Ahnengalerie der Oberbürgermeister komplettiert – und erforscht

Historikerin Franziska Leitzgen und Oberbürgermeister Wolfram Leibe vor der Bilder-Galerie mit den Motiven der beiden Oberbürgermeister Triers in der Nazizeit. Über einen erläuternden Text und einen QR-Code im Bild zu Ludwig Christ (links) ist Gutachten direkt abrufbar.

Im ersten Obergeschoss des Rathauses am Augustinerhof hängen seit Jahrzehnten die Porträts der Trierer Oberbürgermeister, beginnend mit Anton Joseph Recking, der dieses Amt von 1815 bis 1817 bekleidete, bis zu Klaus Jensen, dem Vorgänger des heutigen Oberbürgermeisters Wolfram Leibe. Diese Porträtgalerie wird immer nach der jeweiligen Amtszeit ergänzt. Das Porträt eines Oberbürgermeisters fehlte allerdings in der „Ahnengalerie“: das von Ludwig Christ, der von 1933 bis 1938 Oberbürgermeister war. Dies fiel am Beginn seiner Amtszeit unter anderem auch dem Amtsinhaber Wolfram Leibe auf. Nachforschungen, warum dort kein Bild hing, liefen allerdings ins Leere. Unklar war auch, ob das Fehlen des Bildes womöglich mit der Rolle von Christ im Nationalsozialismus zusammenhing und welche Rolle Christs Nachfolger Konrad Gorges, 1938 bis 1945 im Amt, im Nationalsozialismus spielte.

Auf Veranlassung von Oberbürgermeister Wolfram Leibe wurde deshalb zunächst auch das Porträt von Gorges aus der Galerie entfernt und eine wissenschaftliche Untersuchung beauftragt. Diese hat die Historikerin Franziska Leitzgen mittlerweile unter dem Titel „Die Rolle der Trierer Oberbürgermeister im Nationalsozialismus“ als Publikation aus dem Trierer Stadtarchiv vorgelegt. Außerdem wurden die teilweise schon stark vergilbten Porträtbilder der Oberbürgermeister und die Bilderrahmen erneuert. Das Porträtbild von Gorges hängt nun wieder in der Galerie sowie ein kleineres Bild von Christ in Partei-Uniform. Eine Porträtaufnahme von ihm war in Archiven nicht zu finden. Die beiden Bilder sind nun mit einem kurzen, erklärenden Text versehen sowie einem QR-Code, der den Betrachter sofort auf die auf der städtischen Internetseite komplett hinterlegte Untersuchung von Franziska Leitzgen führt. Beim Aufhängen der fehlenden Bilder in dieser Woche, genau 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs in der Stadt Trier, bedankte sich Oberbürgermeister Wolfram Leibe bei der Historikerin für ihr Gutachten, das am Forschungsprojekt zur Geschichte der Gestapo in Trier an der Universität Trier angesiedelt war. Leibe sagte: „Mit der fundierten Beurteilung der Amtszeiten möchte ich einen Beitrag leisten zu mehr Transparenz und Verantwortung im Umgang mit der Geschichte in der Zeit des Nationalsozialismus, auch und gerade im Bereich der städtischen Verwaltung. Es gibt keine Alternative zu einer kompromisslosen Aufklärung des historischen Geschehens.“ Es sei wichtig, die Bilder der beiden Oberbürgermeister aus der Nazi-Zeit nicht aus der Ahnengalerie zu verbannen, sondern sie versehen mit historischer Einordnung zu präsentieren.

Franziska Leitzgen stellt in ihrem Gutachten das soziopolitische Profil und die Amtsführung der beiden Oberbürgermeister vor und untersucht, wie weit die Verwaltung unter Führung von Christ und Gorges an Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung beteiligt war. Beide weisen nach ihren Erkenntnissen zwar unterschiedliche Profile auf – Christ als „Alter Kämpfer“ der nationalsozialistischen Partei ohne Verwaltungskenntnisse, Gorges als promovierter Jurist mit Verwaltungserfahrung und Parteieintritt 1933 – sie führten, so Leitzgen, ihre Ämter aber „im Sinne des Nationalsozialismus und trugen zum Funktionieren des NS-Systems bei“. Unter beiden sei es in Trier zu Maßnahmen gegen die jüdische Bevölkerung gekommen, die nicht von zentraler Ebene angeordnet wurden.

Die Untersuchung der Historikerin wurde veröffentlicht als Band 8 der Publikationen aus dem Stadtarchiv Trier im Verlag für Geschichte und Kultur Trier, ISBN: 978-3-945768-14-3

Text: (mic) https://www.trier.de