Urteil der Woche (KW 15)

Im heutigen Urteil der Woche (I R 22/20) erklärt der BFH Cum/Ex-Geschäfte für steuerrechtlich unzulässig und erteilt diesem, von Unsicherheit geprägten, „Geschäftskonzept“ eine Absage.

Kläger ist ein von der inländischen Abzugsteuer (nach DBA) befreiter US-amerikanischer Pensionsfonds. Dieser beantragte für das Jahr 2011 die Erstattung von Kapitalertragsteuer für sog. Cum/Ex-Geschäfte. Hierbei wurden kurz vor dem Dividendenstichtag Aktien deutscher Aktiengesellschaften „cum“, dh „mit Dividende“ erworben, welche jedoch erst zeitverzögert nach dem Stichtag („ex“, dh „ohne Dividende“) übereignet wurden. Der Pensionsfonds erhielt zugleich eine Dividendenkompensationszahlung für die nunmehr (im Zeitpunkt der Übereignung) nicht mehr zu beanspruchende Dividende. Es handelte sich um ein eng abgestimmtes Gesamtkonzept, bestehend aus mehreren Beteiligten, zum kurzfristigen An- und Verkauf von Aktien im Umfang von mehreren Milliarden Euro.
Der Pensionsfonds begründete seinen Erstattungsanspruch mit dem Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien. Das FA sowie das FG lehnten den Antrag ab, da der Pensionsfonds im Zeitpunkt der Gewinnverteilungsbeschlüsse nicht (wirtschaftlicher) Eigentümer der Aktien gewesen sei.

Der BFH folgte seiner Vorinstanz und wies die Revision als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Erstattung der Abzugsteuer bestehe nur dann, wenn der Pensionsfonds nach Maßgabe des nationalen Steuerrechts Gläubiger der Kapitalerträge ist und die Abzugsteuer „einbehalten und abgeführt“ wurde. Gläubiger der Kapitalerträge ist hierbei derjenige, der Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 u. 4 EStG ist dies wiederum derjenige, dem die Anteile am Kapitalvermögen im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses oder des Zuflusses der Dividendenkompensationszahlung zivilrechtlich oder wirtschaftlich zuzurechnen sind. Im Falle der Cum/Ex-Geschäfte werde wirtschaftliches Eigentum jedoch nicht erworben, wenn der Erwerb der Aktien Teil eines modellhaft aufgelegten Gesamtvertragskonzepts ist, nach welchem der Erwerber die wesentlichen mit dem Aktienkauf verbundenen Rechte weder ausüben kann noch soll. Sofern er nur die Funktion habe, seine Rechtsform in den Geschäftsablauf einzubringen und daher lediglich als „passiver Teilnehmer“ im Geschehensablauf anzusehen sei, könne kein wirtschaftliches Eigentum angenommen werden. Die Stellung des wirtschaftlichen Eigentümers könne nur einnehmen, wer den Aktieninhaber zugleich von den wesentlichen Rechten des Aktienkaufs ausschließe. Dies könne jedoch nicht allein durch eine rechtlich gesicherte Erwerbsaussicht und einen (wirtschaftlichen) Dividendenbezug vermittelt werden. Ein Anspruch auf Erstattung der Abzugsteuer stehe dem Pensionsfonds daher nicht zu.

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