Praktikumsbericht Murcia (Spanien)

Universität Murcia, 1.03.04-28.05.04

Praktikumsbericht von Verena Finke

Ich habe vom 01.03.04 bis zum 28.05.04 an der Universität Murcia, Seminar für Anglistik, Abteilung Deutsch ein 12 Wochenstunden umfassendes Praktikum im Bereich Deutsch als Fremdsprache absolviert. Ich hatte die Möglichkeit in verschiedenen Kurstypen unterschiedlichen Niveaus zu hospitieren, die Studenten bei der Bearbeitung von Aufgaben zu unterstützen und auch eigene Unterrichtsstunden zu halten sowie gemeinsam mit einer weiteren Praktikantin im Team eine kleine Unterrichtsreihe durchzuführen.

Der Fachbereich ist auf Grund seiner Größe gut überschaubar, was ein schnelles Einfinden und Einarbeiten ermöglichte. Die Anzahl der Teilnehmer in den einzelnen Kursen variierte zwischen 8 bis 15, so dass man schnell in Kontakt mit den Studenten kommen konnte und intensives Arbeiten möglich war. Dies trug zu einer positiven Lernatmosphäre bei. Die Lehrkräfte waren uns (meiner Mitpraktikantin und mir) gegenüber sehr kooperativ, d.h. sie beantworteten Fragen zu ihrer eigenen Unterrichtsweise, standen bei Fragen zur Unterrichtsplanung zu Verfügung und waren unseren Ideen gegenüber sehr aufgeschlossen, so dass das Praktikum aktiv gestaltet werden konnte und Raum für verschiedenste Unterrichtserfahrungen bot.

Vormittags besuchte ich in der Fakultät Deutschkurse für Studenten der Anglistik, die Deutsch als weitere Fremdsprache gewählt hatten. Nachmittags fanden auf einem anderen Campus Kurse für Studenten verschiedener Fachbereiche, vornehmlich Tourismus, und Teilnehmer mit bereits abgeschlossenem Studium statt, die die deutsche Sprache aus beruflichen Gründen erlernen wollten.

Einer der Kurse, die im Seminar für Anglistik stattfanden, war Lengua AlemanaV unter der Leitung von Dr. Carlos Hernández Lara, der mein Praktikum betreute. Dieser Kurs setzte die Teilnahme an den vorangegangenen Kursen I-IV und die Kenntnis der dort erarbeiteten Grammatik und Lexik voraus. Gearbeitet wurde mit dem Lehrbuch Deutsch Plus, das durch weitere Materialien ergänzt wurde, da es stark grammatikorientiert ist, der kommunikative Aspekt in der Kursbeschreibung aber hervorgehoben wurde. Ziel aller Kurse war es, eine allgemeine Sprachkompetenz der Lerner zu entwickeln, daher wurde die Grammatik in ihren kommunikativen Kontext eingebunden. Der Kursleiter nutzte Materialien aus anderen Lehrwerken, wie z.B. Delfin sowie selbst entworfene Aufgaben und Übungen, um die thematischen und grammatischen Inhalte des Kursbuchs zu ergänzen oder zu vertiefen.

Dieser Kurs war in seiner Zusammensetzung so, dass er insgesamt als sehr ruhig bezeichnet werden konnte; d.h. die Studenten waren von sich aus wenig aktiv was das Sprechen anbelangte. Möglicherweise spielte hier auch die landesspezifische Lehrtradition eine Rolle. An der Universität in Spanien sind die Studenten an Frontalunterricht gewöhnt, mündliche Beitrage oder Referate sind seltenst gefordert. Sie waren interessiert und verfügten in der Mehrzahl über gute Kenntnisse und Fertigkeiten was die Bereiche Grammatik, Wortschatz, Leseverstehen und Textproduktion betraf. Aufgaben, die stärker auf Kommunikation und Interaktion ausgerichtet waren, nahmen einige Zeit in Anspruch, da die Lerner dieser Gruppe zurückhaltend, aber durchaus mit guten Beiträgen, darauf eingingen. Dieses war dem Kursleiter bewusst und wurde von ihm berücksichtigt.

Einer Unterrichtsstunde, die ich selbst in diesem Kurs gehalten habe, lag Material aus dem Lehrwerk Delfin, Lektion 11, zu Grunde. Das grammatische Thema der Einheit Sprechen dieser Lektion sind die Reflexivpronomen im Dativ.

