Praktikumsbericht Utrecht (Niederlande)

Hogeschool van Utrecht, September/Oktober 2003

Praktikumsbericht von Kerstin Bölkow

Erster September 2003: Ankunft in Utrecht am Bahnhof – „Zur Hogeschool bitte“, sage ich dem freundlichen Busfahrer. „Die Uni ist aber ziemlich groß und liegt etwas weiter außerhalb der Stadt!“. Deshalb lässt mich der Busfahrer genau im Zentrum der Uni aussteigen. So, wohin jetzt? Ich frage mich durch und bekomme schließlich die Antwort, dass ich ins Gebäude der Erziehungswissenschaften muss, welches sich genau am Anfang der riesigen Campusuni befindet – also muss ich wieder den Bus dorthin nehmen, die Gebäude liegen z.T. mehrere Kilometer auseinander.

Endlich bin ich im richtigen Gebäude, finde den Raum, in dem ich mich mit Angela Pfaff, einer Deutschdozentin und meiner Praktikumsbegleiterin, verabredet habe, auch ohne weitere Probleme. Der Empfang ist sehr herzlich und ich fühle mich sofort richtig wohl hier. Angela erklärt mir dann auch einige Dinge: wie das Schul- und Universitätssystem in Holland funktioniert, welche Kurse an der Hogeschool angeboten werden, wie viele Studenten das Deutsch-Department hat. Die Bibliothek mit einigem Unterrichtsmaterial befindet sich ganz in der Nähe und auch die Küche, wo man sich jederzeit mit Kaffee und Tee bedienen kann, ist nahe an den Räumlichkeiten der Deutsch-Fakultät. Es gibt ein großes „Lehrer-Zimmer“, wo die meisten der Deutschdozentin ihren Schreibtisch haben. Ich werde mir mit Angela und Karina den Raum – und den Computer – teilen. Nach diesen ersten Eindrücken und Informationen (und einiger Kaffees später), schaue ich mir noch die Stadt Utrecht an. Ein wunderschönes, typisch holländisches Städtchen, mit einer sehr schönen historischen Innenstadt. Es ist ein sonniger Septembertag und ich setzte mich in den Klostergarten zum relaxen. Hier gefällt es mir!

Da ich in Rotterdam wohne und immer nach Utrecht pendeln muss (was absolut kein Problem ist, da die Verbindung sehr gut ist: in 1 h bin ich von Rotterdam an der Hogeschool), werde ich an zwei Tagen an der Hogeschool sein: Dienstags und Donnerstags. An den anderen Tagen wird sowieso nicht viel interessantes für mich angeboten. Das Kurssystem ist ganz anders als an den deutschen Unis: hier ist alles sehr „verschult“, d.h. die Studenten, die im übrigen bei Eintritt an die Hogeschool im Durchschnitt 17 Jahre alt sind, bekommen einen vorgefertigten Stundenplan. Die meisten der Deutschstudenten wollen Deutschlehrer werden. Innerhalb von drei Jahren werden sie damit i.d.R. fertig sein. Überhaupt ist das Lehramtsstudium hier sehr viel praxisorientierter als in Deutschland: bereits nach den ersten Monaten an der Hogeschool muss eines von vielen Praktika absolviert werden. Außerdem ist für die angehenden Deutschlehrer ein Auslandsaufenthalt in Deutschland von mindestens 6 Monaten Pflicht. Die Studentenanzahl im Deutschbereich ist klein und überschaubar – jeder kennt jeden, man redet sich mit „Du“ an. Das Verhältnis zu den Dozenten ist offen und freundlich. Man braucht sich nicht in irgendwelche Sprechstundenzettel einzutragen: man geht einfach mal vorbei oder fragt nach dem Kurs, wann der Dozent denn Zeit habe. Zwischen fünf und zehn Studenten besuchen die einzelnen Kurse – wie gesagt, der Deutschbereich ist recht klein. Wobei man folgendes unterscheiden muss: Morgens und am Nachmittag kommen die Vollzeitstudenten an die Hogeschool. Abends kommen dann die so genannten Teilzeitstudenten zum Deutschstudium an die Uni. Teilzeitstudenten: das sind Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Bereichen und mit ganz unterschiedlichen Motiven noch mal studieren möchten: da ist der Student, der tagsüber einen Job ausübt, in Abendkursen aber ein Deutschlehrer werden möchte, da ist die Frau, deren Kinder alle aus dem Haus sind, sie aber nicht mehr in ihren alten Beruf zurückkehren möchte, da ist die 62jährige, die ebenfalls noch mal eine neue Herausforderung sucht – wirklich, die unterschiedlichsten Menschen haben sich hier zusammengefunden. Leider wurde der Kurs auf niederländisch gehalten – aber die überwiegende Anzahl der Deutschkurse werden auf Deutsch gehalten. Angeboten werden Kurse mit überwiegend landeskundlichem Inhalt („Deutschland und ich“), fachdidaktische Kurse, „Grammatik nach Wahl“ und „Tava“ (= taalfertigkeit => Sprechfertigkeit). Aber auch deutsche Literatur, sowie Kinder- und Jugendliteratur stehen auf dem Stundenplan aller Deutschstudenten. Ich selbst habe bei allen diesen Kursen (bis auf die Kurse für deutsche Literatur) hospitiert und z.T. auch Unterricht selbst gehalten. V.a. bei Tava habe ich eigenständig unterricht. Angela hat mit den Studenten Leseverstehen gemacht, während ich den Hörverstehensteil übernommen habe. Bei den Unterrichtsthemen hat mir Angela alle Freiheiten gelassen. Überhaupt hat es mir sehr viel Spaß gemacht, dort zu unterrichten. Sowohl die Dozenten als auch die Studenten waren sehr freundlich und hilfsbereit. In dieser entspannten und herzlichen Atmosphäre habe ich mich sehr wohl gefühlt! Ich würde jederzeit wieder dort ein Praktikum machen, dieses Mal auch für länger als nur für zwei Monate! Und ganz nebenbei habe ich auch noch etwas holländisch gelernt (Chuten Morjen, Dankje well – liebe Grüße an Karina, die mir unbedingt das Niederländische näher bringen wollte ;-). Wer etwas über den DaF-Unterricht außerhalb von Deutschland erfahren möchte und offen und neugierig ist, unsere holländischen Nachbarn mit ihrer doch eigenen Kultur und Lebensweise kennenzulernen, der ist in Utrecht richtig aufgehoben!! Abgesehen davon kann man von Utrecht aus wunderbar Holland kennen lernen: ab in den Zug und innerhalb kürzester Zeit ist man in einer der holländischen Metropolen (Amsterdam, Rotterdam, Den Haag) oder am Meer – Citylife oder ein entspannender Spaziergang am Strand entlang – man hat die Wahl.

Auch wenn ich mich wiederhole: mir hat das Praktikum in Utrecht sehr viel Spaß gemacht. Ich habe viele nette Leute kennen gelernt, Unterrichtserfahrungen gesammelt, Holländisch gelernt....ach, Holland überhaupt mal richtig kennen gelernt. Und spätestens jetzt weiß ich: Holland ist IMMER eine Reise wert!!!

An dieser Stelle möchte ich mich noch mal ganz, ganz herzlichen Dank bei Angela bedanken, die mich während dem Praktikum super betreut hat: Angela, DANKJE WELL  und viele liebe Grüße an alle anderen!!!