Einführung „Gerichts-TV“

Der Entwurf eines „Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren“ soll im Rahmen einer Erweiterung des § 169 GVG künftig vorsehen, dass Gerichtsverfahren aus den Sälen der Bundesgerichte aufgenommen und live übertragen werden können. Das Bedürfnis für eine Lockerung der Verbotsnorm ist hierbei aus mehreren Gründen gegeben, trifft aber auch auf einige Bedenken.

Bis auf das Bundesverfassungsgericht, bei dem die Übertragung von Urteilen erlaubt ist, sind bei Verhandlungen Ton- und Bildaufnahmen aufgrund von § 169 GVG verboten. Seit der sogenannten „n-tv“-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Januar 2001 (BVerfGE 103, 44-81), in der entschieden wurde, dass § 169 GVG nicht gegen die Rundfunk- und Informationsfreiheit aus Art. 5 I GG verstoße, wird ein uneingeschränktes Verbot jedoch kritisch hinterfragt. Das Bundesverfassungsgericht hatte in seiner damaligen Entscheidung deutlich gemacht, dass es dem Gesetzgeber obliege, die Zulässigkeit von Ton- und Bildaufnahmen in der Hauptverhandlung zu regeln. Nun will das Bundesjustizministerium dieses Verbot relativieren. Der Entwurf eines „Gesetzes zur Erweiterung der Medienöffentlichkeit in Gerichtsverfahren“ soll im Rahmen einer Erweiterung des § 169 GVG künftig vorsehen, dass Gerichtsverfahren aus den Sälen der Bundesgerichte aufgenommen und teilweise sogar live übertragen werden können. Nach einer Ergänzung von § 169 I GVG soll es möglich werden, eine Tonübertragung als „live-stream“ in einen Nebenraum zuzulassen. Daneben soll es durch die Einführung eines zweiten Absatzes möglich sein, während der Verhandlung auch Ton- und Filmaufnahmen zu machen, die dem zuständigen Bundes- oder Landesarchiv zur Übernahme angeboten werden können. Eine Übernahme in die Akten erfolgt nicht. Im Falle einer Nichtannahme durch das Archiv sind die Aufnahmen durch das Gericht zu löschen. Für den Fall einer Annahme durch das Archiv gelten allein die rechtlichen Bestimmungen der Archivgesetze. Eine Veröffentlichung darf nur im Rahmen der üblichen archiv-rechtlichen Bestimmungen der jeweils einschlägigen Landes- oder Bundesarchivgesetze erfolgen. Die Aufnahmen werden der breiten Öffentlichkeit somit zunächst nicht unmittelbar zugänglich gemacht. Etwas anderes soll nach einem dritten Absatz nur für den Bundesgerichtshof gelten. Dort sollen Ton- und Filmaufnahmen bei der öffentlichen Verkündung von Beschlüssen sogar zur sofortigen Vorführung an die gesamte Öffentlichkeit möglich sein.

Angelegt ist die Öffnung zur Aufnahme und Übertragung durch die Medien jedoch nur für Verfahren mit historischer und wissenschaftlicher Bedeutung. Einen Anspruch auf Zulassung der Übertragung haben die Medien nicht. Die konkrete Entscheidung darüber liegt allein im Ermessen des jeweiligen Vorsitzenden. Die Frage einer Aufnahme und Übertragung durch die Medien ist somit eine Maßnahme der Sitzungsleitung. Die Entscheidung ist unanfechtbar. Rechtsmittel stehen den Beteiligten somit nicht zu. Ziel der Gesetzesänderung ist es zum einen, die mittelbare Öffentlichkeit außerhalb des Sitzungsaales einzuschließen. Zum anderen soll auch die deutsche Justiz für jeden Bürger erfahrbar gemacht werden. Außerdem soll versucht werden, dem Wandel der Medien dahingehend, dass die Bürger jederzeit mit aktuellsten Informationen versorgt werden, gerecht zu werden. Schließlich haben insbesondere strafverfahrensrechtliche Änderungen im Opferschutz dazu geführt, dass es häufig Verfahren mit zahlreichen Beteiligten (Nebenkläger, Nebenklagevertreter) gibt, wodurch die Kapazitäten des Gerichtssaals oft nicht mehr ausreichen. Ein Bedürfnis für eine Lockerung der Verbotsnorm ist somit durchaus gegeben. Gleichwohl kommt eine gänzliche Abschaffung nicht in Betracht. Bedenken bestehen vor allem hinsichtlich des Risikos, dass Verfahrensbeteiligte der Verunglimpfung preisgegeben werden. Verfahren dürfen außerdem, insbesondere aufgrund der deutschen Geschichte, nicht als Schauprozess inszeniert werden. Ferner könnte durch verunsicherte Richter und Beteiligte der Verfahrensablauf gestört werden.