News http://www.uni-trier.de/index.php?id=44162 Nachrichten des Lehrstuhls für Öffentliches Recht, deutsches und internationales Finanz- und Steuerrecht de Copyright Fri, 19 Apr 2024 01:33:08 +0200 Fri, 19 Apr 2024 01:33:08 +0200 TYPO3 news-25298 Fri, 22 Mar 2024 16:13:39 +0100 Urteil der Woche (KW 12) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=25298&cHash=605e26287ace5260d59aaa95db84cdb1 Im heutigen Urteil der Woche widmen wir uns einem Urteil des BFH (v. 18.10.2023 – X R 7/20), in dem sich der Senat mit der Frage beschäftigen musste, ob Prozesskosten zur Erlangung eines nachehelichen Unterhalts als Werbungskosten abziehbar sind.

 

Klägerin ist eine Steuerpflichtige, die sich 2014 von ihrem Ehepartner scheiden ließ. Ihr früherer Ehemann wurde verpflichtet, ab Rechtskraft der Scheidung nachehelichen Unterhalt in Höhe von 582,50€ monatlich zu zahlen. Das von der Klägerin geführte Beschwerdeverfahren wurde im März 2015 vor dem OLG durch einen Vergleich beendet, in welchem sich der frühere Ehemann zur Zahlung eines höheren nachehelichen Unterhalts von 900€ monatlich verpflichtete. Die Verfahrenskosten wurden in beiden Verfahren jeweils gegeneinander aufgehoben. Die Klägerin entrichtete Gerichts- und Anwaltskosten im Jahre 2015. Im Einkommensteuerbescheid 2015 erfasste das Finanzamt die von der Klägerin erklärten Einnahmen aus Unterhaltsleistungen als sonstige Einkünfte (§ 22 Nr. 1a EStG). Zusätzlich machte die Klägerin die getragenen Anwalts- und Gerichtskosten i.H.v. 7082€ als außergewöhnliche Belastungen geltend. Letztere ließ das Finanzamt unberücksichtigt. Der anschließenden Klage auf steuerliche Berücksichtigung der auf den nachehelichen Unterhalt entfallenden anteiligen Prozesskosten i.H.v. 4983€ gab das FG statt. Die Aufwendungen seien als (vorweggenommene) Werbungskosten im Rahmen der sonstigen Einkünfte (§ 22 Nr. 1a EStG) zu erfassen.

Die Revision des Finanzamts sah der BFH als begründet an. Voraussetzung für die Berücksichtigung vorweggenommener Werbungskosten sei, dass ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart bestehe. Prozesskosten hinsichtlich eines nachehelichen Unterhalts seien grundsätzlich nicht als (vorweggenommene) Werbungskosten bei den Unterhaltseinkünften i.S.d. § 22 Nr. 1a EStG abziehbar. Unterhaltszahlungen - und damit auch die zu ihrer Erlangung aufgewendeten Prozesskosten - seien dem Privatbereich zuzuordnen. Erst der Antrag überführe die Unterhaltsleistungen in den steuerrechtlich relevanten Bereich und bestimme die zeitliche Grenze für das Vorliegen abzugsfähiger Erwerbsaufwendungen. Vor diesem Antrag verursachte Aufwendungen des Unterhaltsempfängers können keine Werbungskosten begründen, da sie zu diesem Zeitpunkt noch zu keiner Einkünfteebene in einem objektiven Veranlassungszusammenhang stehen.

 

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202410025/

 

 

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news-25216 Fri, 08 Mar 2024 11:50:51 +0100 Urteil der Woche (KW 10) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=25216&cHash=2fa5c41eaa6b509e6fcc616183067f32 Im heutigen Urteil der Woche (VI R 1/21, v. 14.12.2023) musste sich der BFH erneut mit den Abgrenzungskriterien hinsichtlich der Besteuerung von Managementbeteiligungen als Arbeitslohn versus Kapitaleinkünfte beschäftigen.

Kläger war ein leitender Angestellter der A-GmbH. Die Anteile an der A-GmbH wurden von der Y-AG gehalten, welche von einer Investorengruppe mittelbar über mehrere Tochtergesellschaften, letztlich über die S-Kapitalgesellschaft mit dem Ziel erworben wurde, diese nach einer Umstrukturierung an die Börse zu bringen. Ausgesuchten Führungspersonen der A-GmbH (u.a. auch dem Kläger), wurde die Möglichkeit eingeräumt, sich an dem Investment über ein sog. Managementbeteiligungsprogramm zu beteiligen. Dazu wurde den Arbeitnehmern im Jahr 2006 u.a. die Beteiligung an einer sog. Manager-KG ermöglicht, die ihrerseits Anteile an der S-Kapitalgesellschaft erwarb. Der Kläger beteiligte sich mit einer Einlage von 25.000€ an der KG und war durch diese vermittelt mit ca. 0,15% an der S-Kapitalgesellschaft beteiligt. Nachdem die Y-AG erfolgreich an die Börse gebracht wurde, schied die Manager-KG wieder aus der S-Kapitalgesellschaft aus und erhielt dafür die ihrem Anteil entsprechenden Aktien an der Y-AG. Der Kläger erhielt, entsprechend seiner Beteiligung, Aktien der Y-AG im Wert von über 3 Mio. €. Das Finanzamt behandelte die Differenz aus Aktienwert und Kommanditeinlage als steuerpflichtigen Arbeitslohn.

Der BFH erteilte der Auffassung des Finanzamts eine Absage. Auch ein durch Dritte gewährter Vorteil könne, soweit dieser durch das Arbeitsverhältnis veranlasst ist, zu Arbeitslohn führen. Beruhe der zugewendete Vorteil auf anderen (Sonder-)Rechtsbeziehungen scheide die Annahme von Arbeitslohn dagegen aus. Es sei zwar nicht streitig, dass dem Kläger die Beteiligung nur aufgrund seines Arbeitsverhältnisses angeboten worden sei. Ein Vorteil, der zu steuerbarem Arbeitslohn führe, sei aber nur insoweit zu bejahen, als die Beteiligung verbilligt eingeräumt worden sei (Differenz des tatsächlichen Werts der KG-Beteiligung zu den Anschaffungskosten der Beteiligung). Ob der Arbeitnehmer die Beteiligung an der Manager-KG verbilligt erlangt habe, könne dahinstehen, da dieser Vorgang im Steuerbescheid des Vorjahres zu erfassen gewesen wäre, dieser jedoch nicht Gegenstand des Rechtsstreits sei. Die Beteiligung an der Manager-KG und die dadurch vermittelte Beteiligung an der S-Kapitalgesellschaft, sei zivilrechtlich wirksam begründet worden. Daher liege eine vom Arbeitsverhältnis unabhängige Einkunftsquelle vor. Die daraus fließenden Einnahmen - hier der marktübliche Veräußerungserlös durch den Tausch der Anteile der S-Kapitalgesellschaft gegen die Aktien der Y-AG - seien daher nur nach den dafür einschlägigen Tatbeständen des EStG steuerbar. Nur wenn den Managern im Verhältnis zu den Drittinvestoren ein marktunüblicher Überpreis - hier ein gemessen an ihrer Beteiligung überhöhtes Aktienpaket - gewährt worden wäre, hätte in Höhe des Überpreises steuerbarer Arbeitslohn vorgelegen. Davon sei im Fall des Klägers jedoch nicht auszugehen gewesen. Der Veräußerungsgewinn im Jahr 2007 wurde, so der Bundesfinanzhof abschließend, auch nach Auffassung des Finanzamts von keinem anderen Steuertatbestand erfasst. Der Gewinn sei im Ergebnis steuerfrei.

Ab 2018 seien derartige Veräußerungserlöse als Einkünfte aus Kapitalvermögen zu versteuern; allerdings nur mit dem gesonderten Steuertarif von 25%. Die Attraktivität derartiger Beteiligungsmodelle werde damit eingeschränkt, verliere aber angesichts des regelmäßig höheren individuellen Steuersatzes der an solchen Gestaltungen beteiligten Führungskräfte nicht an Attraktivität.

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202410021/

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news-25199 Fri, 01 Mar 2024 10:17:43 +0100 Urteil der Woche (KW 09) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=25199&cHash=271d80511d20fc78bce1d3cf9682165f Das heutige Urteil der Woche kommt aus Niedersachsen! Das FG Niedersachsen hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob eine Influcencerin Aufwendungen für Kleidung und Accessoires als Betriebsausgaben geltend machen kann.

Klägerin im vorliegenden Fall ist eine Influencerin/ Bloggerin, die eine Website und verschiedene Social-Media-Kanäle betreibt. Die Einnahmen aus dieser Tätigkeit erklärte sie als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Neben Waren, die die Klägerin von Firmen erhält, um Werbung dafür zu machen, kauft sie außerdem regelmäßig diverse Designer-Kleidungsstücke und -Accessoires, um sie für ihren Social-Media-Auftritt zu nutzen. Im Rahmen einer Außenprüfung beantragte die Klägerin daher, jährlich 40 % der bisher steuerlich nicht erfassten Kosten für Kleidung und Accessoires, die für die Beiträge auf dem Blog der Klägerin angeschafft wurden, als Betriebsausgaben zu berücksichtigen. Die Gegenstände seien Arbeitsmaterialien, die sie zur Generierung von Einnahmen zwingend brauche. Privat weitergenutzt habe sie die Klamotten und Accessoires in der Regel nicht. Jedenfalls 40 % der Kosten seien als Betriebsausgaben zu erfassen. Das Finanzamt lehnte dies unter Verweis auf § 12 Nr. 1 EStG ab und verwehrte den Betriebsausgabenabzug.

Das FG wies die Klage als unbegründet zurück. Die Aufwendungen der Klägerin für Kleidung und Accessoires seien keine Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG), sondern Kosten der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 EStG). Bei gewöhnlicher bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires sei eine Trennung zwischen privater und betrieblicher Sphäre nicht möglich. Aus § 12 Nr. 1 EStG folge insoweit ein Abzugsverbot für Aufwendungen für die Lebensführung der Steuerpflichtigen, die ihre wirtschaftliche oder gesellschaftliche Stellung mit sich bringt, auch wenn die Aufwendungen zur Förderung des Berufs oder der Tätigkeit der Steuerpflichtigen erfolgen. Es komme hierbei nicht darauf an, wie die Klägerin die Gegenstände konkret genutzt habe, da allein die naheliegende Möglichkeit der Privatnutzung von bürgerlicher Kleidung und Mode-Accessoires dazu führe, dass eine steuerliche Berücksichtigung ausgeschlossen sei. Ebenfalls handele es sich bei den erworbenen Gegenständen nicht um typische Berufskleidung, für die ein Betriebsausgabenabzug möglich wäre. Eine steuerliche Berücksichtigung erfolge nur für solche Kleidungsstücke, die nach ihrer Beschaffenheit objektiv nahezu ausschließlich für die berufliche Nutzung bestimmt und geeignet und wegen der Eigenart des Berufs nötig seien bzw. bei denen die berufliche Verwendungsbestimmung bereits aus ihrer Beschaffenheit entweder durch ihre Unterscheidungs- oder ihre Schutzfunktion folge. Der Beruf der Influencerin bzw. Bloggerin sei insoweit nicht anders zu beurteilen als sonstige Berufe.

 

https://voris.wolterskluwer-online.de/browse/document/9630c23e-41f7-434b-910c-a336f71ba7da

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news-25078 Fri, 02 Feb 2024 11:39:53 +0100 Urteil der Woche (KW 05) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=25078&cHash=b536915869497aa606940561600c9dff Das heutige Urteil der Woche kommt – wie bereits in der Vorwoche – aus Karlsruhe! Fraglich war, ob der BFH verfassungsrechtlich dazu verpflichtet war, die Frage, ob seine Auslegung des § 1 Abs. 1 AStG gegen Unionsrecht verstößt, dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.

Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall ist eine inländische OHG, an der ausschließlich juristische Personen beteiligt waren. Die Beschwerdeführerin war Alleingesellschafterin einer italienischen Kapitalgesellschaft (A). Die OHG gewährte der A nicht besicherte Forderungen, die verzinst wurden. In den Streitjahren verzichtete die OHG gegen Besserungsschein auf einen Teil ihrer Forderungen gegenüber A. Der wertlos gewordene Teil der Forderungen wurde gewinnmindernd in der Buchführung der OHG berücksichtigt. Mit Urteil vom 14.08.2019 (I R 34/18) hatte der BFH entschieden, dass die gewinnmindernde Ausbuchung der Forderungen durch eine außerbilanzielle Hinzurechnung nach § 1 Abs. 1 AStG zu korrigieren sei. Die Einkünftekorrektur sei im Streitfall nicht nach Art. 9 Abs. 1 OECD-MA gesperrt. Die Nichtbesicherung der Forderung sei nicht fremdüblich. Auch aus dem sog. Konzernrückhalt ergebe sich insoweit keine Abweichung. Darüber hinaus stehe die Einkünftekorrektur im Einklang mit dem Unionsrecht. Hiergegen richtet sich die Verfassungsbeschwerde.

Das BVerfG gab der Verfassungsbeschwerde statt. Der BFH habe das Recht der Beschwerdeführerin auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG) verletzt, weil er trotz der unvollständigen Rechtsprechung des EuGH zu den Anforderungen der Niederlassungsfreiheit im Hinblick auf die im Streitfall vereinbarten Bedingungen eine zweifelsfrei geklärte Rechtslage ohne hinreichende sachliche Begründung bejaht habe. Die vom BFH nach § 1 Abs. 1 AStG vorgenommene Einkünftekorrektur stelle, eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit dar. Die damit verbundene Ungleichbehandlung sei aber nur statthaft, wenn sie durch unionsrechtlich anerkannte zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. Als zwingender Grund des Allgemeininteresses komme die Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten in Frage. Weder die Nichtbesicherung der Darlehensforderung noch ein späterer Forderungsverzicht gegen Besserungsschein führe ohne Weiteres zu einer Übertragung von Gewinnen, also zu einem unversteuerten „Hinaustransferieren“ von Gewinnen, das geeignet sein könnte, eine ausgewogene Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu beeinträchtigen. Sofern der Verdacht bestehe, dass ein geschäftlicher Vorgang über das hinausgeht, was die betreffenden Gesellschaften unter Marktbedingungen vereinbart hätten, habe der BFH dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit einzuräumen, Beweise für etwaige wirtschaftliche Gründe für den Abschluss dieses Geschäfts beizubringen, die nicht fremdübliche Bedingungen rechtfertigen können. Nach Auffassung des EuGH seien wirtschaftliche Gründe für den Abschluss eines fremdunüblichen Geschäfts gerade dann gegeben, wenn eine Tochtergesellschaft auf die Zuführung von Kapital angewiesen sei, weil sie über kein ausreichendes Eigenkapital verfüge. Eine nationale Regelung zur Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis sei nur erforderlich, soweit sich die steuerliche Berichtigung auf den Teil beschränke, der über das hinausgeht, was die betreffenden Gesellschaften unter Marktbedingungen vereinbart hätten. Es sei nicht verständlich, weshalb der BFH für den von § 1 Abs. 1 AStG gebotenen Fremdvergleich ohne Weiteres von einer Vollbesicherung der Darlehensgewährung ausgehe. Abschließend sei die Annahme eines „acte clair“ oder eines „acte éclairé nicht nachvollziehbar. Das BFH-Urteil wird aufgehoben und die Sache an den BFH zurückverwiesen.

https://www.bverfg.de/e/rk20231108_2bvr107920.html

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news-25057 Fri, 26 Jan 2024 12:23:47 +0100 Urteil der Woche (KW 04) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=25057&cHash=51248359b0b497fde2ad5e3f4e9e5bd3 Das heutige Urteil der Woche kommt ausnahmsweise vom BVerfG! Das BVerfG hatte sich mit der Frage zu beschäftigen, ob der § 6 Abs. 5 S. 3 EStG mit dem Grundgesetz vereinbar ist, soweit eine Buchwertübertragung zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht vorgesehen ist.

Kläger im vorliegenden Fall ist eine gewerblich tätige GmbH & Co. KG, die zwei bebaute Grundstücke aus ihrem Gesamthandsvermögen an eine beteiligungsidentische Schwesterpersonengesellschaft veräußerte. Der Kaufpreis der beiden Grundstücke entsprach dem bilanziellen Buchwert. Die Klägerin behandelte den Veräußerungsvorgang erfolgsneutral. Das Finanzamt war hingegen der Auffassung, dass die Veräußerung zu einer vollständigen Aufdeckung der in den Grundstücken enthaltenen stillen Reserven geführt habe und berücksichtigte einen entsprechenden Gewinn. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Auf die Revision des Finanzamts hat der BFH das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage vorgelegt, ob § 6 Abs. 5 S. 3 EStG in der Fassung des UntStFG insoweit gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt, als danach eine Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften nicht zum Buchwert möglich sei.

Das BVerfG kam zu dem Schluss, dass § 6 Abs. 5 S. 3 EStG in der Fassung des UntStFG gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Der Transfer eines Einzelwirtschaftsguts zwischen den Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften könne nicht unter das Tatbestandsmerkmal der „Überführung“ zwischen zwei Betriebsvermögen desselben Steuerpflichtigen im Sinne des § 6 Abs. 5 S. 1 EStG subsumiert werden. § 6 Abs. 5 S. 3 EStG könne ebenfalls nicht dahingehend ausgelegt werden, dass der Transfer von Einzelwirtschaftsgütern zwischen den Gesamthandsvermögen von beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften von der Erstreckung der Buchwertübertragung auf weitere Fallgruppen erfasst sei. Der Wortlaut und die Entstehungsgeschichte der Norm spreche gegen eine solche Auslegung. Eine analoge Anwendung von § 6 Abs. 5 EStG scheide ebenfalls aus: es fehle an einer planwidrigen Regelungslücke, da die Frage der Buchwertübertragung von Einzelwirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften im Gesetzgebungsverfahren mehrmals diskutiert worden, eine gesetzliche Regelung jedoch nicht zustande gekommen sei. Ein Wirtschaftsguttransfer zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften habe damit die Aufdeckung stiller Reserven zur Folge, obwohl es sich dabei ebenfalls um einen Wirtschaftsguttransfer im Kreis der Mitunternehmerschaft handele. Diese Benachteiligung der Übertragung von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Personengesellschaften verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG, da keine sachlichen Gründe für eine Ungleichbehandlung ersichtlich seien.

Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, rückwirkend für Übertragungsvorgänge nach dem 31. Dezember 2000 eine Neuregelung zu treffen. Bis zu deren Inkrafttreten bleibt § 6 Abs. 5 S. 3 EStG mit der Maßgabe anwendbar, dass die Regelung auch für den Transfer von Wirtschaftsgütern zwischen beteiligungsidentischen Schwesterpersonengesellschaften gilt.

www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2023/11/ls20231128_2bvl000813.html

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news-25030 Fri, 19 Jan 2024 09:27:37 +0100 Urteil der Woche (KW 03) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=25030&cHash=89b819c229e85f7238a6a8e406ca7246 Im heutigen Urteil der Woche beschäftigen wir uns mit zwei Entscheidungen des FG Köln. Hierbei hatte das Gericht zu entscheiden, ob es sich bei Zahlungen in Höhe von 50.000 €, bzw. 1,3 Mio. € noch um steuerfreies Trinkgeld iSd § 3 Nr. 51 EStG handelt.

Kläger im vorliegenden Fall sind zwei Prokuristen einer GmbH. Ein an der GmbH beteiligtes Unternehmen zahlte den Prokuristen 50.000 €, bzw. rund 1,3 Mio. € und bezeichnete die Zahlungen als „Trinkgeld“. Im Rahmen ihrer Einkommensteuererklärung behandelten die Prokuristen die erhaltenen Zahlungen als steuerfreie Trinkgelder iSd § 3 Nr. 51 EStG. Sie argumentierten, dass die Beträge im Zusammenhang mit Beteiligungsveräußerungen von einem Dritten freiwillig und ohne einen Rechtsanspruch zusätzlich zu ihrem Arbeitslohn gewährt worden seien. Das Finanzamt behandelte die Zahlungen hingegen als steuerpflichtigen Arbeitslohn, mit der Begründung, freiwillige Sonderzahlungen konzernverbundener Unternehmen seien keine steuerfreien Trinkgelder. Die Vorschrift enthalte zwar keine betragsmäßige Begrenzung des Trinkgelds, gleichwohl sei die Höhe der Zahlungen nicht mehr als Trinkgelder anzusehen.

Die Klagen hatten keinen Erfolg. Das FG kam zu dem Schluss, dass es sich nicht um steuerfreie Trinkgelder handelt. Die Zahlungen seien schon aufgrund ihrer Höhe, aber auch mit Blick auf die Gesamtumstände keine steuerfreien Trinkgelder. Auch wenn der Gesetzgeber im Jahr 2002 die damals noch enthaltene Freibetragsgrenze in Höhe von 1.224 Euro abgeschafft habe, habe er nicht beabsichtigt, dem Begriff des Trinkgelds keinerlei betragsmäßige Begrenzung mehr zuzuschreiben. Die Zahlungen in Höhe von 50.000 € beziehungsweise rund 1,3 Mio. € überstiegen jedenfalls deutlich den Rahmen dessen, was nach dem allgemeinen Begriffsverständnis als Trinkgeld verstanden werden könne.

www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/koeln/j2022/9_K_2507_20_Urteil_20221214.html
www.justiz.nrw.de/nrwe/fgs/koeln/j2022/9_K_2814_20_Urteil_20221214.html

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news-25007 Fri, 12 Jan 2024 10:19:19 +0100 Urteil der Woche (KW 02) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=25007&cHash=97908b2bf7dde64e25cd88dcf4fcefa4 Im heutigen Urteil der Woche hatte sich der BFH mit der Frage zu beschäftigen, ob das "Verklicken" beim Import von steuerlichen Daten in das ELSTER-Portal ein korrigierbarer Schreibfehler iSd § 173a AO ist.

Kläger im vorliegenden Fall ist ein Ehepaar, welches im Jahr 2018 zusammen zur ESt veranlagt wurde. Im August 2019 übermittelten die Kläger eine ESt-Erklärung 2018 über das Portal „ELSTER Formular“. Die Erklärung wurde antragsgemäß durch das FA veranlagt. Am 25.10.2019 übermittelten die Kläger erneut eine ESt-Erklärung 2018 mittels authentifiziertem Verfahren („Mein ELSTER“). Hierbei unterlief den Klägern ein Fehler: irrtümlicherweise wurden die Daten und Zahlen des Vorjahres 2017 in das Formular eingefügt, wodurch sich die Höhe der Einkünfte veränderte. In der Annahme, es handele sich um eine korrigierte Erklärung, erließ das FA einen geänderten Bescheid und erhöhte die Einkommensteuer. Die Kläger entrichteten den Nachzahlungsbetrag und legten zunächst keinen Einspruch ein. Erst im Mai 2020 beantragten die Kläger die Aufhebung des Änderungsbescheides.

