Licht-Kunst-Guerilla

Trierer Studierende der Kunstgeschichte haben in Kooperation mit der Kunsthochschule Saar und dem generator.medienkunstlabor Trier ein künstlerisches Experiment gewagt.

Am vergangenen Freitag bewegte sich eine Gruppe Studierender mit einem gleißend hellen Lichtschlauch von der Porta Nigra aus durch die Simeonstraße. Zahlreiche Passanten blieben stehen, manche vermuteten eine Fridays-for-Future-Demonstration, andere eine Gedenkprozession. Doch Ziel der Licht-Kunst-Guerilla, einer unangekündigten künstlerischen Aktion, war vielmehr ein anderes: „Wir haben mit mobilem Licht Eingriffe in den öffentlichen Raum vorgenommen, um zu erforschen, wie die Hinzugabe von verschiedenen Lichtern oder die Beeinflussung beziehungsweise Wegnahme von vorhandenen Lichtquellen die Umgebung verändert“, sagte Daniel Hausig, Professor für Licht und Intermedia an der Hochschule für Bildende Künste (HBK) Saar.

Die Kunststudierenden der HBK Saar wurden bei der zweitägigen Aktion, die gemeinsam mit dem »»generator.medienkunstlabor der Universität Trier stattgefunden hat, von Studierenden der Kunstgeschichte der Universität Trier begleitet, die unter anderem eine Facebook-Story erstellt haben. Das Zusammenwirken von künstlerisch kreativer mit kunsthistorisch methodischer Perspektive brachte beiden Seiten neue Erfahrungen und öffnete den Blick auf unterschiedliche Herangehensweisen im Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum. So erlaubte es das Experiment, kritische Fragen zu stellen und zu beantworten. Diesen Diskurs weiterzuführen und voneinander zu lernen, ist Ziel der Kooperation zwischen der Klasse für Lichtkunst und Intermedia, Prof. Daniel Hausig von der HBK Saar und dem »»generator.medienkunstlabor der Universität Trier, vertreten durch Prof. Dr. Ulrike Gehring und Dr. Stephan Brakensiek.

Völlige Dunkelheit und erleuchtete Räume

Die Ergebnisse der Experimente waren am Samstagabend im Palastgarten zu sehen: Ihre beweglichen, temporären Lichtinterventionen setzten die Studierenden mit sparsamem technischem Aufwand um – die Maxime lautete: nur so viel und solches Leuchtmaterial mit der erforderlichen Energiequelle zu verwenden, die jeder einzelne selbst tragen kann. In diesem Sinne diente das LED-Lichtpanel, welches Malika Hagemann mitsamt der Batterie auf eine Sackkarre geladen hatte, als mobiles Flutlicht, das den Besuchern Zugang zum Sportplatz eröffnete, der ohne das Werk in völliger Dunkelheit verschwunden wäre. In ähnlicher Weise tauchte Michael Voigt eine Parkbank und den dazugehörigen Mülleimer in ein fluoreszierendes Stillleben und machte so den Passanten den sozialen Raum bewusst.

Martine Marx
Nane Neu
Malika Hagemann
Bazhad Sulaiman
Donja Fard
Elisa Ligensa

Auch für die Aktion von Isabell Kirsch war der Palastgarten der perfekte Ort: Sie ließ die Bäume des Parks mittels pulsierender Lichtwurzeln miteinander kommunizieren und setzte damit ihre Vorstellungen von Licht im Einklang mit der Natur um. Die angehenden Künstlerinnen und Künstler stellten auch Überlegungen über die Auswirkungen des Entfernens von Laternenlicht an. Der dabei entstehende lichtlose Raum würde das Verhalten der Passanten insofern verändern, als dass sie die verdunkelte Gegend mieden. Im Ergebnis entschieden sich die Studierenden daher, vorhandenes Licht zu verändern: So verwandelte Martine Marx den verlassenen Kiosk im Palastgarten in einen Farbfeld-Kubus und beeinflusste dadurch die Wahrnehmung des Ortes in positiver Weise.

Skulpturen in anderem Licht

„Auffallend ist die Ortsspezifik einiger Lichtexperimente, wo die Lichtkunst sich kombiniert mit den vorhandenen plastischen Kunstwerken im Palastgarten und sich in die Skulpturen einfügen“, sagten Studentinnen der Kunstgeschichte. Dies zeigte sich eindrücklich bei Bahzad Sulaiman: Er tastete die Rokoko-Figuren von Ferdinand Tietz mit Lichtrastern ab, um so Posen und Attribute der Figur skizzenhaft hervorzuheben. Elisa Ligensa gab den allegorischen Figuren fragile Lichtblumen bei oder ersetzte fließendes Wasser durch Lichtschläuche, wodurch sie einen Brunnen in ein Sinnbild für Wasserenergie verwandelte. Hyerim Byun nahm sogar selbst in einem, mit zahlreichen LED-Lampen gespickten weißen Overall die Position von Skulpturen auf einem Sockel ein und versetzte mit ihrer Performance den Figurenpark unmittelbar in Bewegung. Ihr Kommilitone Montaser Hassan zog dagegen die Silhouetten von Raf Verjans Monument Tongeren 2000 mit fluoreszierenden Fäden nach und wies damit auf Spuren hin, die beim Spaziergang im Park oftmals übersehen werden.

Verschiedene Perspektiven auf Kunstwerke

Trotz der Kälte des Novembers schaffte es Nane Neu Erinnerungen an die Sommermonate zu wecken: Mit Knicklichtern in milchigen Glasflaschen erzeugte sie ein farbiges Picknick am See. Die Studentin Donja Fard hatte beleuchtete Holzbögen aufgestellt, die metaphorisch auf die sieben Lebenshürden einer persischen Heldensaga verwiesen. Beim Durchschreiten konnte die Beschwerlichkeit der Hürden körperlich nachgespürt werden.

Die Licht-Guerilla-Aktion brachte die Studierenden der Kunstgeschichte mit den Künstlerinnen und Künstlern in eine Diskussion, die es beiden Seiten erlaubte, sich von verschiedenen Perspektiven den Kunstwerken zu nähern. Die Projektbeteiligten von Universität Trier und HBK Saar sind sich sicher: Es wird nicht der letzte gemeinsame Diskurs zu Lichtkunst im öffentlichen Raum gewesen sein.

► Zur Homepage der Kunstgeschichte

Kontakt

Andrea Günther
Kunstgeschichte
Mail: guenther@uni-trier.de
Tel. +49 651 201-2126


Studium Kunstgeschichte an der Universität Trier

Performance mit Lichtschlauch in der Trierer Innenstadt von Daniel Hausig (Professor für Licht und Intermedia) mit Studierenden der HBK Saar und Studierenden der Kunstgeschichte der Universität Trier.