Die Geschichte der Abtei

In vielen römischen Städten der Spätantike bildeten sich die ersten christlichen Zentren vor den Stadtmauern, an den Gräbern der Märtyrer oder der als Gründer verehrten Heiligen. Ein frühes Zeugnis für die Existenz eines solchen Ortes in Trier ist die überlieferte Bauinschrift des Bischofs Cyrillus aus der Mitte des 5. Jahrhunderts.

Sie berichtet uns von einer Altarweihe zu Ehren der Hll. Eucharius und Valerius, die als Begründer der Trierer Diözese verehrt werden, und von Bischof Cyrillus, der diese Weihe vornahm und sich später auch hier bestatten ließ. Reste der Chorschranken der Kirche aus dieser Zeit sind an den Bischofsgräbern und am Sakramentsaltar unserer Basilika zu sehen. Als Zeit des Lebens und Wirkens der Gründerbischöfe wird die zweite Hälfte des 3. Jahrhunderts angenommen. Einer später schriftlich gefaßten Legende zufolge haben sie bei ihrer Ankunft in Trier Kontakt zu einer Witwe Albana bekommen, in deren Haus sie dann lebten und sich die erste christliche Gemeinde versammelte. Ein Reliefsarkophag aus dem ersten Viertel des 3. Jahrhunderts, der in einer römischen Grabgruft auf dem Friedhof zu sehen ist, gilt als Grabstätte der Albana und ihres Mannes und ist ein weiteres Zeugnis für die frühe Zeit. 

Diese "Albanagruft" ist Teil des großen Gräberfeldes, das sich seit dem 1. Jahrhundert außerhalb der antiken Stadtmauer entwickelte. Hier, an den Gräbern der Gründerbischöfe, siedelte sich - vielleicht schon im 4. Jahrhundert- eine Gemeinschaft von Mönchen oder Klerikern an, die fortan die Entwicklung des Ortes miterlebte und mitgestaltete. Vermutlich wurde schon in dieser frühen Zeit das Gelände direkt um die Kirche erworben. Aus dem achten Jahrhundert sind Grundbesitzstiftungen überliefert, die halfen, den Lebensunterhalt der Gemeinschaft zu sichern. In dieser Zeit wird Eucharius als Patron der Kirche genannt. Erst im 12. Jahrhundert tritt ihm der Apostel Matthias an die Seite. 
Hatte die Stadt Trier nach dem Abzug der Römer im 5. Jahrhundert bereits unter Eroberungen durch die Germanen zu leiden, kam es im Zuge des Normanneneinfalles im Jahr 882 wiederum zu starken Zerstörungen, von denen sich Stadt und Land nur langsam erholten. 

Die bestehende Gemeinschaft übernahm um 977 die Benediktsregel und erhielt zur Unterstützung einen Abt aus Gent. Über die Verfassung und Zusammensetzung der Gemeinschaft vor dieser Zeit gibt es nur spärliche Hinweise. Nun begann das Leben "unter Regel und Abt" und die Gemeinschaft bestand als benediktinische Abtei bis 1802. Bereits seit den spätantiken Ursprüngen war die Gemeinschaft dem Bischof und späteren Erzbischof von Trier unterstellt und blieb dies auch bis zu ihrer Aufhebung. Die Förderung, aber auch die Eingriffe von dieser Seite geschahen meist zum Wohle des Konventes, doch dienten sie auch der Aufwertung des Trierer Bischofssitzes.

Ende des 10. Jahrhunderts entstand anstelle des sehr verfallenen Gebäudes ein Neubau, die sogenannte "Egbert-Kirche" (Erzbischof Egbert 977-993). Der westliche Teil der Krypta mit seinem einfachen Gewölbe und den vermutlich antiken Marmorteilen in den Säulen geht auf diese Zeit zurück.

In die erste Hälfte des 12. Jahrhunderts datiert der Bau der noch heute bestehenden Kirche. Ein direkter Anlass zum Neubau ist uns nicht überliefert, doch stand er sicher im Zusammenhang mit bischöflichen Baumaßnahmen, die etwa gleichzeitig am Dom und am Simeonstift durchgeführt wurden.

Im Jahr 1127 werden bei Abrissarbeiten am Vorgängerbau Reliquien des Apostels Matthias entdeckt. Die mittelalterliche Klosterüberlieferung weiß zwar schon von einer ersten Auffindung um 1050 zu berichten, doch verbreitet sich die Kenntnis davon erst jetzt. Sogleich setzt ein Pilgerstrom ein, dessen Einzugsgebiet sich von der Nordsee bis zu den Alpen erstreckt. Von da an nimmt das Kloster allmählich im Volksmund den Namen "St. Matthias" an. Die neue Kirche, von ihrer Vorgeschichte her Grabkirche des hl. Eucharius und Mönchskirche, erhält nun auch den Charakter einer Wallfahrtskirche. Die Wallfahrt ist bis heute lebendig. Im Laufe der Jahrhunderte bildeten sich immer neue Wallfahrtsgruppen und Bruderschaften. Derzeit kommen etwa 140 Pilgergruppen zu Fuß nach Trier.

