... und raus bist du! Können Außenseiter zu Insidern werden?

Liebe Kinder,

ich bin's wieder, eure Klara Schlaufuchs! Zurzeit frage ich mich manchmal, warum Füchse so viele Fuchsfreunde haben. Ich weiß nämlich, dass wir Füchse nicht schlauer oder lustiger oder besser sind als andere Tiere, obwohl man uns oft als „schlau“ bezeichnet. Ich habe ja auch ein paar Bären- und Hasenfreunde und die sind richtig cool und wir mögen uns sehr. Aber bevor ich diese kennenlernte, habe ich mich, wenn ich in eine neue Gruppe kam, auch oft erstmal neben einen anderen Fuchs gesetzt. Weil er ähnlich aussah wie ich, dachte ich gleich, dass wir leicht gute Freunde sein könnten.

Ich frage mich: woran liegt das? Und wie kann man dann Freunde finden, wenn man der einzige Fuchs in einer Hasenklasse ist und sich als Außenseiter fühlt? Denn viele Hasen kennen ja auch keine Füchse und denken dann, dass ich gemein bin, weil ihre Eltern ihnen das vielleicht so gesagt haben. Um das zu erforschen, bin ich am Samstagmorgen zur Kinder-Uni nach Trier gefahren. Ganz oben in dem Gebäude der Psychologie forschen unsere Dozentinnen in der sogenannten Gruppenpsychologie. Darum hieß die Veranstaltung auch „… und raus bist du. Wie Außenseiter zu Insider werden“.

Zu Beginn gab die Dozentin Frau Raihala jedem von uns entweder ein grünes oder ein schwarzes Band, das wir uns um's Handgelenk banden. Somit waren wir zwei etwa gleich große Gruppen und das Experiment konnte starten. Experimente werden am Besten im Labor mit möglichst wenigen Störfaktoren von außen gemacht. Darum war es auch gut, dass wir Teilnehmerkinder uns fast alle noch nicht kannten. Erst spielten wir Tauziehen, wobei beide Gruppen versuchten, das Seil in ihren Bereich zu ziehen. Die schwarze Gruppe gewann und ein Mädchen aus der schwarzen Gruppe durfte sich eine süße Spielfigur aussuchen. Dann gingen wir in einen Raum, wo zwei Puppen saßen. Eine hatte ein schwarzes Band am Arm und eine ein grünes. Das Mädchen sollte sich nun aussuchen, welcher Puppe sie die süße Figur schenken wollte. Sie gab sie der Puppe mit dem schwarzen Band. Habt ihr verstanden was passiert war?

Frau Raihala konnte es uns erklären. Das Mädchen mit dem schwarzen Band hatte die Puppe mit dem schwarzen Band als sich ähnlicher wahrgenommen und die Puppe als gruppenzugehörig empfunden. Darum gab sie die süße Figur lieber der Puppe mit dem schwarzen Band. Wir wollten das fast nicht glauben und hatten viele Ideen, was andere Gründe hätten sein können. Um uns den Effekt besser zu erklären, zeigte uns Frau Raihala dann einen Film über ein Experiment, das eine Grundschullehrerin 1970 in den USA mit ihren Schülern gemacht hatte. Das war so: Die Lehrerin spielte mit den Schülern ein Spiel: Sie sagte, dass alle Kinder mit braunen Augen besser seien als Kinder mit blauen Augen. Sie seien klüger und dürften deshalb immer fünf Minuten länger in der Pause bleiben und sich als einzige beim Mittagessen Nachschlag holen. Nur Kinder mit braunen Augen dürften den Spielplatz benutzen und sie dürften nicht mit den blauäugigen Kindern spielen oder reden. So wurde es gemacht und die Lehrerin diskriminierte auch während des Unterrichts die Kinder mit den blauen Augen und sagte, dass blauäugige Kinder immer dümmer und langsamer seien. Die braunäugigen Kinder glaubten schon 15 Minuten nach Beginn des „Spiels“, dass sie etwas Besseres seien und genossen es, der Lehrerin einen Stock zu bringen, um die blauäugigen Kinder zu schlagen, falls sie nicht schnell genug wären.

Die blauäugigen Kinder saßen in der Pause abseits und fragten sich, warum die Lehrerin ihnen die Freunde weggenommen hatte, denn die braunäugigen Kinder spielten wirklich nicht mehr mit ihnen. Am nächsten Tag sagte die Lehrerin, sie hätte sich geirrt und eigentlich seien die blauäugigen Kinder doch die besseren und das „Spiel“ begann von vorn. Wieder glaubten die Kinder bald selbst, dass sie in ihre Gruppe gehörten, und dass sie einfach nur auf Grund ihrer Augenfarbe besser oder schlechter seien. Dann hat Frau Helming uns noch ein anderes Experiment vorgestellt. Man hat Babys beobachtet, denen man entweder gelbe oder orangene Handschuhe angezogen hatte. Danach hat man zwei identische Äffchen einmal mit orangenen und einmal mit gelben Handschuhen vor das Baby gesetzt. Die Babys haben fast alle nach dem Äffchen gegriffen, das dieselbe Handschuhfarbe anhatte, wie sie selbst. Frau Helming erklärte uns, dass der Grund dafür sei, dass die Babys das Äffchen als Teil ihrer Gruppe ansehen würden.

Ein anderes Experiment hat Frau Helming sogar selbst in Frankreich durchgeführt. Kinder, die sich nicht kannten, spielten in einem Haus am liebsten mit sich allein, wenn es viele Spielsachen gab. Als man danach einem Kind ein Geschenk gab, welches es einem der anderen Kinder schenken sollte, so gab es dieses dem Kind, welches ihm in der Hautfarbe am ähnlichsten war. Stellte man aber nur wenig Spielsachen in den Raum und die Kinder mussten miteinander spielen, gaben die Kinder das Geschenk am Ende denen, mit denen sie gespielt hatten. Unabhängig von der Hautfarbe! Wir kamen also zu dem Schluss, dass man die Menschen lieber mag, mit denen man sich verstehen kann. Und man denkt unbewusst, dass je ähnlicher man sich ist, desto mehr kann man miteinander anfangen. Gibt es aber Interaktion, also zum Beispiel wenn man miteinander gespielt hat, dann können diese unbewussten Gruppenregeln überlistet werden, weil man ja weiß, dass man sich versteht, wenn man schon mal miteinander gespielt hat. Frau Raihala nannte das „Kooperationsbedingungen“. Sie erzählte uns, dass das schon vor langer Zeit ein berühmter Psychologe namens Gordon erkannt hat. Er sagte, dass man mit Menschen Kontakt haben soll, die anders aussehen als man selbst, damit man dummen Vorurteilen nicht mehr auf den Leim geht.

Am Ende der Veranstaltung haben wir noch einmal alle Tauziehen gespielt, aber diesmal mit gemischten Gruppen. Danach war es dem Jungen, der eine kleine Figur verschenken sollte, auch egal, welcher Puppe er die Figur schenkte. Ich werde also in meiner neuen Klasse gleich versuchen in den Pausen viel mit den Hasen zu spielen, damit sie mich besser kennenlernen und die alten Vorurteile abbauen. Ich werde ihnen zeigen, dass ich nicht so schlau bin, weil ich ein Fuchs bin, sondern einfach, weil ich Klara bin. Und ich werde ihnen auch von meinem anderen Hasenfreund erzählen, der noch viel schlauer ist als ich.

Macht‘s gut und bis bald mal wieder!

Eure Klara