In der Einstiegsphase wurde den Lernern eine Zeichnung auf einer Folie auf dem Overheadprojektor präsentiert, um dann Äußerungen dazu zu sammeln. Zuerst sollte beschrieben werden, was tatsächlich auf der Abbildung zu sehen ist und dann Vermutungen darüber angestellt werde, um was für eine Situation es sich handeln könnte und was möglicherweise das Thema des daraufhin folgenden Dialogs sein könnte. Um die Hypothesen konstruieren zu können, war es notwendig, die Illustration genau zu betrachten und Hinweise aus Gestik und Mimik der dargestellten Personen – zwei Männer in formeller Kleidung, die sich die Hände geben – sowie den Requisiten des Raumes – ein Büro – abzuleiten.

Der nachfolgende Dialog, ein Gespräch über den Arbeitsplatz und die Stellensuche, wurde nach Redeparten geteilt und den Studenten in Form von Karten ausgeteilt, die dann puzzleartig in die richtige Reihenfolge gebracht werden sollten. Die Aufgabe, die in Partnerarbeit erledigt wurde, sollte die Lerner dazu bewegen, sich aktiv mit dem Aufbau und der Struktur des Dialogs und dem logischen Satzzusammenhang der Aussagen auseinander zu setzen. Jeder einzelne war einbezogen, konnte sich aber auch mit dem Lernpartner beraten. Die Aktivität bereitete auch auf die anschließende Übung vor, in Gruppenarbeit einen eigenen Dialog anzufertigen. Im Lehrwerk werden Vorschläge gemacht, mit welchen Sätzen das Gespräch variiert werden kann. Diese wurden von den Lernern genutzt, aber auch eigene Ideen für mögliche Äußerungen entworfen.

Die Unterrichtssprache in den Kursen war grundsätzlich Deutsch, außer bei Verständnisschwierigkeiten die Aufgabenstellung betreffend konnte auf die gemeinsame Muttersprache Spanisch zurückgegriffen werde.

Ein Kurs der Mittelstufe war Gramática Alemana II und verfolgte als Hauptziel die Vertiefung und Erweiterung der im Grundstufenunterricht erworbenen grammatischen Kompetenz. Dem Unterricht lag stets eigenes Material zu Grunde, es wurde kein Lehrbuch benutzt. Auch hier wurde die Grammatikarbeit unter einem funktionalen Aspekt verstanden. In dem Semester wurden grammatische Themen wie beispielsweise im Bereich der Wortbildung Komposition und Derivation, zusammengesetzte Nomina und Adjektive sowie substantivierte Adjektive und Partizipialattribute im Zusammenhang mit der Nominalisierung behandelt. Bei der Textgrammatik ging es um Verweismittel und Konnektoren. Der lexikalische Bereich wurde berücksichtigt, in dem der bereits aufgebaute Wortschatz wiederholt, aktiviert und ausgebaut wurde. Auch der Bereich der Idiomatik bzw. Phraseologie kam zum Tragen, soweit Redewendungen oder Sprichwörter in den behandelten Texten vorkamen oder zur mündlichen Beschreibung einer Situation sinnvoll eingesetzt werden konnten. Sie wurden dann in ihrem jeweiligen Kontext erklärt und gelehrt.

Was die landeskundlichen Themen betrifft, bot sich in jenem Zeitraum in Bezug auf Feste und Feierlichkeiten das Thema Ostern an. Diese religiöse Fest wird in Deutschland und in Spanien sehr unterschiedlich zelebriert. Meine Mitpraktikantin und ich lieferten Informationen zu Sitten und Gebräuchen, die es rund um diese Feiertage gibt und tauschten uns mit den Studenten über die Art und Weise, wie Familien in unseren Ländern Ostern feiern, aus.

In diesem Kurs haben wir im Team-Teaching einen Text zum Thema Ausländer in Deutschland behandelt. Wir haben die Doppel-Unterrichtsstunde gemeinsam vorbereitet und gehalten. Der Text war eine Art Reportage unter dem Titel Wir leben hier. In Deutschland lebende Ausländer verschiedenen Alters, unterschiedlicher Herkunft und mit unterschiedlicher kultureller Prägung kamen darin zu Wort. Sie beschrieben ihre Situation und ihre Erfahrungen in Deutschland und mit ihren deutschen Mitbürgern.

