Projekt »Erinnerungsort ShUM«

Erinnerungsort »ShUM«

Die Bedeutung der jüdischen Gemeinden Speyer, Worms und Mainz (Qehillot ShUM) und ihrer Bauten (Synagogen, Mikwen, Friedhöfe) in der Überlieferung des Mittelalters

„Wie sehr gehören unsere Lehrer in Mainz, in Worms und in Speyer zu den gelehrtesten der Gelehrten, zu den Heiligen des Höchsten, … von dort geht die Lehre aus für ganz Israel, … Seit dem Tag ihrer Gründung richteten sich alle Gemeinden nach ihnen, am Rhein und im ganzen Land Aschkenas“, so schrieb im frühen 13. Jahrhundert der bedeutende Rabbiner Isaak b. Mose Or Sarua (gest. ca. 1246), der nach Studien in Böhmen und Frankreich in Regensburg und Wien wirkte. Bereits seit dem hohen Mittelalter gelten die jüdischen Gemeinden in Mainz, Worms und Speyer als Modelle für das jüdische Leben in Aschkenas, d. h. den deutschen Landen an Rhein und Donau, später darüber hinaus auch in Oberitalien und Mittel‑/Osteuropa.

Diese Vorbildfunktion äußert sich mit langer, bis heute wirksamer Geltung auf dem weiten Gebiet der jüdischen Gelehrsamkeit im religiösen Recht (der Halacha) und in der synagogalen Dichtung (dem Pijjut) sowie in spezifischen Ausformungen der frommen Praxis (etwa bei den Chassidê Ashkenas, den „Frommen Deutschlands“, oder hinsichtlich der Stellung der Frau in der Synagoge). Dieses immaterielle Kulturerbe enstand im konkreten räumlichen Umfeld der mittelalterlichen Kathedralstädte am Rhein und in der Auseinandersetzung mit der christlichen Umwelt – einschließlich der Herausforderungen durch Verfolgungen und Gefährdungen, die sich beispielsweise in einer besonderen Verehrung der jüdischen Märtyrer (Qedoshim, „Heilige“) in der religiösen Praxis und im Kult der Synagoge äußerte. Gemeindliche und soziale Innovationen, die hier besonders früh festzustellen sind, entfaltenen ebenfalls eine breite Wirkung in der jüdischen Welt – man denke beispielsweis an den Bau monumentaler Mikwen und spezieller Frauensynagogen als Ausdruck der Geschlechterverhältnisse innerhalb der jüdischen Gemeinden und Familien.

Überhaupt war der Ruf ihrer Rechtsgelehrten, ihrer synagogalen Dichter und ihrer ‚Frommen’ in der Erinnerung späterer Generationen stets mit konkreten Orten der Memoria verbunden – insbesondere mit den „Gräbern der Gerechten“ auf den Friedhöfen, sodann aber auch mit Örtlichkeiten in den jeweiligen Wohnbezirken („Judenvierteln“). So wird angenommen, dass die alten Synagogen in den ShUM-Gemeinden zu Ausgangspunkten für die Entwicklung eines Bautypus wurden.

Das vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur des Landes Rheinland-Pfalz geförderte Projekt widmet sich diesen Verbindungen und Beziehungen zwischen den unterschiedlichen „Erinnerungsorten“ – zwischen den konkreten, „erinnerten Orten“ und den persistenten „Topoi der Erinnerung“. Damit geht es der Frage nach, wie und warum die teils noch heute erhaltenen Grabsteine bzw. Friedhöfe, Synagogen und Mikwen der ShUM-Gemeinden je einzeln und in ihrer Gesamtheit als einzigartige Zeugnisse der kulturellen Tradition des aschkenasischen Judentum gelten dürfen. Es profitiert dabei von Austausch und Kooperation mit den Direktionen Landesdenkmalpflege und Landesarchäologie der Generaldirektion Kulturelles Erbe Rheinland-Pfalz.

Projektlaufzeit: Juni 2015–Mai 2018

Projektleitung: Prof. Dr. Lukas Clemens

Mitarbeiter: Dr. Christoph Cluse und Dr. Marzena Kessler

Kontakt: Arye Maimon-Institut, Raum DM 216, Tel. 3304