Der BFH wies die Klage ab. Eine Änderung des Bescheides nach § 173a AO komme nicht in Betracht. Nach § 173a AO sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit dem Steuerpflichtigen bei Erstellung seiner Steuererklärung Schreib- oder Rechenfehler unterlaufen sind und er deshalb der Finanzbehörde bestimmte, nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt des Erlasses des Steuerbescheids rechtserhebliche Tatsachen unzutreffend mitgeteilt hat. Es handele sich im vorliegenden Fall jedoch nicht um einen Schreibfehler. Der Fehler der Kläger bestehe darin, den falschen digitalen Ordner der Festplatte ihres Computers "angeklickt" und falsche Daten exportiert zu haben. Dieser Fehler entspreche einer inhaltlich unzutreffenden Befüllung eines analogen Steuererklärungsformulars. In einem solchen Fall unterlaufe dem Steuerpflichtigen kein Schreibfehler, da er genau das, was er schreibt, auch schreiben will und lediglich über die inhaltliche Richtigkeit seiner Erklärung irre. Es handele sich vielmehr um eine ähnliche offenbare Unrichtigkeit, die jedoch, gem. dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift, nicht von § 173a AO erfasst werde. Andere Korrekturvorschriften seien ebenfalls nicht einschlägig.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202310215/

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news-24623 Fri, 01 Sep 2023 11:37:22 +0200 Urteil der Woche (KW 35) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=24623&cHash=238d03714b7b28777336a7ed2f0093b4 Das heutige Urteil der Woche des BFH (I R 55/19) beschäftigt sich mit dem Merkmal der "nur vorübergehenden Abwesenheit" i.S.d § 6 AStG.

Kläger im vorliegenden Fall ist ein Steuerpflichtiger, der im Jahr 2014 seinen inländischen Wohnsitz/ gewöhnlichen Aufenthalt aufgegeben hat und nach Dubai gezogen ist. Zum Zeitpunkt des Wegzugs war er an mehreren inländischen Kapitalgesellschaften mehrheitlich beteiligt. Bereits zwei Jahre später begründete der Kläger seinen gewöhnlichen Aufenthalt wieder in Deutschland. Das FA berücksichtigte für das Wegzugsjahr 2014 steuerpflichtige fiktive Veräußerungsgewinne i.S.d. § 17 EStG gem. § 6 Abs. 1 S. 1 AStG. Die Voraussetzungen für ein Entfallen der Wegzugsbesteuerung wegen nur vorübergehender Abwesenheit gem. § 6 Abs. 3 AStG seien nicht erfüllt. Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Er war der Auffassung, dass die Wegzugsbesteuerung durch seine Rückkehr nach Deutschland in 2016 rückwirkend entfallen müsse. Das FA wies den Einspruch mit der Begründung zurück, dass der Kläger seine Rückkehrabsicht im Zeitpunkt seines Wegzugs nicht glaubhaft gemacht habe. Auch mit seiner Klage vor dem FG Münster hatte der Kläger keinen Erfolg.

Der BFH gab der Klage statt und erteilte seiner Vorinstanz eine Absage. Im Streitfall seien die Voraussetzungen der Wegzugsbesteuerung gem. § 6 Abs. 1 S. 1 AStG gegeben. Beruht die Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht jedoch auf einer "vorübergehenden Abwesenheit" und wird der Steuerpflichtige innerhalb von fünf Jahren seit Beendigung der unbeschränkten Steuerpflicht wieder unbeschränkt steuerpflichtig, entfällt die Wegzugsbesteuerung nach § 6 Abs. 3 AStG. Die Annahme einer solchen “vorübergehenden Abwesenheit” war bisher umstritten. Nach der „subjektiven Theorie“ sei für das Merkmal der vorübergehenden Abwesenheit entscheidend, dass bei Wegzug der Wille zur Rückkehr, bzw. der Wille, wieder unbeschränkt steuerpflichtig zu werden, bestehe und dieser glaubhaft gemacht werde. Der BFH schloss sich jedoch der herrschenden Literaturmeinung an, welche besagt, dass für das Entfallen der Wegzugsbesteuerung die fristgerechte Rückkehr des Steuerpflichtigen innerhalb des maßgebenden 5-Jahres-Zeitraums ausreichend sei. Auch wenn man aus dem Tatbestandsmerkmal der „lediglich vorübergehenden Abwesenheit“ das Erfordernis einer Rückkehrabsicht ableite, gebe der Gesetzeswortlaut zum Zeitpunkt der entsprechenden Willensbildung keine Auskunft. Erst im Sonderfall des § 6 Abs. 3 Satz 2 AStG (einzelfallbezogene Verlängerung der Rückausnahmemöglichkeit) ordne das Gesetz eine solche Rückkehrabsicht ausdrücklich an. Der Rückkehrwille nach § 6 Abs. 3 Satz 1 AStG könne somit auch im Laufe des gesetzlichen Rückkehrzeitraums gebildet worden sein. Eine Wegzugsbesteuerung sei im vorliegenden Fall nicht vorzunehmen.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202310080/

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news-24542 Sat, 22 Jul 2023 14:43:39 +0200 Urteil der Woche (KW 29) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=24542&cHash=95c2c3270e3989219e4eda349adaf420 Mit dem Online-Pokerspielen einkommensteuerpflichtige Einkünfte erzielen? Geht das? Diese Frage beantwortet uns der BFH in unserem aktuellen Urteil der Woche (X R 8/21).

Kläger im vorliegenden Fall ist ein Mathematikstudent, der im Jahr 2007 mit Online-Poker begonnen hat. Nach anfänglich kleineren Einsätzen und Gewinnen, investierte er allmählich immer mehr Geld und Zeit, sodass er im Jahr 2009 bereits einen Gewinn von über 80.000 € erzielte. Das FA versteuerte den Gewinn vollumfänglich als Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Hiergegen wehrte sich der Kläger. Beim Online-Poker handele es sich um Glücksspiel, welches keine Steuerpflicht auslöse. Vor dem FG hatte der Kläger teilweise Erfolg: demnach sei der Kläger erst ab Oktober 2009 gewerblich tätig gewesen und habe (nur noch) einen Gewinn von ca. 60.000 € zu versteuern. Nach Auffassung des FG könne Online-Poker sehr wohl gewerbsmäßig betrieben werden.

Der BFH bestätigte das Urteil seiner Vorinstanz. In Anknüpfung an frühere Entscheidungen zum Pokerspiel vertrat er auch für die Online-Variante die Ansicht, dass es sich nicht um reines Glücksspiel handele, sondern durch Geschicklichkeitselemente gekennzeichnet sei. Für die Annahme einer Steuerpflicht müsse jedoch eine Abgrenzung zu (nicht steuerpflichtigen) Freizeit- und Hobbyspielern erfolgen. Sofern es dem Spieler nicht mehr nur um die Befriedigung seiner Spielbedürfnisse gehe, sondern um die Erzielung von Einkünften, handele es sich um eine gewerbliche Tätigkeit. Maßgeblich sei eine Vergleichbarkeit zu Gewerbetreibenden bzw. Berufsspielern, zB im Hinblick auf die Planmäßigkeit des Handelns, zeitlichem Umfang, investiertem Geld und die Ausnutzung eines Marktes. Unter anderem durch den hohen Zeiteinsatz von 26 Wochenstunden und den erzielten Gewinn in Höhe von 60.000 € in drei Monaten, sei das Handeln des Klägers als gewerblich anzusehen.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202310129/

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news-24525 Fri, 14 Jul 2023 11:16:43 +0200 Urteil der Woche (KW 28) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=24525&cHash=ab30b1a0758cb93eb8b0ad1bea40ed34 Im heutigen Urteil der Woche beschäftigen wir uns ausnahmsweise mit einem Urteil des BGH. In seinem Beschluss vom 28.03.2023 (II ZB 11/22) hatte das höchste deutsche Zivilgericht zu entscheiden, ob die steuerliche Beratungen durch Studierende im Rahmen einer sog. Tax Law Clinic zulässig ist.

Kläger im vorliegenden Fall ist die Tax Law Clinic Hannover e.V. (in Gründung). Das AG Hannover sowie das OLG Celle verweigerten die Eintragung des Vereins in das Vereinsregister auf Grund eines Verstoßes gegen § 5 Steuerberatungsgesetz (StBerG), wonach eine steuerliche Beratung nur durch den gesetzlich bestimmten Personenkreis erfolgen darf. Es liege ein gesetzeswidriger Satzungszweck vor. Hiergegen legte der Verein Beschwerde beim BGH ein. Er argumentierte mit Verweis auf § 6 Abs. 2 Rechtsdienstleistungsgesetz RDG, nach dem es möglich sein müsse, dass Studierende in der Tax Law Clinic unter Anleitung von qualifizierten Fachleuten, eine Rechtsberatung vornehmen. Der Verein berief sich außerdem darauf, dass das Verbot im StBerG verfassungswidrig sei.

Der BGH wies die Rechtsbeschwerde als unbegründet zurück. Im Gegensatz zu Law Clinics in anderen Rechtsgebieten verstoße der Satzungszweck des klagenden Vereins gegen das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen nach § 5 StBerG, auch eine Ausnahme von dem Verbot nach § 6 StBerG bestehe nicht. Nach dem StBerG gehören Studierende nicht zu demjenigen Personenkreis, der steuerliche Beratungen anbieten dürfe. Das Verbot des § 5 StBerG genieße Vorrang vor der Vorschrift des § 6 RDG. Der Verein könne somit nicht eingetragen werden, weil seine Satzung gemäß § 134 BGB nichtig sei. Auch sei das Verbot des § 5 StBerG nicht verfassungswidrig. Die weitergehende Einschränkung unentgeltlicher geschäftsmäßiger Hilfedienstleistung in Steuersachen sei durch den bezweckten, im Interesse der Allgemeinheit liegenden Schutz der Steuerrechtspflege, d.h. des Steueraufkommens und der Steuermoral geboten.

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news-24505 Fri, 07 Jul 2023 12:33:58 +0200 Urteil der Woche (KW 27) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=24505&cHash=42be5d2bdcffbbd5b77c0781a9269b51 Im heutigen Urteil der Woche (IX R 15/20) hat sich der BFH mit der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlages in den Jahren 2020 und 2021 beschäftigt.

Kläger im vorliegenden Fall sind Eheleute, welche in den Jahren 2020 und 2021 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt wurden. Das Finanzamt hatte für das Jahr 2020 einen Bescheid über 2.078 € und für das Jahr 2021 einen Vorauszahlungsbescheid über insgesamt 57 € Solidaritätszuschlag erlassen. Gegen diese Festsetzungen richteten die Eheleute ihre Klage. Das Finanzgericht gab den Klägern jedoch eine Absage. Im Rahmen der vor dem BFH eingelegten Revision beriefen sich die Kläger auf das Auslaufen des Solidarpakts II. Der Solidaritätszuschlag dürfe als Ergänzungsabgabe nur ausnahmsweise zur Abdeckung von Bedarfsspitzen erhoben werden. Sein Ausnahmecharakter verbiete eine dauerhafte Erhebung. Der Solidaritätszuschlag in seiner im Jahr 2021 in Kraft getretenen Form verstoße außerdem gegen den im GG verankerten Gleichheitsgrundsatz, da es sich um eine gleichheitswidrige "Reichensteuer" handele.

