeitsrecht

Auch im Arbeitsrecht fällt eine Einordnung des E-Sports anhand standardisierter Kriterien nicht leicht. E-Sport kann jedenfalls mehr als eine Freizeitaktivität sein. Er entwickelt sich zu einem florierenden Wirtschaftszweig, was sogar im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD vom 12.3.2018 Ausdruck findet (Rn.2167: „Wir erkennen die wachsende Bedeutung der E-Sport-Landschaft in Deutschland an.“). Innerhalb der E-Sport-Wettkämpfe können hohe Preisgelder erzielt werden. So waren bei dem bislang höchst dotierten Event „The International Dota 2 Championships“ 2019 34,2 Millionen US$ zu gewinnen. Dadurch können zahlreiche der sogenannten E-Sportler ihren Lebensunterhalt durch ihre Tätigkeit finanzieren. Doch wird dadurch der E-Sportler auch zum Arbeitnehmer?

Internationales Privatrecht

Die Frage der Arbeitnehmereigenschaft lässt sich vielfach nicht oder nicht allein nach dem nationalen Recht beantworten. So muss in Fällen mit Auslandsbezug das internationale Privatrecht herangezogen werden. Ein solcher Auslandsbezug liegt im Bereich des E-Sport relativ häufig vor und resultiert daraus, dass während der Wettkämpfe die Anwesenheit der Spieler in einem Raum nicht zwingend erforderlich ist und sich so Teams mit Mitgliedern, die Wohnsitze in verschiedenen Staaten haben, herausbilden. Welches Recht auf die Verträge anzuwenden ist bestimmt sich gemäß Art. 1 Abs. 1 Rom-I-VO für Vertragsverhältnisse innerhalb des Zivil- und Handelsrechts nach dieser Verordnung. Es erscheint im Sinne der Rechtssicherheit sinnvoll, eine (ggf. konkludente oder stillschweigende) Rechtswahl nach Art. 3 Rom-I-VO zu treffen. Wenn eine solche getroffen wurde, ist allerdings auf Art. 8 I Rom-I-VO zu achten. Ohne Rechtswahl lässt sich das anzuwendende Recht für Individualarbeitsverträge im Sinne des Art. 8 I Rom-I-VO nach Art. 8 II Rom-I-VO ermitteln. Demnach unterliegt der Arbeitsvertrag dem Recht des Staates, in dem oder von dem der Arbeitnehmer für gewöhnlich seine Arbeit verrichtet. Für die Frage des maßgeblichen Anknüpfungspunktes des Arbeitsortes bieten sich beim E-Sport verschiedene Aspekte an: der Standort, an dem das Eingabegerät bedient wird, der des Servers, an dem das Arbeitsergebnis empfangen wird, oder der Ort, von dem die Weisungen gegeben werden. Um diese Frage zu beantworten, wird häufig ein Vergleich zur Telearbeit gezogen, bei der es nach wohl herrschender Meinung auf den Ort der Dateneingabe ankommt. Deshalb wird dieser Ort auch im Falle des E-Sports als gewöhnlicher Arbeitsort angesehen. Wettkämpfe im Ausland fallen wohl in der Regel unter Art. 8 II 2 Rom-I-VO. Danach wechselt der Staat, in dem gewöhnlich die Arbeit verrichtet wird, nicht, wenn der Arbeitnehmer seine Arbeit vorübergehend in einem anderen Staat erbringt. Findet ein Wettkampf im Ausland statt, hat dies also zumeist keine Auswirkungen auf das anzuwendende Recht. 

Bewertung nach deutschem Recht

Soweit deutsches Recht Anwendung findet, bestimmt sich der Arbeitnehmerstatus nach § 611a BGB. Wesensprägend ist demnach die Leistung weisungsgebundener, fremdbestimmter Arbeit in persönlicher Abhängigkeit. Das Weisungsrecht kann sowohl auf Inhalt, als auch auf Durchführung, Zeit und Ort der Tätigkeit Bezug nehmen (§ 611 a I 2 BGB).

Der Arbeitnehmer muss zur Arbeit, also zum planmäßigen Einsatz seiner körperlichen und geistigen Kräfte zur Erreichung eines wirtschaftlich messbaren Zwecks, verpflichtet sein (§ 611 a I 1 BGB). Wenn man E-Sport lediglich als Hobby betreibt, ist man also kein Arbeitnehmer. Vielmehr ist es erforderlich, dass der E-Sportler unter Nutzung seiner E-Sportler-Fähigkeiten bei persönlicher Abhängigkeit die Tätigkeit (Training, Wettbewerb und Werbetätigkeit) zur Finanzierung des eigenen Lebensunterhaltes betreibt und dabei ebenfalls die wirtschaftlichen Interessen des Dienstberechtigten bedient.

Weisungsgebundenheit

Weiterhin muss der E-Sportler einer gewissen Weisungsgebundenheit unterliegen. Die Weisungsgebundenheit umfasst jedoch nicht zwangsläufig andauernde detaillierte Weisungen des Arbeitgebers. Die Eigenart der Tätigkeit ist, vor allem bei weisungsfreieren Mitarbeitern, zu beachten (§ 611a I 4 BGB). Indizien können zum Beispiel eine Weisungsgebundenheit bzgl. des Ortes der Arbeit, beispielsweise in Form einer Pflicht zur körperlichen Anwesenheit in einem „Gaming- Haus“, zeitliche Weisungsgebundenheit in Gestalt konkreter Trainings-, Spiel-, und Veranstaltungspläne oder die Vorgabe eines Pflichtenkatalogs sein. Inwiefern diese Indizien, die sich teilweise aus der Natur der Tätigkeit ergeben, zu beachten sind, ist umstritten. Jedenfalls ist die Weisungsgebundenheit im Einzelfall durch eine Gesamtschau zu bewerten. Eine hinreichende Erfüllung der genannten Kriterien wird wohl regelmäßig bei professionellen, in Clans organisierten E-Sportlern anzunehmen sein.

Fazit

Wie die Ausführungen zeigen, entwickelt sich der E-Sport zu einem florierenden Wirtschaftszweig mit enormem Potenzial. Durch die sich immer weiter steigernde Popularität bei Kindern und Jugendlichen, stellen sich immer wieder neue rechtliche Fragen, die auch Überschneidungen zu anderen Rechtsgebieten aufweisen. Die aktuelle Rechtsordnung scheint jedoch zumindest im Hinblick auf die Arbeitnehmereigenschaft in der Lage, auch dieses neue digitale Phänomen abzubilden, ohne dass es umfassender Reformen bedürfte. Ob und inwieweit dennoch vom Mittel der Gesetzgebung Gebrauch gemacht wird, um steuernd in diesen aufkommenden Wirtschaftszweig einzugreifen, ist wohl nicht zuletzt auch eine (rechts-)politische Entscheidung.

 

                                                                                                                                          Maria Heyer