Es müssen nicht immer Wasserleitungen sein

Ein Projekt der Universität Trier fand heraus, dass europäische Denk- und Lösungsansätze für die Wasserversorgung in Ghanas Hauptstadt Accra nicht unbedingt funktionieren.

Eigentlich gibt es in Ghanas Hauptstadt genug Wasser: Der Volta See, der größte künstliche Stausee der Welt, sowie zwei große Flusssysteme könnten Accra und die umliegende Region versorgen. Und dennoch steht die Metropole mit ihren knapp vier Millionen Einwohnern vor einer gewaltigen Herausforderung, Trinkwasser für alle Menschen in ausreichender Qualität bereitzustellen. Die Hauptgründe: Viele Gewässer sind verschmutzt und es gibt zu wenig Kapazitäten für die Wasseraufbereitung. Wasserknappheit ist somit ein Resultat des Umgangs mit Ressourcen. Dies hat zur Folge, dass ärmere Familien im Verhältnis einen deutlich größeren Teil ihres Einkommens für Wasser ausgeben als mittlere und höhere Einkommensschichten. Denn deren Häuser sind häufig an das Leitungsnetz, das noch in der Kolonialzeit erbaut wurde, angeschlossen oder sie kaufen Wasser von Tankern in großen Mengen. Dadurch müssen sie weniger für den Liter Wasser zahlen als die Ärmeren, die Wasser beispielsweise in verschweißten Plastiktütchen (sogenannten Sachets) kaufen.

Wasserverkäufer und Wassertanker als Teil der Lösung

Um diese Ungleichheit abzumildern, flossen jahrzehntelang Gelder der Entwicklungshilfe in den Ausbau von Wasserleitungen. Profitiert von den Infrastrukturinvestitionen haben vor allem westliche Baufirmen – für viele Menschen hat sich der Zugang zu Wasser hingegen kaum verbessert. Das Forschungsprojekt „WaterPower“ der Universität Trier kommt daher zu dem Ergebnis, dass das Verständnis von Stadt und Infrastrukturentwicklung und davon abgeleitete Lösungsansätze bisher zu sehr von der europäischen Denkweise geprägt sind. Auch konzentriert sich die Debatte zu sehr auf die Frage der technologischen Machbarkeit. Fünf Jahre lang hatte ein Team von Geographinnen unter Leitung von Prof. Dr. Antje Bruns die Verteilungsproblematik in Accra mit Blick auf Urbanisierung, Zugang zu Ressourcen und Infrastrukturen untersucht. „Wasserverkäufer, Wassertanker und andere dezentrale Infrastruktursysteme können Teil der Lösung sein“, sagt Antje Bruns. „Es müssen nicht immer nur Wasserleitungen einer netzgebundenen Infrastruktur sein. Vielmehr kommt es auf die Mischung an. Wenn ein Teil der Wasserversorgung ausfällt, gibt es noch andere Pfeiler. Gerade diese Widerstandsfähigkeit des kompletten Versorgungssystems ist in Ghana wichtig.“

Da viele Häuser in Accra nicht an das Leitungsnetz angeschlossen sind, liefern Trucks das Wasser.

Die Wissenschaftlerinnen rufen daher zu einem Paradigmenwechsel auf: „Wir versuchen, unsere europäischen Lösungen und unser Bild einer modernen Stadt und funktionierenden Wasserversorgung auf Afrika anzuwenden. Davon müssen wir uns lösen und stattdessen von den gelebten Realitäten und Praktiken lernen.“

Was uns der Umweltschutz in Ghana angeht

Das Ziel des WaterPower-Projekts ist daher eine neuartige Wasserforschung zu begründen, die die vielfältigen Beziehungen zwischen Gesellschaft und Wasser in den Blick nimmt. Antje Bruns: „Viele andere Städte des sogenannten Globalen Südens haben ähnliche Probleme mit den Wechselwirkungen zwischen Stadtwachstum, Umweltzustand und der Trinkwasserverfügbarkeit wie Accra.“ Diese Aspekte wurden kürzlich bei einem internationalen Symposium an der Universität Trier mit anderen Wissenschaftlerinnen diskutiert.

Verflechtungen zwischen Weltregionen existieren auch in anderer, nicht unbedingt offensichtlicher Form: Beispielsweise wird das Oberflächen- und Grundwasser in Accra durch Elektroschrottdeponien verunreinigt. Dieser Elektroschrott sind unsere Computer, Kühlschränke oder alte Handys, die auf illegalem Weg nach West-Afrika verschifft werden, um dort einer Wiederverwertung zugeführt zu werden – allerdings ohne Standards für Arbeitssicherheit oder Schutz von Ökosystemen. „Auch wenn Ghana für uns in Deutschland weit weg erscheint, hat unser Handeln in Zeiten der Globalisierung dort ebenso Auswirkungen, wie umgekehrt. Nachhaltigkeit und Umweltwandel dürfen nicht lokal gedacht werden, sondern sind in ihren räumlichen Vernetzungen zu verstehen“, sagt die Professorin der Universität Trier.

Projekt „WaterPower“

Fünf Jahre lang untersuchte ein Team von Wissenschaftlerinnen der Universität Trier unter Leitung von Prof. Dr. Antje Bruns in Kooperation mit der University of Ghana die Wechselbeziehung zwischen Gesellschaft, Politik, städteplanerischen Maßnahmen sowie Umweltfaktoren mit Blick auf eine sichere Wasserversorgung in Accra. Die Besonderheit des Projekts ist, dass disziplinäre Grenzen überwunden werden, indem Wasser als Bestandteil der natürlichen Umwelt und gleichermaßen in seiner gesellschaftlichen Dimension begriffen wird. Das Projekt wird gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in der Forschungslinie „Globaler Wandel“.

► Zur Webseite des WaterPower-Projekts

Kontakt

Prof. Dr. Antje Bruns
Projekt WaterPower
Mail: brunsauni-trierde
Tel. +49 651 201-4550

Neben der Verschmutzung von Wasser hat Accra vor allem ein Problem mit der Verteilung von Wasser.