Rückblick Berliner Dialogreihe Energierecht

Unter dem Titel „EEG 3.0 – Quo vadis?“ fand im vergangenen Jahr die ursprünglich auf drei Termine ausgelegte, vom Verband der chemischen Industrie initiierte und von der Gesellschaft für Rechtspolitik durchgeführte Veranstaltungsreihe „Berliner Dialogreihe Energierecht“ unter wissenschaftlicher Leitung von Prof. Dr. Alexander Proelß, Institut für Rechtspolitik, in Berlin statt.

Vor dem Hintergrund einer in mehrfacher Hinsicht unbefriedigenden sozialen, politischen und rechtspolitischen Realität im Bereich der Entwicklung und Förderung erneuerbaren Energien war es das Ziel dieser Dialogreihe, zu einer reflektiert-kritischen und gesellschaftlichen Debatte beizutragen, die Bedingungen einer künftigen Finanzierung der Energiewende unter Beachtung des nationalen und europäischen Rechtsrahmens zu bestimmen und der Politik rechtzeitig vor der Bundestagswahl 2017 Anregungen für eine Änderung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) zu übermitteln.

Den Startschuss bildete Mitte April ein Roundtable-Gespräch von hochrangigen Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft und Justiz mit dem Ziel, die dringendsten Rechtsfragen von grundlegender Bedeutung für die Fortentwicklung der Finanzierung erneuerbarer Energien zu identifizieren. 

Diese wurden alsdann im Rahmen einer Podiumsdiskussion am 20. Oktober mit Vertretern aus Rechtswissenschaft, Politik und Wirtschaft erörtert. 

In einer ersten Session legten Prof. Dr. Gerrit Manssen, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht, insbesondere deutsches und europäisches Verwaltungsrecht an der Universität Regensburg sowie Prof. Dr. Sabine Schlacke, geschäftsführende Direktorin des Instituts für Umwelt- und Planungsrecht der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster, in zwei kurzen Impulsen ihre divergierenden Rechtsauffassungen zur Rechtsnatur der EEG-Umlage dar, die nachfolgend offen und angeregt diskutiert wurden.

Hieran schloss sich die zweite Session samt Diskussion an, in der Dr. Florian Ermacora als Vertreter der Europäischen Kommission und Prof. Dr. Martin Burgi, Lehrstuhlinhaber für für Öffentliches Recht, Wirtschaftsverwaltungsrecht, Umwelt- und Sozialrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München, ihre Standpunkte zu der Frage, welchen Einfluss das Unionsrecht auf die deutsche Energiewende ausübt, darlegten und auf Anregungen und Fragen des Auditoriums eingingen.

Die im Rahmen dieser Veranstaltung gewonnenen Erkenntnisse mündeten in einem von dem wissenschaftlichen Leiter verfassten Diskussionspapier, das im Wesneltichen folgende Thesen formulierte:

  • Die wiederholt erfolgten Anpassungen und Veränderungen des EEG-Förderregimes erfordern dessen finanzverfassungs- und unionsrechtliche Neubewertung. Die EEG-Umlage kann nicht (mehr) als – verfassungsrechtlich unbedenkliche – gesetzliche Preisregelung qualifiziert werden. In Bezug auf die Beihilfequalität der EEG-Umlage hat das Europäische Gericht im Mai 2016 festgestellt, dass es im Rahmen des EEG-Umlagesystems zum Einsatz staatlicher Mittel kommt. Auch finanzverfassungsrechtlich handelt es sich bei den Übertragungsnetzbetreibern damit in Wirklichkeit um staatlich beauftragte Beliehene, weshalb sich die EEG-Umlage an den Anforderungen des Finanzverfassungsrechts messen lassen muss. Das EEG trägt diesen Anforderungen indes nicht hinreichend Rechnung. Insbesondere kommt eine Einordung der EEG-Umlage als – ausnahmsweise zulässige – Sonderabgabe nicht in Betracht.
  • Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen angesichts der erreichten – und Investitionsvorhaben bereits gefährdenden – Größenordnung und der Tendenz zum weiteren Anstieg der Belastung sowohl der Verbraucher als auch der mittelständischen Unternehmer, die nicht von der besonderen Ausgleichsregelung profitieren, zudem im Hinblick auf die Grundrechte und das Sozialstaatsprinzip.
  • Für eine Ablösung des bisherigen Förderregimes durch alternative haushaltsrelevante Förderkonzepte existiert ein verfassungsrechtlicher Spielraum; einer künftigen Diversifizierung der Instrumente und selbst einem kompletten Wechsel des Finanzierungsregimes mit Wirkung für die Zukunft stünden keine Vertrauensschutzaspekte entgegen. Eine verfassungsrechtliche Garantie für den Fortbestand der gesetzlichen Vorgaben zur finanziellen Förderung von Strom aus erneuerbaren Energien besteht nicht. Im Lichte der erreichten finanziellen Größenordnung des EEG-Mechanismus ist künftig, zumal hinsichtlich der Frage der demokratischen Legitimation, auf der unmittelbaren Haushaltsrelevanz der EEG-Förderung zu bestehen.
  • Die immer weiter reichende Aktivierung des Beihilfenrechts als Regulierungsinstrument im Bereich der Energieumweltpolitik durch die Europäische Kommission als Verwaltungsbehörde ist kritisch zu betrachten. Insoweit wäre der durch die Leitlinien für umwelt- und energiepolitische Beihilfen im Jahre 2014 faktisch bewirkten Harmonisierung der nationalen Förderpraktiken eine unionsweite Regulierung durch Gesetzgebungsakt, gestützt auf den Kompetenztitel „Energie“ (Art. 194 AEUV), vorzuziehen. Erst auf diese Weise würde die rechtsstaatliche und demokratische Legitimität des supranationalen Handels gewährleistet.

Diese Thesen sollten schließlich in einem letzten Termin in Form präsentiert und mit Angehörigen von Politik und Wirtschaft diskutiert werden. Da diese Veranstaltung jedoch aufgrund terminlicher Verhinderungen kurzfristig abgesagt werden musste, konnte die Berliner Dialogreihe Energierecht im vergangenen Jahr nicht abgeschlossen werden. Der noch ausstehende Schlusstermin soll daher im Kalenderjahr 2017 nachgeholt werden.