Briefe von Mutsuko Ayano


Das Leben und der tragische Tod von Mutsuko Ayano haben weitere Spuren hinterlassen. Die Briefe von Mutsuko Ayano an ihre Eltern wurden zusammengestellt und publiziert. Sie sind inzwischen in einer erweiterten Neuauflage erschienen. In ihren Briefen ist erkennbar, mit welch ausgeprägter Sensibilität Mutsuko Ayano während ihres zweijährigen Aufenthalts den Unterschied zweier entfernter Kulturen in Europa und Asien miterlebt hatte, und wie sie zu einem differenzierten Deutschlandbild gelangte. Dabei schildert Mutsuko die Gegensätze zu ihrer fernöstlichen Kultur mit liebevoller Direktheit und Klarheit: Im Jahre 1983 waren diese Distanzen weitaus größer als gegenwärtig. Deshalb ist dieses Buch bis heute ein Beitrag zum Verständnis des Kulturgegensatzes.

"Unglück in Glück verwandeln"

Dieses sinnlose Verbrechen hat auch Wertvolles und Bleibendes zur Folge. Der Vater von Mutsuko Ayano wies im Grußwort zur vorherigen Veröffentlichung der Briefe seiner Tochter auf ein japanisches Sprichwort hin, das so viel bedeutet wie "sein Unglück in Glück verwandeln".

Zitate aus den Briefen von Mutsuko Ayano

Die nachfolgenden Zitate aus den Briefen von Mutsuko Ayano an ihre Eltern charakterisieren sie als eine sensible, intelligente, positiv denkende, fröhliche und nachdenkliche Studentin, die sich intensiv mit den Unterschieden der beiden Kulturen auseinandersetzt:

"Die Geschichte von Menschen, die kreative Arbeit leisten, hat etwas, was ans Herz rührt. Sie sehen nicht nur Zeit und Raum, jetzt und hier, sondern das Leiden bei der Geburt eines Werkes, die Freude, den Kampf mit sich. Dazu ein Leben, in dem man ruhig betrachtend sich selbst gegenübersteht: dies alles habe ich erst hier kennengelernt und erlebt. Ich denke, dass ich ein bisschen anders geworden bin; weg von einem oberflächlichen unbeständigen Ich voller Neugierde". (17.1.1983)

"Mein Interesse an der Welt der deutschen Sprache kennt keine Grenzen, auch wenn ich sie so lange studiert habe". (5.4.1982)

"Wie dem auch immer sei, ich bin wirklich sehr beeindruckt von der Stärke der Frauen hier, ihrem Verantwortungsbewusstsein für die eigene Arbeit, ihrem Durchsetzungsvermögen. [...] Ich möchte nicht so hart werden. Auch wenn man von Gleichberechtigung redet, so gibt es doch etwas, was nur Frauen haben. Es ist nicht schlecht, wenn eine Frau das auch nutzt. [...] Es ist schön, in einer Welt zu leben, in der man sein Leben selbst bestimmen kann, so wie man es will". (27.2.1983)

"Man lebt aber nur ein einziges Mal. Ich möchte so leben, wie ich es vor mir verantworten kann. Hier habe ich eine Lebensweise kennengelernt und erlebt, eine Lebensweise, die über die Zeit jetzt und den Raum hier hinausgeht; die darin besteht, sich selbst in Ruhe zu betrachten und ständig mit sich zu kämpfen, um etwas Wesentliches zu finden". (22.2.1983)

"Das ist mein Wahlspruch: 'Wenn man eine Sprache wirklich gut beherrschen will, muss man die Sprache mögen'. [...] Ich dachte, dass dieser Satz von mir stammt, aber ich habe entdeckt, dass der verehrungswürdige Goethe ähnliches gesagt hat: 'Was man nicht liebt, kann man nicht machen'". (7.2.1983)