Buchstabe, Buchblock, Buchdeckel - Wie entstand ein Buch im Mittelalter?

Hallo Kinder,

ich bin’s wieder, euer Kunibert Schlaufuchs. Wisst ihr was ich gerade in meiner Hand halte? Ein selbst gebundenes kleines Buch! Ich habe die Seiten wirklich ganz alleine zusammengenäht! Und danach noch bunte Initialen und Stempel reingedruckt! Aber erstmal ganz von vorne…

Ich war gestern bei einer Kinder-Uni Veranstaltung in der Stadtbücherei Wittlich, die hieß „Buchstabe, Buchblock, Buchdeckel - Wie entstand ein Buch im Mittelalter?“.

Erst haben uns die Dozentinnen erzählt, wie Bücher früher gemacht wurden. Sie wussten wirklich Bescheid und zwei von ihnen sind sogar echte Buchrestaurateurinnen, das heißt sie reparieren alte Bücher. Sie haben uns erzählt, dass Menschen früher, als es noch kein Papier gab, auf Steinen oder Wachstafeln geschrieben haben. Die Ägypter haben ihre Hieroglyphen dann auf Papyrus geschrieben. Das stellte man aus einer dort heimischen Wasserpflanze her.

Im Mittelalter verwendete man dann Pergament, das aus echter Tierhaut gemacht wurde. Wir durften so ein rohes Pergament auch anfassen. Es war ein bisschen hart und fast durchsichtig, weiß und sah einfach wie ein großes, komisch ausgeschnittenes Stück Papier aus.

Die Dozentinnen haben uns erklärt, dass die kleinen schwarzen Punkte darauf die Härchen der Ziege waren. Ich war ein bisschen erschrocken, dass dafür eine echte Ziege sterben musste. Für ein ganzes Buch brauchte man dann natürlich die Haut von viel mehr Tieren. Im Mittelalter haben sich darum oft nur reiche Menschen und Klöster Bücher leisten können. Normale Bauern konnten damals aber auch gar nicht lesen. Für eine Bibel mussten zum Beispiel 200 Schafe sterben. Aber die Bücher waren damals auch oft größer als unsere heute.

Es gibt ein Datum im Mittelalter, so um das 14. Jahrhundert, da hat man angefangen, Papier aus alten Leinen (Lumpen oder alten Kleidern) zu machen. Als Faustregel kann man also sagen, dass ein Buch nicht älter als 700 Jahre ist, wenn es aus Papier besteht. Unser Papier heute wird direkt aus Pflanzenfasern hergestellt, aber die Leinen der alten Kleider waren auch aus Pflanzen. Die Papierherstellung damals war sozusagen also Recyceln!

Was ich auch spannend fand, war zu sehen, woraus Tinte damals gemacht wurde. Es gibt eine Wespenart, die Eichengallwespen, die produzieren kleine braune Kugeln, sogenannte „Gallkugeln“, an der Unterseite von Eichenblättern. Daraus hat man schwarze Tinte gewonnen. Auch so eine Gallkugel hatten die Dozentinnen dabei und auch eine Gänsefeder, mit Feder-Anspitzer, weil man damit die Tinte zu Papier brachte. Ich fand es toll, dass wir das alles anfassen durften.

Wir haben dann auch noch eine Fabel aus einem alten Buch gelesen. Dabei haben wir erfahren, dass fast alle Geschichten in mittelalterlichen Büchern in lateinischer Sprache geschrieben wurden. Übersetzt ging es in der Fabel um einen Fuchs, der von einer klugen Gans überlistet wird, das hat mir natürlich nicht so gefallen. Die Dozentinnen haben anhand solcher Geschichte herausgefunden, dass die Schreiber der Bücher oft selbst gar kein Latein verstehen konnten, sondern einfach nur die Buchstabenketten von einem anderen Buch abgeschrieben haben. Das muss wirklich langweilig für die Schreiber gewesen sein. Da war es sicher ein besonderer Spaß, wenn sie mal eine halbe Seite übrig hatten: So wertvolles Pergament wollten sie oft nicht einfach leer stehen lassen, also hat zum Beispiel ein Schreiber namens Hildebert ein Bild von sich selber hineingemalt, auf dem eine Maus ihm ein großes Stück Käse vom Tisch klaut. Ich frage mich, ob Hildebert dafür Ärger bekommen hat…

Die Schreiber malten allgemein gerne. Die sogenannten Initialen, also die ersten Buchstaben eines Absatzes oder einer Geschichte, waren immer so kunstvoll bunt verschnörkelt, dass wir alle nicht mehr erkennen konnten, dass es sich bei einem Beispiel um ein großes T handelte.

Eine Dozentin hat dann noch mit weißen Handschuhen zwei echte alte Bücher herumgezeigt. Eines davon war das älteste, das die Bücherei Wittlich besitzt. Da konnten wir dann alles, was wir in der Präsentation gelernt hatten, noch mal in echt sehen.

Danach setzten wir uns um einen großen Tisch und begannen zu basteln. Mit dicken Nadeln stachen wir, mit Hilfe der Dozentinnen, fünf Löcher durch den kleinen einmal gefalteten Stapel von Papier, direkt in die Falte. Dann mussten wir die Löcher nur noch quasi webend zusammennähen. Im Anschluss durften wir unsere Anfangsbuchstaben als wunderschöne Initialen ausmalen und hineinkleben.

Jetzt muss ich nur noch überlegen, was ich in mein Buch reinschreibe… aber ich weiß schon: Ich schreibe eine Geschichte hinein, von einem schlauen Fuchs, der zur Kinder-Uni geht.

Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder!

Euer Kunibert Schlaufuchs

PS: Die "Wittlicher Rundschau" hat sogar einen Zeitungsartikel über die Veranstaltung geschrieben. Zum Vergrößern einfach anklicken! Außerdem könnt ihr sogar selbst nochmal einen Blick auf die Poster werfen, die wir in der Veranstaltung besprochen haben: Poster1, Poster2, Poster3.