Die Weihe der noch unvollendeten Kirche durch Papst Eugen III. bei seinem Trierer Aufenthalt im Jahre 1148 bezeichnet einen Höhepunkt der Klostergeschichte, wie denn das 12. Jahrhundert auch sonst für die Abtei eine glanzvolle Zeit bedeutet. Alte Besitzrechte und auch die gerade aufkeimende Matthiasverehrung erfahren durch Papst Eugen III. eine Bestätigung. Die Äbte werden zur Mitarbeit an bischöflichen Aufgaben herangezogen. Hierzu zählen u.a. Durchführung von Reformen und Regelung der geistlichen und wirtschaftlichen Belange von Nonnenklöstern, z.B. Marienberg bei Boppard. Das Skriptorium des Klosters zeigt eine rege Tätigkeit. Die hl. Hildegard von Bingen steht im Briefwechsel mit der Gemeinschaft.

Die lange Regierung des Abtes Jakob von Lothringen (1211-1257) schließt die mittelalterliche Blütezeit des Klosters ab. Er wird von Papst Honorius III. in die zentralen Reformbemühungen für die Benediktiner, die vom 4. Laterankonzil ausgingen, einbezogen und mit dem Abt von St. Aper in Toul und zwei Zisterzienseräbten in den Vorsitz des Äbtekapitels der Trierischen Kirchenprovinz berufen. Für die Abtei selbst wirkt sich dies bis heute sichtbar in dem frühgotischen Klosterbau aus, der stark von der Bauweise der Zisterzienser beeinflusst ist. Erhalten sind aus dieser Zeit der Kreuzgang und der gesamte Ostflügel des Quadrums: die heutige Sakristei, der Kapitelsaal, das Refektorium und das dreischiffige Dormitorium. In dieser Zeit entstehen auch das Kreuzreliquiar, die Marienkapelle und die Quirinuskapelle auf dem Friedhof. 

Um 1300 kommt es zwischen Abtei und Erzbischof zu Streitigkeiten um die Besetzung des Abtsamtes in St. Matthias. Diese werden später beigelegt und das Verhältnis verbessert sich wieder. Innere und äußere Ruhe tragen zur Konsolidierung und zum Wohlstand der Gemeinschaft bei, und es stellt sich eine Neigung zu äußerer Prachtentfaltung ein.

Die benediktinischen Reformbemühungen des Konstanzer Konzils wirken sich 1421 aus, als Erzbischof Otto von Ziegenhain den Kartäuserprior Johannes Rode, ehemals Offizial des Oberstiftes - wir würden heute sagen: Generalvikar -, mit päpstlicher Erlaubnis als Abt in St. Matthias einsetzt (1421-1439). In zäher Arbeit erneuert er nicht nur die eigene Abtei wirtschaftlich und geistlich, sondern reformiert auch in bischöflichem Auftrag und später als Generalvisitator des Baseler Konzils die übrigen Trierer Abteien und etliche andere. Die von ihm verfassten Statuten für St. Matthias, also eine Lebensordnung für die Klostergemeinschaft gemäß der Regel des Hl. Benedikt, werden auch in anderen Klöstern befolgt und wirken nach seinem Tode weiter. Der Versuch einer eigenen Kongregationsbildung um St. Matthias unter seinem Nachfolger misslingt, und spätestens 1458 ist St. Matthias Mitglied der Bursfelder Kongregation (gegründet 1446), die Elemente der Rode'schen Konstitutionen übernahm.

An der Wende vom 15. zum 16. Jahrhundert zeigt sich eine rege Bautätigkeit. Das romanische Gewölbe der Kirche wird durch ein Netzgewölbe mit einem reichen ikonographischen Programm von Schlusssteinen ersetzt. Es entsteht die Apsis mit den drei hohen Maßwerkfenstern und einer zeitgenössischen Verglasung, deren letzter Rest das erhaltene Kreuzfenster ist. Auch das Matthiasgrab erhält eine neue Anlage, deren Hauptfigur, ein liegender Hl. Matthias seit 1967 wieder seine Grablege bezeichnet.

Bis in den Beginn des 16. Jahrhunderts sind ein guter Stand des wissenschaftlichen Lebens und rege Beziehungen zur 1473 gegründeten Trierer Universität und zum rheinischen Humanismus zu beobachten. Gegen die Mitte des Jahrhunderts lässt das wissenschaftliche Streben nach. Die Reformation, die in anderen Gegenden des Reiches große Umbrüche auslöst, hinterlässt kaum Spuren in der Klostergeschichte.
 

Br. Jakobus Wilhelm OSB

Text mit freundlicher Genehmingung der Abtei St. Eucharius / St. Matthias