Der BFH wies die Klage ab und entschied, dass der Solidaritätszuschlag in den Jahren 2020 und 2021 noch nicht verfassungswidrig war. Eine Ergänzungsabgabe (Art. 106 Abs. 1 Nr. 6 GG) habe die Funktion, einen zusätzlichen Finanzbedarf des Bundes ohne Erhöhung der übrigen Steuern zu decken. Eine zunächst verfassungsgemäß beschlossene Ergänzungsabgabe könne dann verfassungswidrig werden, wenn sich die Verhältnisse, die für ihre Einführung maßgeblich waren, grundsätzlich ändern oder wenn eine dauerhafte Finanzierungslücke entstanden ist. Der Solidaritätszuschlag sollte bei seiner Einführung im Jahr 1995 der Abdeckung der im Zusammenhang mit der deutschen Vereinigung entstandenen finanziellen Lasten dienen. Auch in den Jahren 2020 und 2021 habe nach wie vor ein durch die Wiedervereinigung verursachter Finanzbedarf des Bundes bestanden.

Der Solidaritätszuschlag verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Ab dem Jahr 2021 werden aufgrund der erhöhten Freigrenzen nur noch die Bezieher höherer Einkommen mit Solidaritätszuschlag belastet. Die darin liegende Ungleichbehandlung sei aber gerechtfertigt, da bei Steuern, die an der Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen ausgerichtet sind, die Berücksichtigung sozialer Gesichtspunkte zulässig sei. Die ab 2021 bestehende Staffelung des Solidaritätszuschlags sei mit Blick auf das Sozialstaatsprinzip des Grundgesetzes gerechtfertigt.

 

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news-23649 Tue, 04 Oct 2022 13:21:16 +0200 Urteil der Woche (KW 40) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=23649&cHash=1c5ef22ada06dc2ee3068263a42c4d44 Im heutigen Urteil der Woche (IX R 27/18) hatte sich der BFH mit der Frage der Wirksamkeit von Steuerbescheiden, die nach Eröffnung eines Insolvenzverfahrens ergehen, zu beschäftigen.

Kläger im vorliegenden Fall ist der Insolvenzverwalter eines Gesellschafters. Die Person war im Streitjahr (2014) Alleingesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Diese GmbH war wiederum Alleingesellschafterin einer zweiten GmbH. Die zweite GmbH beantragte im Streitjahr die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, welches im Februar 2015 eröffnet wurde. Die erste GmbH beantragte ebenfalls die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens, jedoch wurde dieses mangels Masse abgelehnt. Über das Vermögen des Gesellschafters wurde im April 2015 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger als Insolvenzverwalter bestellt. Im August 2015 reichte der Kläger die Einkommensteuererklärung 2014 beim FA ein. Der Bescheid wurde antragsgemäß erlassen und eine Steuer in Höhe von 28.942 € festgesetzt. Nach Berücksichtigung der Steuerabzugsbeträge ergab sich ein Erstattungsbetrag in Höhe von 2.454 €. Die Bekanntgabe fand gegenüber dem Kläger statt. Der Kläger wehrte sich gegen den Bescheid. Er begründete seine Klage damit, dass Bescheide, die nach der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens erlassen werden, nichtig seien.

Der BFH bestätigte das Urteil der Vorinstanz und verneinte die Nichtigkeit des Bescheides. Ein Steuerbescheid über einen Steueranspruch sei nichtig, sofern er eine Insolvenzforderung betreffe (§ 251 Abs. 2 S. 1 AO i.V.m. § 87 InsO). Ausgenommen hiervon seien jedoch Null-Bescheide (festgesetzte Steuer = 0 €) oder Bescheide mit einer negativen Umsatzsteuer. Mangels Steuerschuld fehle es an einem Vermögensanspruch gegen die Insolvenzmasse, der zur Tabelle anzumelden wäre. Darüber hinaus kam der BFH zu dem Schluss, dass Steuerbescheide, die nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergehen, wirksam sind, wenn sich unter Berücksichtigung von Anrechnungsbeträgen insgesamt ein Erstattungsbetrag ergibt. Das Finanzamt habe mit einem solchen Erstattungsbescheid keine Insolvenzforderung festgesetzt, die zur Tabelle anzumelden wäre. Für die Frage, ob eine anzumeldende Insolvenzforderung bestehe, sei auf den Saldo aus der festgesetzten Steuer und den Steuerabzugsbeträgen abzustellen.

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news-23599 Tue, 20 Sep 2022 16:41:27 +0200 Urteil der Woche (KW 38) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=23599&cHash=25d7fd4c1f5b44ddb6e97cc7697b700b Im heutigen Urteil der Woche (II R 1/21) beschäftigt sich der BFH mit der Frage, ob die Erbschaftsteuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG entfällt, wenn die Selbstnutzung des Familienheims auf Grund von gesundheitlichen Gründen frühzeitig beendet wird.

Die Klägerin wurde nach dem Tod ihres Ehemannes Alleineigentümerin des von den Eheleuten gemeinsam bewohnten Einfamilienhauses. Zunächst nutzte sie das Haus weiterhin selbst. Nach knapp zwei Jahren veräußerte sie das Haus und zog in eine Eigentumswohnung. Das Finanzamt lehnte die Steuerbefreiung für ein Familienhaus (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG) wegen Aufgabe der Selbstnutzung innerhalb des 10-Jahres-Zeitraums ab. Hiergegen wehrte sich die Klägerin. Sie begründet ihre Klage damit, dass sie das Haus wegen einer depressiven Erkrankung, die sich nach dem Tod des Ehemannes durch die Umgebung des ehemals gemeinsam bewohnten Hauses verschlechtert habe, auf ärztlichen Rat verlassen habe. Die Umgebung des ehemals gemeinsamen Hauses lasse psychische Folgeschäden erwarten. Das FG war der Ansicht, es habe keine zwingenden Gründe für den Auszug gegeben, da die Führung eines Haushaltes für die Klägerin nicht schlechthin unmöglich gewesen sei.

Der BFH hat das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen. Grundsätzlich setze die Steuerbefreiung des § 13 Abs. 1 Nr. 4b ErbStG voraus, dass der Erbe für zehn Jahre das geerbte Familienheim selbst nutzt, es sei denn, er ist aus "zwingenden Gründen" daran gehindert (§ 13 Abs. 1 Nr. 4b S. 5 ErbStG). Die Hinderungsgründe müssen sich auf die Selbstnutzung des vorliegenden Familienheims beziehen. Ob der Erwerber an einem anderen Ort einen Haushalt führen kann, sei nicht entscheidend. Zwingende Gründe beschränken sich zudem nicht auf Fälle der Unmöglichkeit: der Erwerber sei aus zwingenden Gründen an einer Selbstnutzung gehindert, wenn ihm diese unter den konkreten Umständen objektiv unmöglich oder unzumutbar werde. Gründe der Unzumutbarkeit seien beispielsweise gesundheitliche Gründe, wenn der Erwerber im Fall der weiteren Selbstnutzung des Familienheims eine erhebliche Beeinträchtigung seines Gesundheitszustandes zu gewärtigen habe. Das FG hat nun festzustellen, ob die Erkrankung tatsächlich bestand und so beschaffen war, dass sie der Klägerin die weitere Selbstnutzung unzumutbar machte.

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210136/

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news-23571 Tue, 13 Sep 2022 12:00:00 +0200 Urteil der Woche (KW 37) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=23571&cHash=345df70daedbf675be34041f1ca25a7e Im heutigen Urteil der Woche des BFH vom 01.02.2022 (V R 1/20) beschäftigt er sich mit der Frage nach der Gemeinnützigkeit einer Kinderbetreuungseinrichtung.

Klägerin ist eine GmbH, die eine Kinderbetreuungseinrichtung betreibt. Die Klägerin schloss mit verschiedenen Unternehmen Verträge über die Schaffung von Betreuungsplätzen für Kinder der Mitarbeiter der Unternehmen. Hierbei wurde vereinbart, dass auf die Belegungspräferenz der Unternehmen Rücksicht genommen werden sollte, sofern dies mit den gesetzlichen Bestimmungen, behördlichen Auflagen und dem pädagogischen Konzept vereinbar war. Nichtmitarbeiter konnten einen Betreuungsplatz nur in Anspruch nehmen, wenn die Unternehmen aus ihrer Belegschaft keinen Bedarf hatten oder wenn Plätze länger unbelegt blieben. Im Streitzeitraum wurden die Betreuungsplätze nur in geringem Umfang auch mit Kindern von Nichtmitarbeitern belegt. Das Finanzamt, sowie das FG waren der Auffassung, die Klägerin diene nicht gemeinnützigen Zwecken und versagten ihr daher die Befreiung von der Körperschaftssteuer.

Der BFH schloss sich der Ansicht seiner Vorinstanz an und versagte die Gemeinnützigkeit. Nach § 52 Abs. 1 Satz 1 AO verfolgt eine Körperschaft gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit selbstlos zu fördern. Eine Förderung der Allgemeinheit ist nach § 52 Abs. 1 Satz 2 AO nicht gegeben, wenn der Kreis der Personen, dem die Förderung zugutekommt, fest abgeschlossen ist. Wegen der Belegungspräferenz der Vertragsunternehmen kamen die Betreuungsplätze vorrangig den Beschäftigten dieser Unternehmen und damit nicht der Allgemeinheit zugute. Die Klägerin verfolge zudem ebenfalls keine mildtätigen Zwecke (§ 53 AO). Nach § 59 AO wird die Steuervergünstigung nur gewährt, wenn sich aus der Satzung ergibt, welcher Zweck verfolgt wird, dass dieser Zweck den Anforderungen der §§ 52 bis 55 AO entspricht und dass er ausschließlich und unmittelbar verfolgt wird. Die Satzung muss zweifelsfrei erkennen lassen, dass und welche ausschließlich steuerbegünstigten Zwecke der Steuerpflichtige verfolgt. Der Zweck der GmbH ist nach ihrem Gesellschaftsvertrag "die gemeinnützige Förderung der Jugendhilfe sowie der Bildung und Erziehung" und "die Förderung der Altenhilfe". Aufgrund dieser eindeutig auf § 52 AO (gemeinnützige Zwecke) beschränkten Eigenbeschreibung der Zwecke, ist es nicht möglich, die Satzung dahingehend auszulegen, dass die GmbH auch die Verfolgung mildtätiger Zwecke i.S.v. § 53 AO anstrebt.

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news-23556 Tue, 06 Sep 2022 12:00:00 +0200 Urteil der Woche (KW 36) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=23556&cHash=73e4aee4faba0e3a68ff57d2b6bf1e2e Im heutigen Urteil der Woche hat sich der BFH (II R 45/19) mit der Grunderwerbsteuerpflicht bei Erwerb eines Grundstücks mit Weihnachtsbaumbepflanzung beschäftigt.

Der Kläger erwarb Grundstücke mit einem Weihnachtsbaumbestand, der zu gegebener Zeit gefällt und veräußert werden sollte. Die Gegenleistung für den Grundbesitz zum einen und für den Aufwuchs zum anderen wurde im Vertrag gesondert ausgewiesen. Das Finanzamt setzte die Grunderwerbsteuer (GrESt) für den gesamten Kaufpreis fest. Die hiergegen gerichtete Klage vor dem FG hatte Erfolg: das FG bezog den auf den Aufwuchs entfallenden Kaufpreis nicht in die Bemessungsgrundlage mit ein.

Der BFH bestätigte das Urteil des FG. Grundsätzlich gehören alle Leistungen des Erwerbers für das Grundstück zur Bemessungsgrundlage der GrESt. Der Grundstücksbegriff umfasse auch dessen wesentlichen Bestandteile, d.h. die mit dem Grund und Boden fest verbundenen Sachen. Zu diesen wesentlichen Bestandteilen zählen grundsätzlich auch aufstehende Gehölze. Eine Ausnahme hiervon liege jedoch vor, sofern es sich um sog. Scheinbestandteile handele. Diese sind gegeben, wenn sie nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden und von Anfang an dazu bestimmt sind, wieder von dem Grundstück entfernt zu werden. Bei Gehölzen komme es auf die Zweckbestimmung bei Aussaat oder Pflanzung an: die Weihnachtsbaumkultur sei bereits bei Pflanzung dazu bestimmt, als Weihnachtsbäume geschnitten und damit wieder von dem Grundstück entfernt zu werden. Für das Vorliegen von Scheinbestandteilen sei zudem unerheblich, dass das Gehölz bei Entfernung als lebender Organismus zerstört werde oder eine lange Verweildauer zu erwarten sei. Als Bemessungsgrundlage für die GrESt dürfe daher nur die auf den Grund und Boden entfallenden Anteile des Kaufpreises berücksichtigt werden; der Kaufpreisanteil für die Weihnachtsbaumkultur sei außen vor zu lassen.

