Veranstaltungsbericht: „The constitutionality control in the Greek legal order – A European country which follows the American system! –“ von Prof. Dr. Spyridon Vlachopoulos (National and Kapodistrian University of Athens, Griechenland)

Die Veranstaltungsreihe „Rechtsstaatsprinzip vs. Demokratie“ des Instituts für Rechtspolitik begann am Montag, dem 05. November 2018, mit einem Vortrag von Prof. Dr. Spyridon Vlachopoulos. In englischer Sprache berichtete Prof. Vlachopoulos anschaulich vom System der Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit nach griechischem Recht.

Die griechische Verfassung enthält seit 1927 expressis verbis die Möglichkeit der Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen (heute Art. 93 Abs. 4, Art. 82 Abs. 2 der Verfassung). Jedoch existiert in Griechenland kein klassisches Verfassungsgericht, wie es das deutsche Rechtssystem kennt. Weder der bekannte Areopag (ordentliche Gerichtsbarkeit), noch der griechische Council of State oder der Court of Audit (Verwaltungsgerichtsbarkeit) hat diese Kontrollkompetenz. Daher ist jedes Gericht dazu verpflichtet, die von ihm auf einen konkreten Fall anzuwendenden Gesetze auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu überprüfen. Hält ein Gericht eine für den vorliegenden Fall streitentscheidende Norm für verfassungswidrig, wird sie nicht angewendet, jedoch nicht formal aufgehoben. Dazu ist nur der sog. „Highest Special Court“ (vgl. Art. 100 der Verfassung) ermächtigt. Als „de facto“-Verfassungsgericht wird dennoch gelegentlich der griechische Council of State bezeichnet, da die Mehrzahl der zu prüfenden Gesetze öffentlich-rechtlicher Natur ist.

Das griechische Verfassungssystem, das starke Parallelen zum amerikanischen Rechtssystem aufweist, bietet nach dem oben Gesagten die Möglichkeit einer starken Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit und einen umfassenden Schutz gegen verfassungswidriges Verhalten. Nichtsdestotrotz gibt die Tatsache Anlass zur Besorgnis, dass die (Vize-)Präsidenten der höchsten griechischen Gerichte von der Regierung nominiert werden, so Prof. Vlachopoulos. Fraglich sei daher, ob die Unabhängigkeit der Richter im griechischen Verfassungssystem uneingeschränkt gewährleistet sei.

Über diese und andere Fragen diskutierte Prof. Vlachopoulos in der anschließenden Diskussionsrunde, moderiert vom Direktor des Instituts, Herrn Prof. Dr. Alexander Proelß, mit dem interessierten Publikum. 

Eine schriftliche Version des Vortrags wird in der institutseigenen Schriftenreihe „Rechtspolitisches Forum“ erscheinen. Weitere Informationen erhalten Sie unter www.irp.uni-trier.de oder wenden Sie sich an irpsekuni-trierde.

Herr Prof. Dr. Vlachopoulos ist Rechtsanwalt und Hochschullehrer an der Universität Athen u.a. für Verfassungsrecht, Grundrechte, politische und Verfassungsgeschichte. Er wurde an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität mit einer Dissertation zu dem Thema „Kunstfreiheit und Jugendschutz“ promoviert.