Urteil der Woche (KW 39)

Der BFH hat mit Urteil vom 23.04.2021 (IX R 8/20) entschieden, dass ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten nicht vorliegt, wenn ein Grundstück unentgeltlich auf Kinder übertragen wird und diese das Grundstück an den Erwerber veräußern. Der Veräußerungsgewinn ist dann bei den Kindern nach deren steuerlichen Verhältnissen zu erfassen.

Im konkreten Fall erwarb die Klägerin in 2011 ein Grundstück. Ein Jahr später übertrug sie das Grundstück unentgeltlich zu hälftigem Miteigentum an ihre zwei volljährigen Kinder. Am selben Tag verkauften die Kinder das Grundstück zu einem höheren Preis an den Erwerber. Die Verkaufsverhandlungen hatte die Klägerin allein geführt. Das FA sah in der Schenkung an die Kinder einen Missbrauch von rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten i.S.d. § 42 Abs. 1 AO und rechnete den Veräußerungsgewinn (rund 100.000 EUR) der Klägerin zu. Nach erfolglosem Einspruch wies das FG die Klage ab. Denn der § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG stelle keine spezielle Missbrauchsvorschrift dar, welche dem § 42 Abs. 1 AO vorgehe.

Dem widersprach der BGH, der sehr wohl eine speziellere Missbrauchsvorschrift in § 23 Abs. 1 S. 3 EStG sieht. Im Streitfall ist mit der unentgeltlichen Übertragung des Grundstücks und der anschließenden Veräußerung der Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 3 EStG erfüllt. Damit ist die Anwendung des allgemeineren § 42 AO ausgeschlossen.

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