Wie läuft’s im Digitalen Semester?

#wirbleibenzuhause im Sommersemester 2020 – ein Zwischenfazit mit einer Mischung von neuem Alltag und dem Gefühl von Experiment.

Was Luca Wagner aktuell besonders vermisst, ist durch die Reihen der Bücherregale in der Bibliothek zu laufen. „Auf der Suche nach Literatur kann man dann auch einmal links oder rechts vom gefundenen Buch nach weiterer hilfreicher Lektüre für die Hausarbeit schauen.“ Luca Wagner studiert im achten Bachelor-Semester Politikwissenschaft und Öffentliches Recht – wie alle Studierenden der Uni Trier aktuell fast komplett zuhause.

Wie viele andere Studierende ist er aktuell nicht in Trier. Zuhause ist für ihn gerade bei seinen Eltern im Saarland. Dort hat er es sich mittlerweile, wie auch im Digitalen Semester, eingerichtet. Für ihn als Hauptreferent für Hochschulpolitik des Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA) der Uni Trier hat das Digitale Semester auch einen Vorteil, wie er sagt: „Man ist flexibler.“ Tagsüber telefoniert er viel mit seinen Kolleginnen und Kollegen vom AStA und den anderen ASten in Rheinland-Pfalz. Das Studium verschiebt sich eher in den Abend. „Wirklich planen kann ich meinen Tag durch meine ehrenamtliche Tätigkeit im AStA nicht.“

Er hat das Gefühl, dass das Digitale Semester an der Uni Trier, auch im Vergleich mit anderen Hochschulen, bisher recht gut läuft. Als Vertreter der Studierenden hat Luca Wagner das Digitale Semester in der zentralen Arbeitsgruppe der Uni Trier mit vorbereitet. Trotz seiner insgesamt positiven Einschätzung bekommt er mit, wo noch Probleme sind: „Die allermeisten Dozentinnen und Dozenten sind sehr bemüht, digital gute Vorlesungen und Seminare zu machen. Aber es gibt auch einige, bei denen die Qualität nicht ganz so gut ist. Ich würde mir wünschen, dass sich Lehrende untereinander besser abstimmen. Oftmals ist das Volumen der zu bearbeitenden Literatur und der zu erbringenden Leistungen höher als vorher.“

Unterstützungsangebote für Lehrende

Martin Schreiber ist Leiter des Bereichs „Qualitätsmanagement und Lehrentwicklung“ an der Uni Trier. Er und sein Team befragen jedes Semester online Studierende zu ihrem Studium und den Lehrveranstaltungen, beraten aber auch Lehrende zur Konzeption und Gestaltung von Vorlesungen und Seminaren. Seine Botschaft daher an die Lehrenden: „Holen Sie sich Unterstützung! Unsere Arbeitsstelle gute und innovative Lehre gibt Ihnen Tipps und Anleitungen, wie Sie Ihre digitalen Veranstaltungen gestalten und noch weiter verbessern können. Und die Kolleginnen und Kollegen vom Service-Punkt des ZIMK helfen gerne bei technischen Problemen.“

Knapp 90 Prozent der ursprünglich geplanten Lehrveranstaltungen im Sommersemester 2020 sind auf digitale Plattformen gewandert. Auch wenn es noch keine vollständige Erhebung dazu gibt, wie die circa 1.500 Veranstaltungen von den Lehrenden durchgeführt werden, lassen sich doch gewisse Trends erkennen: Die meisten Vorlesungen werden nach Martin Schreibers Eindruck nicht live gehalten, sondern sind beispielsweise als Video über die Plattform Panopto abrufbar. Seminare dagegen halten Dozentinnen und Dozenten doch häufig in Echtzeit-Videokonferenzen. Stud.IP, das Learning-Management-System der Uni Trier, kommt durchweg zum Einsatz und wird intensiv genutzt.

Reale Post im Digitalen Semester

Auch Claudine Moulin verwendet beides. Die Professorin für ältere deutsche Philologie betreibt viel Aufwand für ihre Lehrveranstaltungen. Sie bietet Abendsprechstunden per Chat an, tweetet über ihre Lehrveranstaltungen, schreibt ihren Studierenden zur Übersicht Lernpläne und hat sogar in einem Seminar an alle Teilnehmenden, die wollten, per Post eine Aufstellpostkarte einer mittelalterlichen Handschrift verschickt.

Doch es müsse nicht immer noch ein Video und noch ein Extra sein, sagt sie auch. „Die große Herausforderung ist, die eigene Perfektion auch einmal beiseite zu lassen. Wenn man bei der Aufnahme einer besprochenen PowerPoint durch das Klingeln des Postboten gestört wird, muss man nicht alles nochmal neu machen. Es hat auch etwas Authentisches.“

Etwas schade findet die Professorin, dass sie ihren Studierenden die eine oder andere Handschrift zum Beispiel bei Exkursionen nicht im Original zeigen kann, da sich dadurch manches besser erklären lässt. Die Arbeit an zum Teil tausend Jahre alten Originalen sei als besondere Erfahrung kaum zu ersetzen. Dem Digitalen Semester kann Claudine Moulin dennoch viel Positives abgewinnen: „Ich kann beispielsweise Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von anderen, auch ausländischen, Unis problemlos für kurze Fragerunden in meine Seminare holen.“ Auch für sie selbst sei es einfacher, sich in Veranstaltungen von Kolleginnen und Kollegen einzuklinken. Das wiederum helfe bei der Gestaltung der eigenen digitalen Seminare genauso wie der Austausch mit Studierenden. „Es ist für uns alle eine Laborsituation. Ich hoffe, dass wir einige der digitalen Formate auch mit in die nächsten Semester nehmen und so neue Wege der universitären Lehre gehen können.“

„Eigentlich kaum zu glauben“

Auch Universitätspräsident Prof. Dr. Michael Jäckel bezeichnet das Digitale Semester als ein großes Lehr- und Lernexperiment, das auf allen Seiten schnelles Reaktionsvermögen und Sinn für praktikable Lösungen erforderlich gemacht habe. „Eigentlich kaum zu glauben, wie schnell der Schaltplan einer Universität vorübergehend umgestellt werden konnte.“

Aus seiner Sicht laufe das Digitale Semester bisher sehr gut. Besonders freut es ihn, dass die notwendige IT-Infrastruktur überwiegend ohne Probleme funktioniert. „Wir kennen auch Fälle, in denen technische Probleme aufgetreten sind. Insgesamt aber ist es für alle eine außergewöhnliche Herausforderung, die auch ein wirkliches Kollektivbewusstsein hervorgebracht hat. Ich hoffe, dass die Lehren aus dieser Situation dauerhaft zu einer Modernisierung der Hochschullandschaft beitragen. Ich werde mich weiterhin, auch in meiner Rolle als amtierender Vorsitzender der rheinland-pfälzischen Landeshochschulrektorenkonferenz, gegenüber dem verantwortlichen Ministerium für gute Lösungen einsetzen.“

Mehr Infos zum Digitalen Semester

► Unterstützung für digitale Lehre

► Hinweise zur Studienorganisation

► Tipps und Strategie für das Studium in Corona-Zeiten

Umfrage der Bildungswissenschaften und des Qualitätsmanagements der Uni Trier zur digitalen Lehre

► Für Lehrende

► Für Studierende