Yiddish Summer Weimar 2012

 

Nicht nur in Trier, auch in der langjährigen Partnerstadt Weimar wird Jiddisch großgeschrieben, und zwar jeden Sommer wieder, im Rahmen des ›Yiddish Summer Weimar‹. Dort treffen Jahr für Jahr Klezmer- und Folkmusik-Begeisterte und Profis zu Workshops – eigentlich Meisterklassen – mit einigen der größten Namen des Genres zusammen.

In diesen Sommer konnte man unter dem Motto »di brikn fun Aschkenas« den Beziehungen zwischen jüdischer und nichtjüdischer Volkskunst in Ost- und Westeuropa und ihrer komplizierten Geschichte nachspüren. Es wurden unter anderem Workshops für jüdische und renaissancezeitliche Tänze, jiddische Kinderlieder, volkstümlichen jiddischen Gesang und verschiedene Varianten traditioneller jüdischer Musik angeboten.

Zusätzlich wurden die jiddische Sprache und Literatur in drei aufeinander aufbauenden, jeweils einwöchigen Intensivkursen unter der Leitung von Dorothea Greve (Hamburg), Yuri Vedenyapin (Cambridge) und Simon Neuberg (Trier) vertieft.

Der Leiter des Kurses für die Fortgeschrittenen hatte als »Brücke« zwischen verschiedenen Teilen und Epochen von Aschkenas und dem »Jiddischland« die biblische Geschichte von Joseph und seinen Brüdern ausgesucht. Gelesen wurde eine moderne, aber von altjiddischen Midraschim inspirierte Fassung, die 1923 in Berlin erschienen ist. Ihr Autor ist kein geringerer als Max Weinreich, der »Erfinder« von »Aschkenas I und II« und wohl berühmtester und einflussreichster Forscher der jiddischen Sprach- und Literaturgeschichte.

Neben vielen markanten Werken von Max Weinreich ist auch einiges aus seiner Feder so gut wie unbekannt geblieben. Die Lektüre kann durchaus lohnenswert sein, zumal wenn diese Texte mit Werken anderer jiddischer Schriftsteller des 19. und 20. Jahrhunderts in Verbindung gebracht werden.

Aus studentischer Perspektive bietet der ›Yiddish Summer Weimar‹ nicht nur eine intensive Beschäftigung mit der Sprache, sondern die Möglichkeit, in jiddische Kultur einzutauchen. Die Sprachkurse werden umrahmt von Klezmer, Jam Sessions und Konzerten.

Innerhalb des Sprachkurses wurden den Teilnehmern Grammatik und Wortschatz, aber auch verschiedene (historische und geografische) Sprachvarianten und vor allem Idiomatik und Sprachgefühl nahegebracht. Dabei ist bei einer für viele der Teilnehmenden nicht alltäglichen Sprache die praktische Übung und Anwendung wichtig, dazu bot der ›Yiddish Summer Weimar‹ viele Gelegenheiten und Anreize. Auf der Straße oder auf dem Flur Jiddisch zu hören, war ein besonderes Erlebnis.

Die Teilnehmer waren bunt gemischt, von Studenten über Berufstätige bis hin zu Rentnern im hohen Alter, wodurch immer wieder auch durch die Lernenden neue Impulse gegeben, Antworten gefunden und Fragen gestellt wurden. Gerade weil die Gruppe klein war, wuchs sie schnell zusammen, so dass eine intensive Lernatmosphäre entstand. Die Josefsgeschichte in dem nicht-standardisierten Jiddisch von Max Weinreich zu lesen, war eine Herausforderung. Aber durch die versierte Begleitung durch Prof. Neuberg und die Exkurse in die Gedichte von Itzik Manger zu einzelnen Themen der biblischen Geschichte erhielt der Kurs trotz des älteren Jiddisch Weinreichs einen modernen Anstrich.

Was zu lernen war in Weimar? Jiddisch ist lebendig und alle Lehrenden und Lernenden leisten dazu einen wichtigen Beitrag.

Christin Zühlke, Heidelberg

Foto: Alan Bern