Laufende Forschungsprojekte Prof. Dr. Ulrike Gehring

Natur & Wissenschaft in der niederländischen Kunst des 17. Jahrhunderts
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, weitere Informationen auch unter Mapping Spaces

Die Ästhetisierung der Leere. ‚Jüdische’ Kunst und Architektur im Widerstreit von Partikularismus und Universalismus
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Monochrome Malerei seit 1850
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Amerikanische Kunst und Kunsttheorie nach 1945
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01_Monitoring the Sea in Early Modern History 
Zur Aufzeichnung maritimer Räume in Kunst und Wissenschaft um 1600

Ende des 16. Jahrhunderts taucht in den nördlichen Niederlanden ein neuer Typus von Sachbuch auf. Die von erfahrenen Seeleuten verfassten Seehandbücher (rutter) waren  in niederländischer Sprache verfasst und führten praxisnah in das nautische Wissen der Zeit ein. In stetig aktualisierten Auflagen wurden Küstenprofile beschrieben, Schifffahrtsstraßen ausgewiesen, Untiefen markiert und meteorologische Besonderheiten erwähnt. Nicht selten waren auch kleinformatige Portolane eingebunden, die verschiedene Segelrouten vorschlugen und die topographischen Besonderheiten des Küstenstreifens aus der Sicht des Seemanns identifizierten. Aus wissenschaftshistorischer Sicht sind vor allem die neuen Erkenntnisse im Bereich der Navigationstechnik, Hydrographie, Meteorologie und Landkartierung von Interesse, da sie zu einer schnellen Professionalisierung der ‚niederländischen’ Binnen- und Überseefahrt führten. Von kunsthistorischer Warte faszinieren insbesondere die Projektionsverfahren, mittels derer Methoden der kognitiven Weltbetrachtung und erkenntnistheoretische Verfahren der Seekartographie amalgamiert werden. Inwiefern die Vermessung des Raumes, das Auswerten von Wasserproben und erste Vorstellungen von Thermik auch die Darstellung der Ferne, des Meeres und des Wetters beeinflussen, soll in einem interdisziplinären zugriff geklärt werden. 

Projektleitung: Ulrike Gehring
Projektfinanzierte Hilfskräfte: Justina Heinz

 

02_maris
Gefährliche Elemente. Strategien der Beherrschung maritimer Risiken in Antike und Früher Neuzeit

Gegenstand dieses mit Simon Karstens (Neuere Geschichte) und Christian Rollinger (Alte Geschichte) vorbereiteten Projekts sind bildliche und schriftliche Darstellungen von maritimen Risiken und Strategien zu deren Beherrschung in Antike und Früher Neuzeit. Ziel der interdisziplinären Untersuchung ist einerseits, Wechselwirkungen zwischen Risikovorstellungen und Strategien zur Risikobeherrschung epochenübergreifend nachzuvollziehen, sowie andererseits deren Kontinuitäten oder Veränderungen in historischer Perspektive herauszuarbeiten. In Abgrenzung zur bisherigen Forschung werden dabei nicht allein empirisch nachweisbare, vermeintlich objektive Risiken wie etwa Stürme behandelt, sondern auch subjektiv imaginierte Risiken, die in zeitgenössischen kulturellen und religiösen Vorstellungen wurzeln. Dementsprechend geht der Fokus des Projektes über die Untersuchung nautischer oder ökonomischer Maßnahmen der Risikobewältigung hinaus und liegt auf kulturellen Strategien, die der Beschreibung, Kategorisierung und Vermeidung potentieller Risiken dienen. 