Im Anschluss an die Bearbeitung der Texte wurde nach dem persönlichen, durch das Gelesene entstandenen, Eindruck über das Leben von Ausländern in Deutschland gefragt. Diese mündliche Übung wurde gewinnbringend ergänzt durch die Äußerungen von zwei Teilnehmerinnen, die ein halbes Jahr in Berling gelebt hatten und so aus eigener anschaulicher Erfahrung und Beobachtung berichten konnten.

Abschließend wurden die Ergebnisse mit der Situation im eigenen Land, also Spanien, verglichen. Die Beiträge erfolgten vor dem Hintergrund normaler politischer Allgemeinbildung, so dass keine speziellen Informationen oder besonderer Wortschatz nötig war. Gefordert war das Berichten auf Grund persönlicher Eindrücke und Beobachtungen.

Die Kursleiterin Dr. Ana Mansilla beobachtete unseren Unterricht und reflektierte danach mit uns darüber, um Hinweise und Anregungen zu geben.

Interessant war die Planung und Durchführung von drei bzw. vier Unterrichtsstunden zur Vor- und Nachbereitung des Films Good Bye Lenin, der außerhalb der regulären Unterrichtszeit gezeigt wurde. Die Idee meiner Mitpraktikantin und mir, den Film für den Kurs Gramática Alemana II und den Fortgeschrittenenkurs Lengua Alemana Avanzada II zu zeigen, wurde sehr gut angenommen. Wir planten und hielten drei Unterrichtsstunden zur Vorbereitung, um Vorwissen zum wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Hintergrund der Ex-DDR im Gegensatz zur BRD aufzubauen. Dieses Vorwissen ist für das Verständnis des Films, dessen Geschichte vor dem Hintergrund der politischen Wende 1989/90 spielt, unabdingbar. In der Folgestunde nach dem Film wurde über die Vorbereitung sowie über das Gesehene resümiert.

In den Kursen für Studenten verschiedener Fachbereiche hospitierte ich in drei Kursen unterschiedlicher Stufen. In den Kursen Pre-Intermedio I und Intermedio I, fortgeschrittene Anfänger und Mittelstufe, hielt ich kürzere Vorträge zu landeskundlichen Themen wie z.B. das politische System in Deutschland. Diese Thema bot sich an, da in Spanien im März die Wahl der Regierung stattfand und so ein aktueller Bezug hergestellt werden konnte. Im Kurs Intermedio I hielten die Studenten selbst kürzere mündliche Vorträge zu einem selbst gewählten Thema, wobei ein Teilnehmer über die Wahlen in Spanien referierte.

Weitere Themen meiner Vorträge waren die Präsentation und die Charakteristika der münsterländischen Region, aus der ich stamme, Umweltschutz in Deutschland, Arbeitswelt, etc. Es ging um die Vermittlung landeskundlicher Informationen und darum, einen Muttersprachler längere Zeit in natürlichem Redetempo sprechen zu hören. Ich habe während des Sprechens versucht, auf eine deutliche Aussprache zu achten, aber gleichzeitig auch in nahezu gewohntem Tempo zu reden. Direkt im Anschluss wurden Fragen zum Thema gestellt, Bemerkungen geäußert und wenn es sich anbot, ein Vergleich mit der Situation in Spanien angestellt.

In dem Anfängerkurs Inicial II hielt ich eine zum Einstieg von der Kursleiterin Leonor beobachtete Unterrichtstunde und im Verlauf des Semesters weitere Stunden als Vertretung nach Absprache mit der Lehrerin, wenn diese aus dienstlichen Gründen verhindert war. In diesen Kursen wurde mit dem österreichischen Lehrwerk Tangram gearbeitet. Die Kursleiteren hatte über zehn Jahre in Wien gelebt und legte Wert darauf, auch auf österreichische Varianten in Sprachgebrauch und Besonderheiten bzgl. der Landeskunde im deutschsprachigen Raum einzugehen. Des Weiteren hatte ich die Möglichkeit an einer Prüfungssimulation der Zentralen Mittelstufenprüfung des GOETHE-Instituts, die Dr. Carlos Hernández Lara und Carola Streuschen für die Prüfungskandidaten anboten, teilzunehmen.

Insgesamt war das Praktikum sehr interessant und abwechslungsreich. Positiv hervorzuheben ist noch einmal, dass man in den Dozenten jederzeit einen Ansprechpartner bei Fragen oder Vorschlägen fand.