Podiumsdiskussion zu Open Access am 22.10.2019 an der Universität Trier

Es klingt einfach genug, das Prinzip „Open Access“: Von der Öffentlichkeit getragene Forschung sollte auch öffentlich zugänglich sein. Dass sich hinter dieser Feststellung jedoch eine komplizierte Gemengelage unterschiedlicher Konzeptionen, Interessen und Finanzierungsmodelle verbirgt, machte eine Veranstaltung deutlich, die am 22. Oktober 2019 im Rahmen der internationalen Open Access Week in der Universitätsbibliothek Trier stattfand.

Der Abend stand unter dem Titel „Paywall“ und war gemeinsam von der Bibliothek der Universität Trier und dem Leibniz-Zentrum für Psychologische Information und Dokumentation (ZPID) organisiert worden. Geleitet und moderiert wurde er von Dr. Evgenia Grishina (Fachreferentin und Open Access-Beauftragte der Universitätsbibliothek Trier) und Bianca Weber, M.A. (ZPID), denen es gelungen war, vier sachkundige Akteurinnen und Akteure aus Forschung und Verlagswesen für eine Podiumsdiskussion zu gewinnen, die das Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtete: Prof. Dr. Sabine Arndt-Lappe (Anglistik, Universität Trier und die federführende Redakteurin der Zeitschrift für Sprachwissenschaft, im Open Access herausgegeben durch die Deutsche Gesellschaft für Sprachwissenschaft, DGfS), Prof. Dr. Christof Schöch (Digital Humanities, Universität Trier und Ko-Direktor des Trier Center for Digital Humanities), PD Dr. Erich Weichselgartner (ZPID) sowie Sarah Rögl (Verlag Barbara Budrich, Leverkusen).

Im ersten Teil der Veranstaltung bereitete eine Filmvorführung die Diskussion vor. Unter dem Titel „Paywall – the business of scholarship“ nahm der 2018 gedrehte US-Dokumentarfilm die Absurdität eines Publikationssystems aufs Korn, in dem der Steuerzahler für eine wissenschaftliche Information nicht selten dreimal zur Kasse gebeten wird: für die Finanzierung der Forschung selbst, für die Publikation ihrer Ergebnisse und schließlich für den Erwerb dieser Publikationen durch Bibliotheken und Hochschulen – ein System, in dem die titelgebende „Paywall“ es umgekehrt aber auch vielen Menschen, ja ganzen Gesellschaften unmöglich macht, bestimmte wissenschaftliche Publikationen überhaupt lesen zu können. Der Film zeigte aber auch die Sachzwänge auf, die dieses System nach wie vor stabil halten, und eruierte Möglichkeiten für deren Überwindung.

In der angeregten Diskussion, die sich an dieses Screening anschloss, waren sich zunächst alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einig, dass über das „Ob“ kein Dissens mehr besteht: Dass Open Access ein wünschenswertes Ziel ist, steht außer Frage, entscheidend ist das „Wie“ seiner Umsetzung und Finanzierung. So wies Prof. Schöch auf Aspekte der Umsetzung hin, die durch die das Potential von Open Access erst realisiert wird: strukturierte Daten im XML-Format und mit validen bibliographischen Informationen. Von der Idee einer Buchseite, die als PDF ins Netz gestellt werde, müsse man sich verabschieden, so gleich mehrere Redner: Open Access als Grundlage von Open Science müsse sehr viel mehr leisten, zum Beispiel, so Schöch, seinerseits ein Text- und Datenkorpus zu schaffen, auf dessen Grundlage später einmal die Geschichte des jeweiligen Faches geschrieben werden könne.

Zur Infrastruktur gehören aber auch die unterschiedlichen Modelle, wie die Trägerschaft einer Open-Access-Publikation aussehen kann: Verlag, universitäres Publikationswesen oder Fachcommunity. Dass Verlage als Träger von Open-Access-Publikationen nicht über einen Kamm zu scheren seien, betonte Sarah Rögl vom Budrich-Verlag, der zwei Open-Access-Zeitschriften herausgibt: dessen Politik unterscheide sich deutlich von den oft kritisierten Praktiken mancher Großverlage, ein Verlag erbringe aber auch Leistungen, zu denen so nur er in der Lage sei.

PD Dr. Weichselgartner vom ZPID wies auf die Wichtigkeit der Fachcommunities hin, die einen Kulturwandel in ihrer jeweiligen Disziplin hin zu Open Access befördern können. Im Falle der Zeitschrift für Sprachwissenschaft, so wiederum Prof. Dr. Arndt-Lappe, stünde hinter der Zeitschrift zwar die entsprechende Fachgesellschaft, publiziert werde das Organ jedoch in einem großen Wissenschaftsverlag. Der Vorteil: Eine Fachgesellschaft im Rücken stärke das Herausgebergremium, der Verlag leiste hingegen Arbeit, die eine Fachgesellschaft nicht erbringen kann. Wichtig sei jedoch die grundsätzliche Unabhängigkeit einer Zeitschrift vom Verlag.

Natürlich ist die Frage nach dem Trägermodell zugleich eine nach der Finanzierung, und es wundert nicht, dass hierüber besonders ausgiebig diskutiert wurde. Denn auch wenn nach dem Open-Access-Prinzip Information für die Leserinnen und Leser kostenfrei sein soll, entstehen ja dennoch Kosten bei ihrer Generierung, ganz gleich ob auf unabhängiger Basis oder in einem Verlag. Kritik kam dabei aus dem Publikum an der Tatsache, dass der Film zwar die Paywall für das Lesen anprangere, die ebenso wichtige Paywall für das Publizieren aber zu kurz komme. „Wenn der Verlag arbeitet, wer bezahlt das?“ fragte provokant Verlagsmitarbeiterin Sarah Rögl, die sich dann auch gern in die Karten schauen ließ und die Kalkulation einer Open-Access-Monographie in ihrem Hause vorrechnete. Im Fall der dort herausgebrachten Zeitschriften ist es die Fachgesellschaft, die die Finanzierung aus eigenen Mitteln (Mitgliedsbeiträge) stemmt.

Meist sind es indessen ja die Bibliotheken oder die Projektförderung, also die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler, die für Publikationsgebühren aus der eigenen Hochschule aufkommen und damit dafür sorgen, dass die Rezeption der entsprechenden Artikel wiederum kostenfrei bleibt. Dabei stellte Prof. Schöch die Publikationskosten bei der Open-Access-Plattform „Open Library of Humanities“ den fast zehnmal so hohen bei einem Großverlag gegenüber; ein Vergleich, der die realen Kosten offenlege. Prof. Arndt-Lappe wies darauf hin, dass Publikationsgebühren bei Open-Access-Zeitschriften neue Ungerechtigkeiten schaffen können und der Blick durch die Brille des Finanziellen die Objektivität von Peer-Review-Verfahren verzerren könne.

Besonders in den Schlussworten weitete sich der Blick von Open Access noch einmal zur eingangs bereits beschworenen „Open Science“. Wie sehr die Möglichkeit oder Unmöglichkeit von Open Access ganze Forschungsfelder einengen kann, demonstrierte dabei Prof. Schöch am Beispiel der digitalen Literaturwissenschaft. Solchen Einschränkungen, so die einhellige Meinung der Gäste, gelte es entgegenzuwirken und den Open-Access-, den Open-Science-Gedanken möglichst frühzeitig im Studium und in der Lehre zu verankern.