Neues Institut für Recht und Digitalisierung

Aktuelle Technologie macht es möglich: Chat-Programme verkaufen Versicherungen und digitale Richter entscheiden über das Strafmaß. Doch wo sind die rechtlichen Grenzen? Dazu forschen die Rechtswissenschaftler des IRDT.

„Der technische Fortschritt kann unser tägliches Leben erleichtern. Beispielsweise können viele Anträge bei Ämtern heute bereits online gestellt werden. Gleichzeitig bringt der technische Fortschritt aber auch Gefahren mit sich, wie die Weitergabe von Daten im Internet. Ständig neue Technologie erfordert eine fortlaufende rechtliche Auseinandersetzung und Abwägung, zum Beispiel was den Schutz der persönlichen Daten angeht“, sagt Prof. Dr. Antje von Ungern-Sternberg. An Forschungsfragen rund um aktuelle Rechtsfälle mangelt es Ungern-Sternberg und ihren Kolleginnen und Kollegen des Instituts für Recht und Digitalisierung Trier (IRDT) eindeutig nicht. Seit Februar 2019 leitet die Expertin für Öffentliches Recht gemeinsam mit Prof. Dr. Timo Hebeler, Prof. Dr. Benjamin Raue und Prof. Dr. Peter Reiff das neu gegründete Institut.

Eine Herausforderung für die Trierer Juristen besteht darin, die neuen Technologien zu verstehen und einschätzen zu können. Dabei hilft unter anderem der Kontakt zur Informatik der Universität Trier und anderen rechtswissenschaftlichen Forschungseinrichtungen. Dieses Netzwerk möchte das IRDT zukünftig weiter ausbauen. „Digitale Rechtsfragen berühren alle juristischen Gebiete: Zivilrecht, Strafrecht und öffentliches Recht. Es ist eine wahre Querschnittsdisziplin.“

Auch für andere Forschungseinrichtungen der Universität Trier sind Fragen des Urheber- und Datenschutzrechts wichtig. Gemeinsam mit dem Trier Center for Digital Humanities veranstaltet das IRDT so beispielsweise eine von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Workshop-Reihe zu Datenformaten, mit denen aktuelle, urheberrechtlich geschützte Texte so umformatiert werden können, dass sie ohne weitere Restriktionen durch das Urheberrecht weiterverwendet werden können.

Den oft genannten Generalvorwurf, dass die Gesetzgebung und Rechtsprechung dem digitalen Fortschritt hinterherhinkt, lässt die Juristin nicht gelten: „Es dauert seine Zeit, bis Fälle von der untersten Instanz bis in die höchste verhandelt werden. Dass Privatpersonen dadurch in ihren Rechten nicht ausreichend geschützt sind oder Unternehmen zu sehr in ihrer Entwicklung beeinträchtigt sind, sehen wir nicht.“ Erklärtes Ziel des IRDT ist es, den digitalen Wandel zu begleiten und zu gestalten. „Wir wollen sichtbare inhaltliche Akzente in der rechtswissenschaftlichen Forschung zur Digitalisierung setzen.“ Auch im Hörsaal vermittelt das IRDT Forschungsergebnisse an Studierende. Innerhalb des Jura-Studiums an der Universität Trier kann der Schwerpunkt „Recht der Informationsgesellschaft und des Geistigen Eigentums“ gewählt werden.

Doch mit welchen Themen und Fällen beschäftigt sich das IRDT konkret? konzenTRiert stellt exemplarisch einige Themen vor.

Digitale Richter und Rechtsgehilfen

In den USA können Programme bereits heute anhand bestimmter Informationen berechnen, wie hoch die Rückfallquote von Straftätern ist. Dementsprechend höher oder niedriger kann das Strafmaß ausfallen. Noch ist es Zukunftsmusik, aber wohl nicht mehr lange: Über kleinere Streitigkeiten, wie zum Beispiel Mietminderung bei Schimmel in der Wohnung, könnten bald selbstlernende Programme (Künstliche Intelligenz, kurz KI) entscheiden.