Projektleitung: Ulrike Gehring (Kunstgeschichte), Simon Karstens (Neuere Geschichte), Christian Rollinger (Alte Geschichte)
(DM-finanzierte) Hilfskräfte: Denise Korden, Christina Weis

 

03_ Investigative Aesthetics
Das Meer als Wissensspeicher in der Kunst des 20. und 21. Jahrhunderts

Maritime Räume, die in ihrer Fragilität unberührt von besiedelter Nutzung sind, gleichwohl aber unter den ökologischen Auswirkungen menschlichen Handels lei-den, stehen im Zentrum dieses interdisziplinären Forschungsprojekts. Neben dem kommerziellen, seit der Antike beständig professionalisierten Transport von Waren und Gütern lässt sich in maritimen Habitaten zunehmend ein anderes, meist unsichtbares Beförderungssystem beobachten: das Wasser dient zugleich als Transportmedium menschlicher Abfälle und chemischer Stoffe; Es wird zu einer Art ‚flüssigem Gift’. Auch die Erwärmung der Ozeane und die damit einhergehende Veränderung ihres PH-Gehaltes sind Faktoren, die im Wasser gespeichert sind, weiter-transportiert werden und andernorts zu dramatischen Verschiebungen im ökologischen Gleichgewicht führen. Meeresbewohner müssen in kältere Regionen migrieren, andere Biotope sind dem Untergang geweiht. Das Wasser ist aber nicht nur ein Archiv menschlicher Abfälle, sondern selbst oft agens der Geschichte, wenn es in Folge der Erderwärmung flache Küstenregionen überspült und auf diese Weise terrestrische und aquatische Migrationsbewegungen auslöst. Im Rahmen des in Trierer Forschungsprojektes sollen Kunstwerke unterschiedlicher Medien untersucht werden, die sich mit der fluiden Verbreitung chemischer oder physikalischer Verunreinigungen auseinandersetzen. Von Interesse sind dabei dokumentarische wie investigative Bildstrategien, die auf ökologische Missstände hinweisen und ihre vielfältigen Auswirkungen in humaner und non-humaner Dimension auf-zeigen. Zeitlich beschränkt sich die Auswahl der Werke auf das 19. bis 21.Jh. und damit auf die ökologischen Folgen des (post-)industriellen Zeitalters, die sich vor allem in der Fotografie und seit den 1990er Jahren auch im bewegten Bild mitteilen. Ziel des Projektes ist nicht die moralische Bewertung umweltpolitischer Praktiken, sondern die Analyse von Kunstwerken die im Kontext des global activism auf die Verschmutzung der Meere hinweisen und mit Hilfe moderner Technologien und neuer Bildästhetiken konkrete Lösungsvorschläge unterbreiten. Strebt das Projekt die systematische Erforschung bildbasierter Daten (Karten, Satellitenbildern, Diagrammen etc.) zur Darstellung maritimer Räume und Habitate an, verortet sich das Forschungs-vorhaben methodisch im Bereich der Bildwissenschaft. Vor diesem Hintergrund ist auch der Aufbau einer Open Access Datenbank geplant, die das Meer als Archiv und Speicher menschlichen Fehlverhaltens abbildet, einschlägige Werke einer breiten Öffentlichkeit zur Verfügung stellt und sie als Denkbilder gesellschaftlicher Verantwortung zugleich selbst archiviert.

Projektleitung: Ulrike Gehring, Andrea Diederichs

 

