Urteil der Woche (KW 25)

Im heutigen Urteil der Woche (Beschl. V. 07.03.2022, XI B 2/21 (AdV)) beschäftigt sich der BFH mit der Frage, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG im nationalen Recht angeordnete Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit Unionsrecht vereinbar ist.

Die Klägerin ist eine GmbH, die ein Hotel mit Restaurant und Spa betreibt. Strittig ist, ob die verschiedenen Leistungen (Übernachtung, Frühstück, Spa-Behandlungen) als einheitliche Leistungen anzusehen sind und dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1 UStG unterliegen. Das FA vertrat die Auffassung, dass Übernachtung, Frühstück und Spa jeweils eigenständige Leistungen seien, von denen die Übernachtung einerseits dem ermäßigten und Frühstück sowie Spa anderseits dem allgemeinen Steuersatz in Höhe von 19 % zu unterwerfen seien. Nach erfolglosem Antrag auf AdV, legte die Klägerin Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des FG ein, da sie das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 18. Januar 2018, C-463/16 „Stadion Amsterdam“ für unionsrechtswidrig hält.

Der BFH sieht die Beschwerde als begründet an und bejaht ernstliche Zweifel am Aufteilungsgebot für Hotelübernachtungen mit Zusatzleistungen. Frühstück und Spa gehören nach der bisherigen BFH-Auffassung zu den Leistungen, die i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht unmittelbar der Vermietung dienen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen sind. Dies gilt auch, soweit diese weiteren Leistungen als Nebenleistungen zu der ermäßigt zu besteuernden Übernachtungsleistung, der Hauptleistung, erbracht werden. Nach bisheriger Ansicht des BFH hat der nationale Gesetzgeber mit § 12 Abs. 2 Nr. 11 Sätze 1 und 2 UStG von der Ermächtigung in Art. 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 12 MwStSystRL dadurch Gebrauch gemacht, dass nicht sämtliche "Beherbergungen in Hotels und ähnlichen Einrichtungen" einschließlich der dabei erbrachten Nebenleistungen dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden, sondern nur die Leistungen, die unmittelbar der Vermietung dienen. Nach Ergehen des EuGH-Urteils „Stadion Amsterdam“ sieht der BFH es nun als fraglich an, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist. Der EuGH hat hierin entschieden, dass eine einheitliche Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen (Haupt- und einem Nebenbestandteil) bestehe, nur zu dem für den Hauptbestandteil geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern sei, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils bestimmt werden könne. Hieraus könne für das Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG folgen, dass bei unselbständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung (hier: Übernachtung) zu unterwerfen sei. Der Senat stellt fest, dass jedenfalls ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, nachdem der V. Senat des BFH den EuGH um Vorabentscheidung dazu ersucht hat, ob das nationale Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG mit Unionsrecht vereinbar ist (BFH v. 26.5.2021, V R 22/20). Angesichts dieser ungeklärten und umstrittenen Rechtslage sei die beantragte AdV zu gewähren.

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