Risikobewertungssoftware bei Versicherungen

Smartwatches geben Gesundheitsdaten an die Krankenkasse weiter. Autos übermitteln Geschwindigkeit und Bremsverhalten an die Kfz-Versicherungen. Kunden könnten so von günstigeren Tarifen profitieren. Gleichzeitig besteht die Gefahr, dass Daten missbraucht werden oder falsch bewertet werden, da die Bewertungsalgorithmen nicht transparent sind. Wem gehören die Daten? Das ist die Grundfrage. Nicht nur Versicherungen, sondern beispielsweise auch Autohersteller haben ein Interesse daran, möglichst viel über die Kundenund ihr Nutzungsverhalten zu erfahren, um ihre Produkte weiterzuentwickeln. Welches Interesse wiegt mehr?

Staatliche Kontrolle und Überwachung

In China ist ein soziales Punktebewertungssystem bereits heute Realität: Wie oft besucht man seine Eltern? Zahlt man rechtzeitig seine Rechnungen? Intelligente Programme erstellen anhand von Programmen Persönlichkeitsmuster, die individuelle Handlungen voraussagen können. Kameras erkennen automatisiert auffälliges Verhalten auf Bahnhofvorplätzen, beispielsweise, wenn jemand seit zehn Minuten untätig am selben Ort steht. Die Kamera zoomt dann heran. Ein Programm analysiert, wie gefährlich das Verhalten einzuschätzen ist. Gleichzeitig wird jedoch jeder und jede auf dem Bahnhofsvorplatz überwacht. Ein schmaler Grat zwischen allgemeiner Sicherheit und Persönlichkeitsrechten.

YouTube und die Uploadfilter

Das Video vom Italienurlaub mit dem aktuellen Sommerhit unterlegen und stolz auf YouTube präsentieren? Den Musikern und Komponisten gefällt das natürlich gar nicht. Um das geistige Eigentum der Künstler zu schützen, hat das Europaparlament im April dieses Jahres die Reform des Urheberrechts beschlossen, die auch so genannte Upload-Filter den Weg ebnet. YouTube könnte so dazu gezwungen werden, bereits beim Hochladen von Videos zu analysieren, ob geschütztes Eigentum wie Musik in dem Video verwendet wird. Kritiker bezeichnen dies als Zensur. Noch ist unklar, ob und wie Uploadfilter kommen werden.

Mein persönliches teures Online-Shopping-Erlebnis

Analyse-Tools machen es möglich: Sie verfolgen unsere persönlichen Wege im Internet. Website-Betreiber können so nachvollziehen, dass ich ein Luxushotel in der Karibik gebucht habe, bevor ich nach einem entsprechenden Hin- und Rückflug schaue. Programme können so meine Zahlungsbereitschaft einschätzen. Warum sollte mir der Flug für 1000 Euro verkauft werden, wenn ich auch bereit wäre, das Doppelte zu bezahlen?

Ausländischer Einfluss auf Wahlen

Aus Russland sollen während des US-Wahlkampfes 2016 auf Facebook Anzeigen geschaltet worden sein, die zum Ziel hatten, die Meinung der US-Wähler zu beeinflussen. Es sind unter anderem völkerrechtliche Fragen, die sich hinter solchen Fällen verbergen – aber auch eine Frage der Verantwortung von Plattformbetreibern wie Facebook, Twitter und Co. Die ältere Rechtsprechung war davon ausgegangen, dass Plattformbetreiber nicht oder nur sehr beschränkt für die Inhalte auf Seiten haften. Neuere Urteile nehmen die sozialen Netzwerke mehr in die Verantwortung, beispielsweise auch, was das Löschen von Hasskommentaren angeht.

Mit persönlichen Daten bezahlen

Der Datenschutz ist, wie die vorangegangenen Fälle zeigen, das größte Thema im Netz. Alles hängt von persönlichen Daten ab. Seit der Einführung der europäischen Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) hat sich bereits viel getan. Aber wie ist die DSGVO im Detail zu interpretieren und umzusetzen? Welche Vorgaben gibt es beispielsweise, wenn ich online ein kostenloses Zeitschriften-Abo abschließe: Wie dürfen die Verlage meine Daten, mit denen ich „bezahlt“ habe, nutzen?

Kontakt

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