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news-23461 Tue, 19 Jul 2022 16:27:46 +0200 Urteil der Woche (KW 29) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=23461&cHash=1fc5f19779682486cc08718ace0de81d Im heutigen Urteil der Woche (VIII R 33/18) beschäftigt sich der BFH mit der Frage, ob ein Betriebsausgabenabzug für bürgerliche Kleidung, die ausschließlich bei der Berufsausübung getragen wird, möglich ist.

Kläger im vorliegenden Fall sind Eheleute, welche als selbständige Trauerredner tätig waren. Bei den Gewinnermittlungen machten sie Aufwendungen für die Anschaffung, Änderung, Reparatur und Reinigung von Kleidung (u.a. Anzüge, Hemden, Röcke, Kleider, Mäntel, Blusen, Pullover, Hosen, Jacken, Krawatten, Schals, Schuhe) als Betriebsausgaben geltend. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht lehnten einen Betriebsausgabenabzug ab.

Der BFH bestätigte die Auffassung des FG. Aufwendungen für bürgerliche Kleidung seien als unverzichtbare Aufwendungen der Lebensführung (§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG) grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben nach § 4 Abs. 4 EStG abziehbar und nicht aufteilbar. Der Gesetzgeber habe in § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 6 EStG (Vorschrift ist für den Betriebsausgabenabzug entsprechend anzuwenden) geregelt, dass Aufwendungen für typische Berufskleidung als Werbungskosten abziehbar sind. Vorliegend handele es sich jedoch nicht um Aufwendungen für typische Berufskleidung, sondern um Aufwendungen für Kleidung, deren Benutzung als normale bürgerliche Kleidung im Rahmen des Möglichen und Üblichen liegt bzw. die gewöhnlich privat getragen werden kann. Für diese ist kein Betriebsausgabenabzug zu gewähren, selbst wenn die Kleidung ausschließlich bei der Berufsausübung benutzt oder das Tragen von schwarzer Kleidung von den Trauernden erwartet wird.

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210102/

 

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news-23166 Tue, 12 Jul 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 28) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=23166&cHash=68f7b0c1e94f14ecc50d1525581cb86a In seinem Urteil vom 16.02.2022 (X R 2/21) hatte sich der BFH mit der Frage auseinanderzusetzen, ob bei regelmäßig wiederkehrenden Einnahmen und Ausgaben ein Fälligkeitserfordernis besteht.

Kläger ist ein Gewerbetreibender, der seinen gewerblichen Gewinn durch eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt. Die Umsatzsteuer für die Monate Mai bis Juli 2017 zahlte er mit Verspätung erst am 09.01.2018, machte die Zahlung dennoch als Betriebsausgabe für das Streitjahr 2017 geltend. Das Finanzamt verwehrte ihm den Abzug der Betriebsausgaben mit der Begründung, es lägen keine regelmäßig wiederkehrenden Ausgaben im Sinne des § 11 EStG vor, da die betroffene Umsatzsteuer nicht rund um die Jahreswende 2017/2018, sondern weitaus früher fällig geworden sei. Nach erfolglosem Einspruch sowie Klage vor dem FG, wandte sich der Kläger mit seiner Revision an den BFH.

Der BFH wies die Revision zurück. Es handele sich bei Umsatzsteuerzahlungen grundsätzlich um regelmäßig wiederkehrende Ausgaben i.S.d. § 11 EStG. Der Kläger habe die dem Streitjahr 2017 wirtschaftlich zuzuordnende Umsatzsteuer für die Monate Mai bis Juli auch innerhalb kurzer Zeit nach dem 31.12.2017 gezahlt. Zusätzliche Voraussetzung sei jedoch ebenfalls, dass die jeweilige Ausgabe kurze Zeit vor bzw. nach Ende Jahres der wirtschaftlichen Zugehörigkeit fällig geworden sei. Das Fälligkeitserfordernis ergebe sich aus dem Zweck der des § 11 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 2 EStG, der eine Ausnahme von dem Zu- und Abflussprinzip darstelle. Durch die Regelung sollen steuerliche Zufälligkeiten vermieden werden, die dann entstünden, würde man die Zahlung – je nach Zahlungszeitpunkt – mal in dem einen oder mal in dem anderen Jahr berücksichtigen. Deswegen sei notwendig, dass die Zahlung auch innerhalb des mit zehn Tagen festgelegten kurzen Zeitraums rund um den Jahreswechsel zahlbar – das heißt fällig – geworden sei. Andernfalls könnten Nachzahlungen für bereits längst fällig gewordene Verpflichtungen zu einem vom Zeitpunkt der Zahlung unabhängigen Betriebsausgabenabzug führen.

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210085/

 

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news-23118 Tue, 28 Jun 2022 12:00:00 +0200 Urteil der Woche (KW 26) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=23118&cHash=9121ba8d1b0aac62bc60f7daa9b2db0f Im heutigen Urteil der Woche hat sich der BFH mit der Frage beschäftigt, ob die Vorschrift zur „Wegzugsbesteuerung“ bei unentgeltlichen Anteilsübertragungen auf im Ausland ansässige Steuerpflichtige einschränkend dahingehend auszulegen ist, dass das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste.

Kläger ist ein Vater, der seinem in den USA ansässigen Sohn einen Anteil an einer deutschen GmbH übertragen hat. Das Vermögen der GmbH bestand überwiegend aus im Inland belegenem Grundvermögen, sodass nach dem einschlägigen DBA USA das Besteuerungsrecht an den stillen Reserven der GmbH weiterhin Deutschland zustand. Das FA behandelte die Übertragung als teilentgeltlichen Erwerb und setzte einen steuerpflichtigen Übertragungsgewinn an. Für den unentgeltlichen Teil der Übertragung bejahte es außerdem die Wegzugsbesteuerung nach § 6 AStG und ermittelte noch einen weiteren steuerpflichtigen Übertragungsgewinn. Das FG folgte der Ansicht des FA. Gegen die Besteuerung des unentgeltlichen Teils der Übertragung wehrte sich der Kläger.

Der BFH bestätigte die vorangehende Entscheidung des FG. Er kam zu dem Ergebnis, dass § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 AStG - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht einschränkend dahingehend auszulegen sei, dass durch die unentgeltliche Anteilsübertragung auf einen beschränkt Steuerpflichtigen das Recht Deutschlands zur Besteuerung der in den unentgeltlich übertragenen Anteilen ruhenden stillen Reserven ausgeschlossen oder beschränkt werden müsste. Der Gesetzgeber habe keinen Zweifel daran gelassen, dass er trotz der Reform des Außensteuergesetzes auch weiterhin Fälle in die „Wegzugsbesteuerung“ habe einbeziehen wollen, in denen es nicht zu einem Ausschluss oder einer Beschränkung des deutschen Besteuerungsrechts an Veräußerungsgewinnen komme. Eine entsprechende einengende Auslegung sei aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten, da im Streitfall die den sofortigen Besteuerungszugriff rechtfertigende abstrakte Gefahr bestanden habe, dass die GmbH ihren Charakter als Immobiliengesellschaft verlieren könnte, ohne dass hieran eine Besteuerung in Deutschland geknüpft wäre. Eine einengende Auslegung sei auch nicht unionsrechtlich geboten. Zwar sei der Schutzbereich der Kapitalverkehrsfreiheit einschlägig, jedoch greife der Bestandsschutz der sog. Standstill-Klausel des Art. 64 Abs. 1 AEUV.

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210082/

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news-23013 Tue, 21 Jun 2022 12:39:00 +0200 Urteil der Woche (KW 25) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=23013&cHash=2786d40938f7e72e905fc9853a19b678 Im heutigen Urteil der Woche (Beschl. V. 07.03.2022, XI B 2/21 (AdV)) beschäftigt sich der BFH mit der Frage, ob das in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG im nationalen Recht angeordnete Aufteilungsgebot für Leistungen, die nicht unmittelbar der Vermietung dienen, mit Unionsrecht vereinbar ist.

Die Klägerin ist eine GmbH, die ein Hotel mit Restaurant und Spa betreibt. Strittig ist, ob die verschiedenen Leistungen (Übernachtung, Frühstück, Spa-Behandlungen) als einheitliche Leistungen anzusehen sind und dem ermäßigten Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 11 S. 1 UStG unterliegen. Das FA vertrat die Auffassung, dass Übernachtung, Frühstück und Spa jeweils eigenständige Leistungen seien, von denen die Übernachtung einerseits dem ermäßigten und Frühstück sowie Spa anderseits dem allgemeinen Steuersatz in Höhe von 19 % zu unterwerfen seien. Nach erfolglosem Antrag auf AdV, legte die Klägerin Beschwerde gegen den ablehnenden Beschluss des FG ein, da sie das Aufteilungsgebot des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG unter Verweis auf das EuGH-Urteil vom 18. Januar 2018, C-463/16 „Stadion Amsterdam“ für unionsrechtswidrig hält.

Der BFH sieht die Beschwerde als begründet an und bejaht ernstliche Zweifel am Aufteilungsgebot für Hotelübernachtungen mit Zusatzleistungen. Frühstück und Spa gehören nach der bisherigen BFH-Auffassung zu den Leistungen, die i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG nicht unmittelbar der Vermietung dienen und deshalb von der Steuersatzermäßigung ausgenommen sind. Dies gilt auch, soweit diese weiteren Leistungen als Nebenleistungen zu der ermäßigt zu besteuernden Übernachtungsleistung, der Hauptleistung, erbracht werden. Nach bisheriger Ansicht des BFH hat der nationale Gesetzgeber mit § 12 Abs. 2 Nr. 11 Sätze 1 und 2 UStG von der Ermächtigung in Art. 98 Abs. 1 und 2 i.V.m. Anhang III Kategorie 12 MwStSystRL dadurch Gebrauch gemacht, dass nicht sämtliche "Beherbergungen in Hotels und ähnlichen Einrichtungen" einschließlich der dabei erbrachten Nebenleistungen dem ermäßigten Steuersatz unterworfen werden, sondern nur die Leistungen, die unmittelbar der Vermietung dienen. Nach Ergehen des EuGH-Urteils „Stadion Amsterdam“ sieht der BFH es nun als fraglich an, ob an der bisherigen Rechtsprechung festzuhalten ist. Der EuGH hat hierin entschieden, dass eine einheitliche Leistung, die aus zwei separaten Bestandteilen (Haupt- und einem Nebenbestandteil) bestehe, nur zu dem für den Hauptbestandteil geltenden Mehrwertsteuersatz zu besteuern sei, und zwar auch dann, wenn der Preis jedes Bestandteils bestimmt werden könne. Hieraus könne für das Aufteilungsgebot in § 12 Abs. 2 Nr. 11 Satz 2 UStG folgen, dass bei unselbständigen Nebenleistungen die gesamte einheitliche Leistung dem ermäßigten Steuersatz der Hauptleistung (hier: Übernachtung) zu unterwerfen sei. Der Senat stellt fest, dass jedenfalls ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, nachdem der V. Senat des BFH den EuGH um Vorabentscheidung dazu ersucht hat, ob das nationale Aufteilungsgebot des § 4 Nr. 12 Satz 2 UStG mit Unionsrecht vereinbar ist (BFH v. 26.5.2021, V R 22/20). Angesichts dieser ungeklärten und umstrittenen Rechtslage sei die beantragte AdV zu gewähren.

