Selbst- und Fremdbestimmung

Seit meiner Promotion über das Thema ‚Selbst- und Fremdbestimmung’ habe ich die Forschung zur Internalisierung vertieft. Im Mittelpunkt steht dabei eine konflikthafte Form der Internalisierung, die ich „Selbstinfiltration“ oder „fehlinformierte Introjektion“ nenne. Sie ist gekennzeichnet durch eine ungeprüft Übernahme fremder Ziele. Auf einer bewussten Ebene glauben Personen, ein Ziel selbst zu wollen, während es tatsächlich nicht in das implizite System eigener Ziele, Werte und Bedürfnisse integriert ist.

Gemeinsam mit meinen Kollegen habe ich ein nicht-reaktives Verfahren zur Messung von Selbstinfiltration validiert, dass auf Gedächtnisfehlern bei der Frage nach der Quelle von Zielwahlen beruht: Eine Neigung zur Selbstinfiltration liegt vor, wenn Personen objektiv fremdinduzierte Items häufiger für selbstgewählt halten als Kontrollitems, die von keinem gewählt worden sind. Die Persönlichkeitsvariablen und situativen Randbedingungen, die eine Neigung zur Selbstinfiltration fördern, sind inzwischen empirisch gut belegt (Baumann & Kuhl, 2003; Kazén, Baumann & Kuhl, 2003): Selbstinfiltration tritt auf, wenn Personen in einer negativen Stimmung sind, die sie nicht herabregulieren können. Lageorientierte Personen sind durch ein derartiges Defizit in der Selbstregulation von Affekten gekennzeichnet. In aktuellen Studien konnte ich außerdem zeigen, dass Selbstinfiltration eher auf links- als auf rechtshemisphärischen Verarbeitungsprozessen beruht (Baumann, Kuhl & Kazén, 2005) und mit dem Stresshormon Cortisol korreliert (Quirin, M., Koole, S., Baumann, N., Kazén, M., & Kuhl, J., in press).

Ausblick: Ich möchte der Frage nachgehen, ob auch implizite Einstellungen introjiziert sein können. Zur Finanzierung dieses Vorhabens habe ich einen DFG Antrag eingereicht. Ferner sind in Kooperation mit Hartmut Schächinger Untersuchungen über den kausalen Zusammenhang zwischen Cortisol und Selbstinfiltration angelaufen. Zwei weitere DFG-Projektanträge habe ich zu möglichen Schutzfaktoren gegen Selbstinfiltration sowie zu den interkulturellen Aspekten von Lage- und Handlungsorientierung eingereicht.