Vernetzte Korrespondenzen. Briefe aus dem Exil

„Nicht nur die Dichter waren im Exil […]. Auch die Briefe […], und sie teilten die absurden Schicksale jener, die ihre Heimat so sehr lieben, daß sie eher ihr Land verlassen, als im geschändeten Vaterland weiterzuleben“, so Hermann Kesten im Vorwort zu seiner Sammlung von Exilbriefen, die 1964 unter dem Titel „Deutsche Literatur im Exil“ erscheint.

Für die zahlreichen Dichter, die nach der nationalsozialistischen Machtübernahme aus Deutschland fliehen, bedeutet der Gang in die Emigration nicht nur einen materiellen und kulturellen Verlust, sondern auch den Verlust des vertrauten Umfelds; ehemals wichtige Freund- und Bekanntschaften können nicht mehr direkt gepflegt werden. Zugleich gewinnen personelle Netzwerke an Bedeutung, denn sie sind nach dem Verlust der eigenen Existenz oft das einzige, was die Emigranten ins Exil retten können und erweisen sich angesichts der täglichen Herausforderungen als äußerst wichtig, teilweise sogar überlebenswichtig. In diesem Kontext werden Briefe zu bedeutenden Kontakt- und Austauschmedien, worauf Abertausende aus dem Exil überlieferte Briefe verweisen.

Die Ausstellung, die vom 4. November bis zum 7. Februar 2016 in der Universitätsbibliothek gezeigt wird, rückt einige dieser Briefe ins Zentrum und zeigt sie einerseits als Medien der Vernetzung, mit denen Grenzen überwunden, räumliche Trennungen überbrückt und gemeinsame Projekte wie Anthologien oder Zeitschriftengründungen in Angriff genommen werden. Andererseits zeigt sie die Briefe als Quellen deutscher Literaturgeschichte, als „Zeugen der Zeit“, die umfassende Einblicke in die Gedankenwelt ihrer Verfasser bieten: in deren Sorgen und Nöte, Hoffnungen und Enttäuschungen, politische Positionen und ästhetische Programme.

Verfasser der Briefe aus den Jahren zwischen 1933 und 1946 sind so bekannte Autoren wie Stefan Zweig, Joseph Roth oder Ernst Toller, aber auch weniger bekannte Namen sind unter den Schreibern – etwa Alfred Neumann, René Schickele oder Annette Kolb. Neben den Briefen präsentiert die Ausstellung Werkmanuskripte, Zeitschriften und Erstausgaben aus der Epoche des Exils, außerdem Dokumente der Flucht wie Fahrkarten, Passierscheine oder Affidavits. Auch die Schreibmaschine des Dichters Alfred Döblin – eine Royal Arrow mit französischer Tastatur – ist zu sehen. Gerahmt wird die Ausstellung von zeitgenössischen Fotografien der Literaten.

Die dargebotenen Objekte stammen aus Beständen des Deutschen Literaturarchivs Marbach, des Münchner Literaturarchivs Monacensia und der Universitätsbibliothek Trier.

Die Ausstellung steht im Kontext des vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projektes „Vernetzte Korrespondenzen | Exilnetz33“ (www.exilnetz33.de). Ziel des Vorhabens ist die Entwicklung einer modularen interaktiven internetbasierten Plattform zur Visualisierung und Erforschung von sozialen, räumlichen, zeitlichen und thematischen Netzen in Briefkorpora. Mittels verschiedener Analyse- und Visualisierungsangebote wird der Nutzer in der Lage sein, aus ganz unterschiedlichen Perspektiven Fragen an die bereitgestellten Korrespondenznetze zu formulieren und verschiedene, auf das jeweils konkrete Forschungsinteresse angepasste Sichten auf sein Briefkorpus zu erzeugen.

 

Konzeption der Ausstellung und Kontakt

Dr. Vera Hildenbrandt, E-Mail: hildenbr@uni-trier.de, Tel. 0651/201-3790

Theresia Biehl M.A., E-Mail: biehl@uni-trier.de, Tel. 0651/201-3268