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news-22950 Tue, 14 Jun 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 24) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22950&cHash=fbd709c10763b23f65b896d66fa74148 Mit Beschluss vom 22.03.2022 (1 BvR 2868/15) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) über die Vereinbarkeit einer sog. Übernachtungssteuer mit dem Grundgesetz entschieden.

Beschwerdeführer sind mehrere Beherbergungsbetriebe aus Hamburg, Bremen und Freiburg, die gegen verschiedene staatliche Akte Verfassungsbeschwerde erhoben. Seit dem Jahr 2005 führten zahlreiche Gemeinden und Städte eine Steuer auf entgeltliche Übernachtungen ein. Hierbei handelt es sich in der Regel um einen niedrigen Prozentsatz des Preises der Übernachtung und wird zumeist bei der Buchung oder Anmeldung im Beherbergungsbetrieb von den Übernachtungsgästen erhoben. Die Beschwerdeführer führten an, dass die jeweiligen Regelungen gegen die Gesetzgebungskompetenz für Aufwandssteuern gem. Art 105 Abs. 2a S. 1 GG verstoßen und zusätzlich eine Verletzung ihrer Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG, ihrer vermögensrechtlichen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG und des Gleichheitsgrundsatzes aus Art. 3 Abs. 1 GG gegeben ist.

Das BVerfG erteilte den Verfassungsbeschwerden eine Absage. Zunächst stellte es fest, dass die der Besteuerung zugrundeliegenden Gesetze der Länder kompetenzgemäß erlassen wurden. Art. 105 Abs. 2a GG sehe vor, dass Aufwandssteuern auf landesrechtlicher Grundlage erhoben werden können, sofern sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Bei der Übernachtungssteuer handele es sich um eine Aufwandsbesteuerung, für den Aufwand, den ein Gast dadurch verursacht, dass er in einer örtlichen Unterkunft übernachtet. Sie sei außerdem keiner bundesgesetzlichen Steuer gleichartig, da eine Besteuerung von Beherbergungsbetrieben durch den Bund nicht stattfinde. Darüber hinaus habe die Übernachtungssteuer keine Lenkungswirkung und könne somit nicht mit steuerpolitischen Zielsetzungen des Bundes in Konflikt geraten. Die Übernachtungssteuer sei ebenso materiell verfassungsgemäß, da entsprechende Eingriffe in die genannten Grundrechte jedenfalls gerechtfertigt seien. Insbesondere seien die Betriebe nicht übermäßig betroffen, da die Beträge an die Gäste weitergegeben werden können. Eine direkte Erhebung bei den Übernachtungsgästen wäre zudem nicht praktikabel.

Das BVerfG ging außerdem noch weiter und wandte sich in seiner Entscheidung gegen das Grundsatzurteil des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) aus 2012 (Az. 9 CN 1.11). Seinerzeit hatte das BVerwG entschieden, dass beruflich veranlasste Übernachtungen von der Übernachtungssteuer auszunehmen seien. Das BVerfG entschied nun, dass der Gesetzgeber von Verfassungswegen nicht dazu gezwungen sei, von einer Besteuerung beruflich veranlasster Übernachtungen abzusehen.

www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2022/03/rs20220322_1bvr286815.html

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news-22939 Tue, 07 Jun 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 23) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22939&cHash=2e0fdb9b5a1ba088dabcee06e42529e5 Der BFH hat mit Urteil vom 21.04.2022 (V R 48/20) seine bisherige Rechtsprechung aufgegeben und entschieden, dass sich Sportvereine gegenüber einer aus dem nationalen Recht folgenden Umsatzsteuerpflicht nicht auf eine allgemeine, aus der Mehrwertsteuersystemrichtlinie (MwStSystRL) abgeleitete Steuerfreiheit berufen können.

Kläger im vorliegenden Fall ist ein Golfclub. Im Streitjahr 2011 erhob er neben den Mitgliedsbeiträgen zusätzlich gesonderte Entgelte für bestimmte Leistungen, wie z.B. die leihweise Überlassung von Golfbällen, die Nutzung des Platzes, Überlassung von Caddys, Durchführung von Golfturnieren, etc. Der Kläger stufte diese Leistungen unter Berufung auf Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL als steuerfrei ein. Das FA sah in diesen gesondert vereinbarten Leistungen steuerbare und steuerpflichtige Umsätze. In Bezug auf den Veranstaltungsbereich käme grds. § 4 Nr. 22 b) UStG als Steuerbefreiung in Betracht, jedoch lehnte das FA diesen mangels Gemeinnützigkeit des Clubs ab. Das FG gab der Klage zunächst statt und ging davon aus, dass es sich bei dem Club um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben handele, die sich auf die Steuerfreiheit nach Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL berufen könne. Der BFH legte dem EuGH anschließend die Frage bzgl. der Unmittelbarkeit des Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL vor.

Der EuGH kam zu dem Ergebnis, dass Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL keine unmittelbare Wirkung habe, sodass sich eine Einrichtung nicht unmittelbar hierauf berufen könne. Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL gewähre den Mitgliedsstaaten einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung der steuerbefreiten Dienstleistungen. Sofern ein Mitgliedsstaat lediglich eine begrenzte Zahl sportlicher Dienstleistungen von der Steuer befreie, sei eine unmittelbare Berufung auf die MwStSystRL für von der nationalen Regelung nicht erfasste Dienstleistungen nicht möglich. Darüber hinaus scheitere die Steuerfreiheit der Leistungen des Golfclubs ebenfalls daran, dass es sich nicht um eine Einrichtung ohne Gewinnstreben handele. Der Begriff der Einrichtung ohne Gewinnstreben sei ein autonomer unionsrechtlicher Begriff, der voraussetze, dass das Vermögen der Einrichtung im Fall der Auflösung nicht an die Mitglieder verteilt wird. Nach der Entscheidung des EuGH änderte der BFH seine Rechtsprechung. Bisher hatte er die unmittelbare Berufung auf Art. 132 Abs. 1 m) MwStSystRL bejaht.

Auswirkung für die Praxis:
Die Entscheidung des BFH hat für die Umsatzbesteuerung sportlicher Vereine grundsätzliche Bedeutung. Der BFH führte hierzu aus, dass - entgegen der bisher von den Finanzämtern geübten Praxis - Angebote von Sportvereinen an ihre Mitglieder gegen allgemeine Mitgliedsbeiträge steuerbar seien. Demnach komme es durch die nunmehr versagte Steuerbefreiung zu einer Umsatzsteuerpflicht. „Sportvereine müssen jetzt also damit rechnen, dass die Rechtsprechung ihre Leistungen auch insoweit als umsatzsteuerpflichtig ansieht, als sie derartige Leistungen an ihre Mitglieder erbringen und es sich dabei nicht um eine sportliche Veranstaltung i.S. von § 4 Nr. 22 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) handelt“. Gesetzgeberisch könne der Bund dies nach Einschätzung des BFH nur durch eine Änderung des Umsatzsteuergesetzes lösen.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210077/

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news-22927 Tue, 31 May 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 22) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22927&cHash=e4d3155817f882bda44480bfe01568e6 Mit Urteil vom 23.11.2021 (I R 5/18) hat der BFH dem EuGH die Frage zur Prüfung vorgelegt, ob die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von ausländischen Streubesitzdividenden im Jahr 2001 gegen Unionsrecht verstößt.

Klägerin ist eine körperschaft- und gewerbesteuerpflichtige Anstalt des öffentlichen Rechts, die ein Lebensversicherungsunternehmen betreibt. Im Streitjahr 2001 war sie an mehreren ausländischen Kapitalgesellschaften mit jeweils unter 10 % (Streubesitz) unmittelbar beteiligt und erhielt hieraus Dividenden. Die Klägerin übte im Jahr 2004 das sog. Blockwahlrecht nach § 34 Abs. 7 S. 8 Nr. 2 S. 1 KStG in der damals geltenden Fassung dahingehend aus, dass § 8b Abs. 1 KStG (n.F.) bereits für die Zeiträume 2001 bis 2003 galt. In der Folge wurden 20 % der Dividenden bei der Ermittlung des für die Körperschaftsteuer maßgeblichen Gewinns nicht berücksichtigt. Das Finanzamt wandte jedoch den (ebenfalls ab 2001 geltenden) § 8 Nr. 5 S. 1 GewStG an und rechnete für Zwecke der Ermittlung des Gewerbesteuermessbetrags jene 20 % wieder hinzu. Im Ergebnis unterlagen 2001 die ausländischen Streubesitzdividenden nach Hinzurechnung der vollen Gewerbesteuer.

Der BFH führte an, dass die Regelung des § 8b Abs. 1 KStG im Streitjahr im Ergebnis nur für Dividenden aus Auslandsbeteiligungen, jedoch (noch) nicht für ordentliche Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften mit Sitz oder Ort der Geschäftsleitung im Inland, die im Jahr 2001 abgeflossen sind, galt. Bei offenen Gewinnausschüttungen inländischer Gesellschaften sei § 8b Abs. 1 KStG erstmals bei Abfließen der Ausschüttung im Jahr 2002 anzuwenden. Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einer Körperschaft seien Dividenden aus Inlandsbeteiligungen, die im Jahr 2001 abgeflossen sind, folglich bereits im ersten Ermittlungsschritt in voller Höhe anzusetzen. Mangels Anwendbarkeit des § 8b Abs. 1 KStG bleibe kein Teil der Dividende außer Ansatz. Für den zweiten Ermittlungsschritt führe dies dazu, dass dementsprechend keine (Wieder-)Hinzurechnung nach § 8 Nr. 5 GewStG stattfinde. Der BFH habe in einem vergleichbaren Fall in dem Umstand, dass die Hinzurechnungsvorschrift des § 8 Nr. 5 GewStG auf Dividendeneinnahmen aus Auslandsbeteiligungen im Gegensatz zu Dividendeneinnahmen aus Inlandsbeteiligungen erstmals für den Erhebungszeitraum 2001 anzuwenden ist, eine Benachteiligung der Beteiligung an Auslandskapitalgesellschaften gesehen, die der unionsrechtlich verbürgten Freiheit des Kapitalverkehrs widerspreche. In seinem aktuellen Fall bezweifelt der BFH einen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit, da im betroffenen Zeitraum (2001) im Ergebnis sowohl inländische als auch ausländische Dividenden der Gewerbesteuer voll unterliegen.

Die Vorlagefrage des BFH lautet daher: Ist Art. 56 Abs. 1 EG (jetzt Art. 63 Abs. 1 AEUV) dahin auszulegen, dass er der Vorschrift eines Mitgliedstaats entgegensteht, nach der bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer einer Körperschaft Dividenden, die aus Beteiligungen an ausländischen Kapitalgesellschaften in Höhe von weniger als 10 % (Streubesitzbeteiligungen) stammen, der Bemessungsgrundlage wieder hinzugerechnet werden, wenn und soweit diese Dividenden in einem vorangegangenen Ermittlungsschritt von der Bemessungsgrundlage abgezogen worden sind, während hinsichtlich solcher Dividenden, die aus Streubesitzbeteiligungen an Kapitalgesellschaften mit Sitz in dem betreffenden Mitgliedstaat stammen, bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage der Gewerbesteuer kein Abzug und folglich auch keine (Wieder-)Hinzurechnung der Dividenden stattfindet?

