Urteil der Woche (KW 18)

Das Niedersächsische FG (Beschluss v. 31.03.2022 - 7 K 120/21) hält die Vorschriften über die Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 1 EStG iVm § 43 Abs. 5 EStG) für nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Nun soll das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungsteuer entscheiden.

Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte, die mit seinem persönlichen Steuersatz (über 25%) besteuert wurden. Außerdem erzielte er Kapitaleinkünfte in Form von verdeckten Gewinnausschüttungen und Zinsen, welche mit dem abgeltenden Steuersatz von 25% besteuert wurden. Im Zuge einer Betriebsprüfung wurden die gewerblichen Einkünfte um bisher unberücksichtigt gebliebene Provisionszahlungen erhöht. Der persönliche Steuersatz, bzw. die Einkommensteuer, wurde entsprechend erhöht. Der Kläger wehrte sich hiergegen. Er begründete seine Klage damit, dass die Provisionszahlungen nicht ihm zuzurechnen seien und außerdem der Sparer-Pauschbetrag in der Ermittlung seiner Einkünfte unberücksichtigt geblieben sei.

Das FG kam grundsätzlich zu dem gleichen Ergebnis wie der Kläger: die Erhöhung des gewerblichen Gewinns sei unzutreffend und der Sparer-Pauschbetrag sei zu Unrecht unberücksichtigt geblieben. Abgesehen davon habe die Klage jedoch keinen Erfolg, da die auf die Kapitaleinkünfte festgesetzte Steuer nach Auffassung der Richter zu niedrig sei. Die Anwendung des (Abgeltungs-)Steuersatzes von 25% gemäß der geltenden Gesetzeslage sei zwar zutreffend erfolgt, jedoch verstoßen die zugrunde liegenden Vorschriften gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Abgeltungsteuer führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den Beziehern übriger Einkünfte. Bezieher von Kapitaleinkünften seien mit einem Steuersatz von 25 % belastet, wohingegen die übrigen Steuerpflichtigen einem Steuersatz von bis zu 45 % unterlägen. Die in den Gesetzesmaterialien genannten Rechtfertigungsgründe genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine Ungleichbehandlung nicht. Weitere Rechtfertigungsgründe seien nicht ersichtlich. Die Abgeltungsteuer sei nicht zur Verwirklichung eines effektiven Steuervollzugs oder zur Beseitigung eines etwaigen strukturellen Vollzugsdefizits geeignet. Darüber hinaus fehle es auch an der Erforderlichkeit, da sich die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert haben.

Das FG holt nun die Entscheidung des BVerfG darüber ein, „ob § 32d Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 43 Abs. 5 EStG in den in den Jahren 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, als dass sie für Einkünfte aus privaten Kapitalerträgen einen Sondersteuersatz in Höhe von 25% mit abgeltender Wirkung vorsehen“.

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