Das Kino der Spätrenaissance und des Barock

Angenommen, nicht die Malerei und nicht die Literatur wären das Leitmedium frühen Neuzeit gewesen, sondern (in welchem Paralleluniversum auch immer) der Film – was wäre anders gewesen, ästhetisch betrachtet? Vielleicht nicht sehr viel, denn wie man hier sehen kann, hatte der unbewußte Drang zum Filmischen in so manchen alten Meistern offensichtlich nur darauf gewartet, auf den Drang zum Altmeisterlichen in denen der Kamera zu treffen.

Die Wiedergeburt der Antike aus dem Kanalisationssystem der römischen Unterwelt: der Regisseur am Set der wohl kongenialsten Klassikerverfilmung der Renaissance.   Fellini, Federico: Fellini Satyricon
2. ed. [Bologna]: Cappelli, 1969. 303 S.: zahlr. Ill. (Dal soggetto al film; 38)
Signatur: mt 37429


Die Entstehung des Mediums Film wurde lange Zeit mit dem Kreis der Florentiner Neuplatoniker in Verbindung gebracht (Stichwort: Höhlengleichnis). Diese Sichtweise ignorierte jedoch völlig die viel ältere Tradition lokal produzierter Passions- und Mysterienfilme – denn Oberammergau war überall.   Diemer, Hermine: Oberammergau und seine Passionsspiele: ein Rückblick über die Geschichte Oberammergaus und seiner Passionsspiele von deren Entstehung bis zur Gegenwart
2. Aufl. München: Seyfried, 1910. 192 S.: zahlr. Ill.
Signatur: nc 10559(2)
Abb.: Christus und Annas vor Herodes (Oberammergauer Passionsspiel 1910)


Miguel de Cervantes’ Mehrteiler Don Quijote
(1605-1615) begann als Satire auf die Ritter- und Abenteuerfilme des voraufgegangenen Jahrhunderts und endete als das erste große Kinoepos über das moderne Individuum.   Holme, Bryan [Hrsg.]: Photography as fine art
Boston: Hill & Co., 1987. [224] S. : überwiegend Ill. (The library of world photography)
Signatur: 33 = BF.HOL/pb 13322
Abb.: William Lake Price: Don Quixote in his study (1857)


Als Projektionsfläche kollektiver Ängste und Sehnsüchte diente die Leinwand schon in den Kinosälen der Renaissance und des Barock.   Dewitz, Bodo von [Hrsg.]: Ich sehe was, was Du nicht siehst! Sehmaschinen und Bilderwelten; die Sammlung Werner Nekes
[Ausstellungskatalog] Göttingen: Steidl, 2002. 455 S.: überw. Ill.
Signatur: 21 = MW/me 4560
Abb.: „Schreckenslaterne” in Willem Jacob sGravesande: Physices elementa methematica (1748)


Der Meister des „film noir“: Caravaggio revolutionierte das Kino nicht nur durch seinen dramatischen und oft gewalttätigen Realismus, sondern auch durch kühne Lichtregie.   Benkard, Ernst: Caravaggio-Studien
Berlin: Keller, 1928. 185, 32 S.: Ill.
Signatur: pb 189
Abb.: „Die Berufung des Matthäus” (1599-1600)


Die rapide Entwicklung der Kameratechnik nach dem dreißigjährigen Krieg eröffnete noch ganz andere filmische Möglichkeiten als bloß den Zoom auf die Helden des Alten Testaments.