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210061/

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news-22869 Tue, 24 May 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 21) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22869&cHash=0fe8496e331f8a7d6ca97614e2522afe Im heutigen Urteil der Woche (VI R 53/18) hat der BFH die Frage geklärt ob und in welchem Fall die Rabatte, welche ein Automobilhersteller einem Mitarbeiter eines verbundenen Unternehmens gewährt, steuerpflichtiger Arbeitslohn sind.

Kläger ist ein Angestellter eines Zulieferers, der für einen Automobilhersteller tätig ist. Der Automobilhersteller hielt 50 % der Anteile an dem Zuliefererbetrieb. Zwischen den beiden Unternehmen wurde eine Vereinbarung getroffen, dass Mitarbeiter des Zulieferers Neu- und Gebrauchtwagen zu den gleichen Sonderkonditionen wie die eigenen Mitarbeiter erwerben können. Im Streitjahr kaufte der Kläger einen Neuwagen zu vergünstigten Konditionen bei dem Automobilhersteller. Das Finanzamt sah hierin steuerpflichtigen Arbeitslohn in Höhe der Vergünstigungen. Nach erhobener Klage kam das FG zu dem Schluss, dass es sich nicht um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt.

Der BFH widersprach der Auffassung des FG. Nach ständiger Rechtsprechung könne Arbeitslohn auch bei Zuwendungen Dritter anzunehmen sein, wenn sie Entgelt „für“ eine Leistung bilden, die der Arbeitnehmer im Rahmen des Dienstverhältnisses für seinen Arbeitgeber erbringt, erbracht hat oder erbringen soll. Voraussetzung hierfür sei, dass sie sich für den Arbeitnehmer als Frucht seiner Arbeit für den Arbeitgeber darstellt und im Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis steht. Rabatte, die der Arbeitgeber nicht nur seinen Arbeitnehmern, sondern auch fremden Dritten einräumt, begründen hingegen keinen Arbeitslohn. Dies gelte erst recht, wenn es um von Dritten gewährte Preisvorteile geht. Bei Leistungen Dritter liegt Arbeitslohn nur vor, wenn sich aus den Umständen ergebe, dass die Vorteile nicht aus eigenwirtschaftlichen Interessen gewährt werden, sondern die für den Arbeitgeber erbrachte Arbeitsleistung des Arbeitnehmers entgelten sollen. Unter Würdigung der Gesamtumstände im Streitfall kommt der BFH zu dem Ergebnis, dass es sich bei dem gewährten Preisvorteil um Arbeitslohn des Klägers handelt. Hierfür spreche unter anderem, dass es sich nicht um einen sog. „Jedermannrabatt“ handele, sondern jene Rabatte nur den eigenen Arbeitnehmern und Arbeitnehmern verbundener Unternehmen zugutekommen. Auch ein eigenes wirtschaftliches Interesse des Automobilherstellers an dem (verbilligten) Erwerb stehe dem Vorliegen von Arbeitslohn nicht entgegen.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202250055/

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news-22845 Tue, 17 May 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 20) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22845&cHash=5dcc3797df790a5dd248d55775130d28 Im heutigen Urteil der Woche vom 01.09.2021 (II R 8/20), klärt der BFH die Frage, ob und in welchen Fällen auch die Kosten für eine Zweitbestattung als Nachlassverbindlichkeiten im Rahmen der Erbschaftsteuer zu berücksichtigen sind.

Kläger ist der Bruder eines Erblassers. Als Alleinerbe hat er seinen verstorbenen Bruder zunächst in einem herkömmlichen Grab bestatten lassen. Danach gab er zusätzlich ein aufwendiges Mausoleum im Ausland in Auftrag und machte Kosten in Höhe von 420.000 € in seiner Erbschaftsteuererklärung geltend. Das FA sowie das FG gewährten lediglich einen Kostenabzug für die Erstbestattung in Höhe von 9.300 €. Hiergegen wehrte sich der Kläger.

Der BFH widersprach der Ansicht des Finanzgerichts. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG mindern die Kosten, die mit der Bestattung des Erblassers, seinem Grabdenkmal, der Grabpflege und der Erbauseinandersetzung zusammenhängen, die Erbschaftsteuer. Grundsätzlich seien nur Aufwendungen für das zuerst errichtete Grabdenkmal zu berücksichtigen. Anders könne es jedoch sein, wenn die Erstbestattung zunächst als Zwischenlösung dient und später Kosten für eine zweite, endgültige Grabstätte entstehen. Voraussetzung für den Abzug der Kosten sei es, dass bereits bei Errichtung des ersten Grabdenkmals dieses offensichtlich nur als provisorische Übergangslösung angelegt war. § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG sieht zudem nur den Abzug von angemessenen Kosten vor. Die Angemessenheit bestimme sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls, d.h. was nach den in den Kreisen des Erblassers herrschenden Auffassungen und Gebräuchen zu einer würdigen Bestattung gehört. Die Höhe des Nachlasses sei ebenfalls zu berücksichtigen. Ergibt die Würdigung im Einzelfall, dass die nachgewiesenen Kosten für ein Grabdenkmal die Angemessenheit übersteigen, sei der Abzug nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG auf den Teil beschränkt, der den angemessenen Kosten entspricht.

Der BFH wies die Klage an das FG zurück. Das FG habe nun die Frage, ob die erste Grabstätte lediglich als Provisorium anzusehen sei sowie die Frage der Angemessenheit der Kosten zu klären.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210065/

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news-22814 Tue, 10 May 2022 12:37:00 +0200 Urteil der Woche (KW 19) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22814&cHash=fe119dc62b95e308d16eb7707fd044a4 Im heutigen Urteil der Woche (VI R 40/19) beschäftigt sich der BFH mit der Abzugsfähigkeit von Unterhaltsleistungen an in Deutschland geduldete Angehörige.

Kläger im vorliegenden Fall ist ein Ehepaar. Die Schwester der Klägerin wohnte bis Anfang 2014 gemeinsam mit Ehemann und Tochter in der Ukraine. Im April 2014 unterzeichneten die Kläger eine Verpflichtungserklärung gem. § 68 AufenthG, in der sie sich verpflichteten, sämtliche Aufwendungen für den Lebensunterhalt der ausländischen Familie zu übernehmen. Daraufhin reiste die in der Ukraine lebende Schwester samt Familie mittels eines Schengen-Visums nach Deutschland ein. Dort wurden ihnen Wohnräume, Lebensmittel, Versicherungen, Rechtsbeistand und Sprachkurse durch die Eheleute zur Verfügung gestellt. Im Laufe des Jahres erhielten die aufgenommenen Personen den Aufenthaltsstatus „Aussetzung der Abschiebung“ gem. § 60a AufenthG. In der Einkommensteuererklärung 2014 machten die Eheleute 15.827 € als außergewöhnliche Belastungen geltend, welche das FA jedoch unberücksichtigt ließ. Nach erfolglosem Einspruch erhoben sie Klage und machten nur noch 5.000 € (Unterhaltsaufwendungen) geltend. Das FG gab der Klage statt.

Der BFH hob das Urteil des FG auf und wies die Klage ab. Gemäß § 33a Abs. 1 S. 1 EStG können Unterhaltsaufwendungen gegenüber gesetzlich unterhaltsberechtigten Personen bis zur Höhe des Grundfreibetrages als außergewöhnliche Belastungen geltend gemacht werden. Die von § 33a Abs. 1 S. 1 EStG vorausgesetzte Unterhaltsberechtigung richte sich nach dem Zivilrecht (BGB). Erfasst seien lediglich Verwandte in gerader Linie, nicht jedoch Verwandte in Seitenlinien. Damit seien die Schwester, der Schwager sowie die Nichte der Kläger nicht zivilrechtlich unterhaltsberechtigt und können nach § 33a EStG nicht berücksichtigt werden. Eine zivilrechtliche Unterhaltsberechtigung folge ebenfalls nicht aus der Verpflichtungserklärung gem. § 68 AufenthG, da diese keine unmittelbaren Ansprüche des Ausländers gegen den Verpflichteten begründe, sondern vielmehr als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Ausländerbehörde gelte. Weiterhin komme das BMF-Schreiben vom 27.05.2015, nicht zur Anwendung, da hierin lediglich Fallgestaltungen mit Aufenthalts- oder Niederlassungserlaubnissen nach § 23 AufenthG erfasst seien und nur in diesen Fallgestaltungen der Abzug von außergewöhnlichen Belastungen ausnahmsweise zulässig sei. Die Ungleichbehandlung der verschiedenen Aufenthaltstitel im Zusammenhang mit der Abzugsfähigkeit von außergewöhnlichen Belastungen sei jedoch kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG, da es sich um insoweit um unterschiedliche Sachverhalte handele. Schließlich sei ein Rückgriff auf § 33 EStG auf Grund der abschließenden Regelung des § 33a Abs. 4 EStG bzgl. typischer Unterhaltsaufwendungen von vornherein ausgeschlossen.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210060/

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news-22826 Tue, 03 May 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 18) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22826&cHash=3a13756d4a25d6c940f12b4243b8a3ed Das Niedersächsische FG (Beschluss v. 31.03.2022 - 7 K 120/21) hält die Vorschriften über die Abgeltungsteuer (§ 32d Abs. 1 EStG iVm § 43 Abs. 5 EStG) für nicht mit dem Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Nun soll das BVerfG über die Verfassungsmäßigkeit der Abgeltungsteuer entscheiden.

Der Kläger erzielte gewerbliche Einkünfte, die mit seinem persönlichen Steuersatz (über 25%) besteuert wurden. Außerdem erzielte er Kapitaleinkünfte in Form von verdeckten Gewinnausschüttungen und Zinsen, welche mit dem abgeltenden Steuersatz von 25% besteuert wurden. Im Zuge einer Betriebsprüfung wurden die gewerblichen Einkünfte um bisher unberücksichtigt gebliebene Provisionszahlungen erhöht. Der persönliche Steuersatz, bzw. die Einkommensteuer, wurde entsprechend erhöht. Der Kläger wehrte sich hiergegen. Er begründete seine Klage damit, dass die Provisionszahlungen nicht ihm zuzurechnen seien und außerdem der Sparer-Pauschbetrag in der Ermittlung seiner Einkünfte unberücksichtigt geblieben sei.

Das FG kam grundsätzlich zu dem gleichen Ergebnis wie der Kläger: die Erhöhung des gewerblichen Gewinns sei unzutreffend und der Sparer-Pauschbetrag sei zu Unrecht unberücksichtigt geblieben. Abgesehen davon habe die Klage jedoch keinen Erfolg, da die auf die Kapitaleinkünfte festgesetzte Steuer nach Auffassung der Richter zu niedrig sei. Die Anwendung des (Abgeltungs-)Steuersatzes von 25% gemäß der geltenden Gesetzeslage sei zwar zutreffend erfolgt, jedoch verstoßen die zugrunde liegenden Vorschriften gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Die Abgeltungsteuer führe zu einer Ungleichbehandlung zwischen Beziehern privater Kapitaleinkünfte und den Beziehern übriger Einkünfte. Bezieher von Kapitaleinkünften seien mit einem Steuersatz von 25 % belastet, wohingegen die übrigen Steuerpflichtigen einem Steuersatz von bis zu 45 % unterlägen. Die in den Gesetzesmaterialien genannten Rechtfertigungsgründe genügen den verfassungsrechtlichen Anforderungen für eine Ungleichbehandlung nicht. Weitere Rechtfertigungsgründe seien nicht ersichtlich. Die Abgeltungsteuer sei nicht zur Verwirklichung eines effektiven Steuervollzugs oder zur Beseitigung eines etwaigen strukturellen Vollzugsdefizits geeignet. Darüber hinaus fehle es auch an der Erforderlichkeit, da sich die Möglichkeiten der Finanzverwaltung, im Ausland befindliches Vermögen zu ermitteln, stark verbessert haben.