04_Light Art
generator. medienkunstlabor trier

Im Mittelpunkt des in den 1990er Jahren erstmals aufgegriffenen Forschungsschwerpunktes steht ein mediales Ereignis, das für die Kunst des 20. Jahrhunderts folgenreich ist: der Einsatz des elektrischen Lichts als künstlerisches Medium. Nach sporadischen Experimenten am Bauhaus in den 1920er Jahren überführt Dan Flavin 1962 das farbige Licht einer handelsüblichen Leuchtstoffröhre erstmals in den künstlerischen Kontext. Damit substituiert er das illusionistisch gemalte Farblicht durch ein elektrisch induziertes Raumlicht, das losgelöst vom Pigment frei im Raum existiert. Ziel des Forschungsprojektes ist die Typisierung, Kategorisierung und historische Einbindung verschiedener Lichtqualitäten unter materialästhetischen Gesichtspunkten. Im Zentrum stehen dabei Werke der amerikanischen Kunst der 1960er Jahre, die den medialen nicht aber rezeptionsästhetischen Bruch mit der Farbfeldmalerei vollziehen und in ihrer theoretischen Fundierung die Grundlage zur Minimal Art und Concept Art bilden. Wie in eigenen, früher publizierten Untersuchungen nachgewiesen werden konnte, bilden sich 1967 an der amerikanischen Ost- und Westküste zwei unterschiedliche Lichtkonzepte heraus, die abhängig von ihrem Entstehungsort als city light und nature light zu bezeichnen sind. Während die Arbeiten der kalifornischen Light & Space-Bewegung stark von den topographischen Lichtverhältnissen des Südwestens geprägt sind, stehen die New Yorker Installationen in der Tradition bunter Leuchtreklamen, die seit den 1920er Jahren das abendliche Bild der Metropolen prägen. Da eine phänomengeschichtliche Analyse des Lichtes jedoch nur auf der Grundlage seines ästhetischen Erlebens erfolgen kann, galt es mit Kollegen aus den Neurowissenschaften in Kontakt zu treten und sich die wichtigsten wahrnehmungspsychologischen Kenntnisse zur Farb- und Bildwahrnehmung anzueignen. Entscheidende Ergebnisse verdanken sich der interdisziplinären Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Wolf Singer (Max-Planck-Institut für Hirnforschung, Frankfurt am Main) und Prof. Dr. Wolf Lagrèze (Albert-Ludwigs Universität Freiburg, Fachbereich IV, Medizin, Abt. Neuroophtalmologie), deren kognitionswissenschaftliche Methoden zur Objektivierung der eigenen empirischen Daten beitrugen. Eine Zusammenfassung der Zwischenergebnisse findet sich in: Ulrike Gehring, ‚Bilder aus Licht’, Heidelberg 2006.

Das Projekt findet seine praktische Umsetzung heute im medienkunstlabor.trier. In den Räumlichkeiten des früheren Militärhospitals werden auf über 1.500qm alljährlich Ausstellungen zum Thema Lichtkunst gezeigt. Das medienkunstlabor.trier versteht sich als kuratorische Plattform für Studierende.

Mehr Informationen unter:  www.generator.uni-trier.de

 

05_Die Ästhetisierung der Leere
‚Jüdische’ Kunst und Architektur im Widerstreit von Partikularismus und Universalismus

Das in Kooperation mit Prof. Dr. Jacques Picard (Professor für Jüdische Geschichte und Kulturen der Moderne) an der Universität Basel entwickelte Forschungsprojekt untersucht das dialektische Verhältnis von inszenierter Leere und deren semantischer Aufladung. Aus disziplinenübergreifender Sicht wird der Frage nachgegangen, inwiefern die künstlerische oder literarische Ausformung des Absenten in Gemälden jüdischer Künstler nach 1945, Texten der jüdisch-französischen Shoah-Literatur oder zeitgenössischen Architekturentwürfen tatsächlich Ausdruck eines veränderten Selbstverständnisses ist. Dem steht die Vermutung einer ästhetisch zu interpretierenden Leere gegenüber, die im Verzicht auf wiedererkennbare Inhalte nach den ontologischen Bedingungen ihres Erscheinens im jüdischen Kunst- und Architekturkontext fragt. Im Fokus stehen dabei insbesondere die Entwürfe von Zvi Hecker, Nikolaus Hirsch und Manuel Herz. Ihre leeren Räume kennzeichnet kein symbolischer, sondern ein phänomenologischer Anspruch, da Erkenntnisse hier über die Erscheinung der Leere vermittelt werden. Reduktion und Entleerung – so die These dieses Forschungsprojektes – stehen in diesem Fall für die Befreiung von Überfrachtetem, Verharmlosendem und Äußerlichem. Die Leere gemahnt nicht länger nur der Absenz, sondern tritt als erfahrbare Form in Erscheinung. Eine Erscheinung von minimalistischer Ausprägung, die regionale Bautraditionen zugunsten einer internationalen Architektursprache ausblendet und gerade deshalb in Israel zum Inbegriff ‚jüdischer’ Architektur wird. Inwiefern diese Entwicklung den Weg für eine nüchterne, bauhistorische Analyse bereitet oder eine von außen übergestülpte Identität konstatiert, wird im Rahmen dieses Projektes diskutiert. Eine abschließende Publikation des 2011 initiierten und von mehreren Seminaren und Publikationen begleiteten Forschungsprojektes ist für 2020 geplant.