Ganz, Thomas: Die Welt im Kasten: von der Camera obscura zur Audiovision
Zürich: Verl. Neue Zürcher Zeitung, 1994. 154 S.: zahlr. Ill.
Signatur: 21 = MW/me 1732
Abb.: Georg Friedrich Brander: Kurze Beschreibung einer ganz neuen Art einer Camerae obscurae (1767)


Das Rätsel der Ankunft: Das Genre des niederländischen Interieurfilms fand seinen Höhepunkt in den änigmatischen, fast dialogfreien Kammerspielen des Delfter Meisterregisseurs, der hier auch das barocke Spiel mit Sein und Schein fortsetzt: bewußt bleibt das Stativ des Kameramanns im Wandspiegel erkennbar.   Campany, David [Hrsg.]: Art and photography
Berlin: Phaidon, 2003. 304 S.: Ill. (Themes and Movements )
Signatur: 33 = BF.CAM/pb 21818
Abb.: Hiroshi Sugimoto: Vermeer’s Music Lesson (Gelatine-Silberdruck, 1999) Bildquelle:
http://www.guggenheim.org/../music_lesson.jpg


Eines der letzten erhaltenen Renaissancekinos im römischen Stadtteil Trastevere. Daß die manieristisch angehauchte Fassade auf einen Entwurf des Multitalents Giulio Romano (1499-1546) zurückgeht, wie oft in Reiseführern behauptet, dürfte allerdings ins Reich der Legende gehören – gewisser Ähnlichkeiten mit dessen Palazzo del Te in Mantua unbeschadet (nebenstehend: Hauptportal).

Putnam, Michael: Silent screens: the decline and transformation of the American movie theater
Baltimore, Md. [u.a.]: Johns Hopkins Univ. Press , 2000. XV, 102 S.: zahlr. Ill. (Creating the North American landscape)
Signatur: 21 = MU/me 4147
Abb.: Gem Theatre, Claude, Texas (1985)


Ein Pionier der Spezialeffekte, soll Giulio Romano (s.a. das vorangegangene Exponat) mit seinem Mammut-Katastrophenfilm „Der Sturz der Giganten” ganze Kinosäle in Angst und Schrecken versetzt haben.

Gombrich, Enst: Il palazzo del Te: riflessioni su mezzo secolo di fortuna critica: 1932 – 1982 / L’opera di Giulio Romano Modena: Panini, 1984. 79 S.: zahlr. Ill. (Quaderni di Palazzo Te; 1) Signatur: 33 = IT.MAN/pb 8246 Abb.: Giulio Romano: Gigantensturz (Fresko, Sala dei Giganti, Palazzo del Te, Mantua)


Als 1957 die Filmrollen von Shakespeares Blockbuster Macbeth wiederauftauchten, stellten sie die Filmhistoriker vor nicht geringe Rätsel. Oder sollte es sich etwa um ein Remake handeln?   Iwamoto, Kenji [Hrsg.]: Shashin, kaiga shûsei Nihon eiga no rekishi
Bd. 2: Eiga no ôgon jidai. Tôkyô: Nihon Tosho Sentâ, 1998. 211 S.: überw. Ill. (Bijuaruhan Nihon bunkashi shirîzu )
Signatur: 27 = MGK/od23177-2
Abb.: Kurosawa Akira: Kumonosujô („Das Schloß im Spinnwebwald“, 1957)


Was Ken Adams Filmarchitekturen für James-Bond-Streifen und Stanley Kubrick, das waren Piranesis alptraumartige Raumentwürfe für das spätbarocke Spannungskino.   Huxley, Aldous : Prisons: the „carceri" etchings by G. B. Piranesi
Critical study by Jean Adhemar. Los Angeles: Zeitlin & Ver Brugge, 1949. 34 S., 18 Bl.: zahlr. Ill.
Signatur: 99 = ag 224


Leonardo da Vincis klaustrophobischer Dreizehnpersonenfilm „Das Abendmahl“ hat, wie viele seiner Werke, die Jahrhunderte nur schwer beschädigt überdauert, und seine ursprüngliche Gestalt läßt sich lediglich anhand von Remakes rekonstruieren. Bei dem hier vorliegenden stellt sich allerdings die Frage, ob es sich nicht vielmehr um eine Parodie handelt.

Eder, Klaus [u.a.]: Luis Buñuel
2., erg. Aufl. München: Hanser, 1980. 206 S.: Ill.
(Reihe Film; 6)
Abb.: Luis Buñuel: Viridiana (1962)