Das FG holt nun die Entscheidung des BVerfG darüber ein, „ob § 32d Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 43 Abs. 5 EStG in den in den Jahren 2013, 2015 und 2016 geltenden Fassungen insoweit mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar sind, als dass sie für Einkünfte aus privaten Kapitalerträgen einen Sondersteuersatz in Höhe von 25% mit abgeltender Wirkung vorsehen“.

finanzgericht.niedersachsen.de/aktuelles/presseinformationen/verfassungswidrigkeit-der-abgeltungsteuer-210168.html

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news-22796 Tue, 26 Apr 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 17) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22796&cHash=e8de3d0592c1602818d366a0c42c9554 Im heutigen Urteil der Woche hat der BFH (IV R 15/19) entschieden, dass die Beteiligung an einer Kapitalgesellschaft nicht dem Sonderbetriebsvermögen eines Kommanditisten zugeordnet wird, wenn die Kapitalgesellschaft einen nicht untergeordneten eigenen Geschäftsbetrieb hat. 

Die Klägerin im Streitfall ist eine GmbH & Co KG, an welcher eine natürliche Person als alleiniger Kommanditist sowie eine GmbH als Komplementär beteiligt sind. Der Kommanditist der GmbH & Co KG ist zugleich Mehrheitsgesellschafter der Komplementär-GmbH. Die Klägerin vermietete einige wenige Wohnungen, verfügte jedoch weder über eigene Geschäftsräume, noch beschäftigte sie eigene Arbeitnehmer. Die Verwaltung und Buchführung übernahmen vielmehr die Arbeitnehmer der Komplementär-GmbH. Diese wiederum vermietete ebenfalls eigene Immobilien und war daneben an zahlreichen weiteren Immobiliengesellschaften beteiligt. Ihre Funktion als Komplementärin und ihre Tätigkeiten für die GmbH & Co. KG waren im Vergleich hierzu wirtschaftlich von geringer Bedeutung. Der Streitfall betraf die Schenkung eines Anteils an der Komplementär-GmbH an die Kinder des Anteilseigners. Das Finanzamt sah hierin eine steuerpflichtige Entnahme der Beteiligung aus dem Sonderbetriebsvermögen (SoBV) des Anteilseigners. Hiergegen wehrte sich die Klägerin.

Der BFH gab der Klägerin recht. Bei der Zuordnung von Kapitalbeteiligungen zum SoBV sei der Veranlassungszusammenhang maßgebend. Hierbei sei auf die Sicht des Kommanditisten abzustellen, dh., ob die Anteile vorwiegend mit Rücksicht auf die Belange der GmbH & Co KG oder aus anderen Gründen gehalten werden. Eine Beteiligung an der Kapitalgesellschaft könne jedoch in der Regel nicht als notwendiges SoBV II zu werten sein, wenn diese neben ihren geschäftlichen Beziehungen zur GmbH & Co KG oder neben ihrer Tätigkeit für die GmbH & Co KG einen eigenen Geschäftsbetrieb von nicht ganz untergeordneter Bedeutung unterhalte. Dies gelte auch dann, wenn die Komplementär-GmbH wirtschaftlich mit der GmbH & Co KG verflochten ist und diese Geschäftsbeziehungen aus Sicht der GmbH & Co KG nicht von geringer Bedeutung sind. Auf Grund des wirtschaftlich bedeutenderen (eigenen) Geschäftsbetriebes der Komplementär-GmbH sah der BFH die Kapitalbeteiligung nicht als SoBV des Anteilseigners an. Es sei naheliegend, dass der Kommanditist die Anteile vorwiegend mit Rücksicht auf den eigenen Geschäftsbetrieb der GmbH gehalten hat.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210021/

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news-22813 Tue, 19 Apr 2022 12:57:17 +0200 Urteil der Woche (KW 16) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22813&cHash=1260895528caa582f83d66d5e0b0b60e Mit Urteil vom 03.04.2019 (VI R 46/17) hat der BFH entschieden, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer auch dann abzugsfähig sind, wenn es nicht für die berufliche Tätigkeit erforderlich ist.

Klägerin ist eine Flugbegleiterin, die im Streitjahr 2013 Aufwendungen in Höhe von 1.250 € für ein häusliches Arbeitszimmer als Werbungskosten geltend machte. Für die dort verrichteten Tätigkeiten stand ihr (unstreitig) kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung. Sowohl FA als auch das FG versagten den Werbungskostenabzug, da für die fraglichen Tätigkeiten kein Arbeitszimmer erforderlich sei.

Der BFH gab der Klägerin recht. Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer können grundsätzlich nicht abgezogen werden (§ 9 Abs. 5 iVm § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 6b EStG). Eine Ausnahme besteht, wenn für die betriebliche/berufliche Tätigkeit kein anderer Platz zur Verfügung steht. In diesem Fall können Aufwendungen bis zu 1.250 € berücksichtigt werden. Bildet das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen/beruflichen Betätigung, können die Aufwendungen der Höhe nach unbeschränkt berücksichtigt werden. Weitere Voraussetzung ist, dass der jeweilige Raum ausschließlich oder nahezu ausschließlich für betriebliche/berufliche Zwecke genutzt wird.
Der Wortlaut des Gesetzes umfasse nicht explizit die zusätzliche „Erforderlichkeit“ eines Arbeitszimmers. Hingegen typisiere das Gesetz bereits mit seiner Formulierung die Erforderlichkeit eines häuslichen Arbeitszimmers für die Fälle, in denen kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung stehe oder das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten Betätigung bilde. Ob die Arbeiten auch leicht an einem anderen Ort in der Wohnung (z.B. am Küchentisch) hätten erledigt werden können, sei deshalb unerheblich. Für die Abzugsfähigkeit von Aufwendungen genüge die Veranlassung durch die Einkünfteerzielung.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210048/

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news-22724 Tue, 12 Apr 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 15) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22724&cHash=f0c24f0317ce3fe9a9384b8d0182009a Im heutigen Urteil der Woche (I R 22/20) erklärt der BFH Cum/Ex-Geschäfte für steuerrechtlich unzulässig und erteilt diesem, von Unsicherheit geprägten, „Geschäftskonzept“ eine Absage.

Kläger ist ein von der inländischen Abzugsteuer (nach DBA) befreiter US-amerikanischer Pensionsfonds. Dieser beantragte für das Jahr 2011 die Erstattung von Kapitalertragsteuer für sog. Cum/Ex-Geschäfte. Hierbei wurden kurz vor dem Dividendenstichtag Aktien deutscher Aktiengesellschaften „cum“, dh „mit Dividende“ erworben, welche jedoch erst zeitverzögert nach dem Stichtag („ex“, dh „ohne Dividende“) übereignet wurden. Der Pensionsfonds erhielt zugleich eine Dividendenkompensationszahlung für die nunmehr (im Zeitpunkt der Übereignung) nicht mehr zu beanspruchende Dividende. Es handelte sich um ein eng abgestimmtes Gesamtkonzept, bestehend aus mehreren Beteiligten, zum kurzfristigen An- und Verkauf von Aktien im Umfang von mehreren Milliarden Euro.
Der Pensionsfonds begründete seinen Erstattungsanspruch mit dem Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an den Aktien. Das FA sowie das FG lehnten den Antrag ab, da der Pensionsfonds im Zeitpunkt der Gewinnverteilungsbeschlüsse nicht (wirtschaftlicher) Eigentümer der Aktien gewesen sei.

Der BFH folgte seiner Vorinstanz und wies die Revision als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Erstattung der Abzugsteuer bestehe nur dann, wenn der Pensionsfonds nach Maßgabe des nationalen Steuerrechts Gläubiger der Kapitalerträge ist und die Abzugsteuer „einbehalten und abgeführt“ wurde. Gläubiger der Kapitalerträge ist hierbei derjenige, der Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt. Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 1 u. 4 EStG ist dies wiederum derjenige, dem die Anteile am Kapitalvermögen im Zeitpunkt des Gewinnverteilungsbeschlusses oder des Zuflusses der Dividendenkompensationszahlung zivilrechtlich oder wirtschaftlich zuzurechnen sind. Im Falle der Cum/Ex-Geschäfte werde wirtschaftliches Eigentum jedoch nicht erworben, wenn der Erwerb der Aktien Teil eines modellhaft aufgelegten Gesamtvertragskonzepts ist, nach welchem der Erwerber die wesentlichen mit dem Aktienkauf verbundenen Rechte weder ausüben kann noch soll. Sofern er nur die Funktion habe, seine Rechtsform in den Geschäftsablauf einzubringen und daher lediglich als „passiver Teilnehmer“ im Geschehensablauf anzusehen sei, könne kein wirtschaftliches Eigentum angenommen werden. Die Stellung des wirtschaftlichen Eigentümers könne nur einnehmen, wer den Aktieninhaber zugleich von den wesentlichen Rechten des Aktienkaufs ausschließe. Dies könne jedoch nicht allein durch eine rechtlich gesicherte Erwerbsaussicht und einen (wirtschaftlichen) Dividendenbezug vermittelt werden. Ein Anspruch auf Erstattung der Abzugsteuer stehe dem Pensionsfonds daher nicht zu.

https://www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210037/

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news-22725 Tue, 05 Apr 2022 12:30:00 +0200 Urteil der Woche (KW 14) https://www.uni-trier.de/universitaet/fachbereiche-faecher/fachbereich-v/personen/professuren/prof-dr-henning-tappe/news/einzelansicht?tx_news_pi1%5Baction%5D=detail&tx_news_pi1%5Bcontroller%5D=News&tx_news_pi1%5Bnews%5D=22725&cHash=66e8664be9a82961a947633537b391b3 Mit Urteil vom 20.10.2021 (XI R 10/21) hat sich der BFH zum Vorsteuerabzug einer Gemeinde im Zusammenhang mit dem Bau einer Hängeseilbrücke geäußert.

Klägerin ist eine Gemeinde, die im Jahr 2015 eine Hängeseilbrücke bauen ließ, die nach ihrer Fertigstellung kostenlos durch Touristen besucht werden konnte. Daneben wurde für die zu erwartenden Besucher ein Parkplatz errichtet. Für die Nutzung des Parkplatzes erhob die Gemeinde Parkgebühren. Die Klägerin machte in ihren Umsatzsteuererklärungen 2013 bis 2016 Vorsteuerabzug aus den Eingangsumsätzen im Zusammenhang mit dem Bau der Brücke geltend. Das Finanzamt versagte den Vorsteuerabzug, da es der Auffassung war, dass zwischen der Parkplatzvermietung und den in Anspruch genommenen Leistungen zur Errichtung der Brücke kein unmittelbarer Zusammenhang bestehe.

Der BFH gab der Klägerin recht. Für das Erfordernis einer entgeltlichen Leistung müsse zwischen dem Leistenden (Gemeinde) und dem Leistungsempfänger (Nutzer der Hängeseilbrücke) ein Rechtsverhältnis bestehen, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Dienstleistung bildet. Der BFH folgte der Ansicht des FG, dass bereits in der Willensbildung des Gemeinderates seit 2011 und vor dem Baubeginn der Brücke sichtbar geworden sei, dass die Erzielung von Einnahmen durch Parkgebühren bei der Finanzierung der Brücke eine Rolle gespielt habe und daher ein unmittelbarer Zusammenhang gegeben sei. Des Weiteren bestehe auch deshalb ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen den Aufwendungen zur Errichtung der Brücke und den Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung, weil die Brücke Anlass sei, die Ausgangsleistungen überhaupt in Anspruch zu nehmen.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210046/

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