Urteil der Woche (KW 45)

Mit Beschluss vom 09.06.2021 (I B 60/20) hat der BFH entschieden, dass § 50d Abs. 3 EStG auch bei Vorliegen einer sog. Mäanderstruktur unionsrechtswidrig ist.

Zum Verständnis vorweg. Die Vorschrift des § 50 Abs. 3 EStG soll verhindern, dass durch die gezielte Zwischenschaltung geeigneter juristischer Personen Vergünstigungen eines Doppelbesteuerungsabkommens oder einer Richtlinie (insb. der Mutter-Tochter-Richtlinie) von nichtberechtigten Personen in Anspruch genommen werden (sog. „Treaty Shopping“ und „Directive Shopping“).

Im konkreten Fall ging es um die Klägerin, die als eine niederländische B.V., die Alleingesellschafterin einer inländischen GmbH ist. Nach einer konzerninternen Umstrukturierung waren ab dem 21.12.2015 an der Klägerin zu 49 % eine französische S.A.S. sowie zu 51 % eine niederländische C.V. beteiligt. Am 31.03.2016 schüttete die inländische GmbH einen Betrag X an die Klägerin aus. Da zu diesem Zeitpunkt keine Freistellungsbescheinigung zugunsten der Klägerin vorlag, behielt die GmbH von der Ausschüttung zunächst Kapitalertragsteuer und Solidaritätszuschlag ein und führte diese an das zuständige FA ab. Auf Antrag der Klägerin erstattete das BZSt später nach § 50d Abs. 1 EStG die Kapitalertragsteuer, aber nur anteilig in Höhe der Beteiligung von 49 % an der S.A.S.. Die Erstattung im Übrigen wurde abgelehnt.

Der dagegen gerichteten Klage gab das FG Köln statt. Gegen die Nichtzulassung der Revision im vorgenannten Urteil wehrt sich das BZSt mit seiner Beschwerde, die es auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie das Erfordernis der Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Var. 1 FGO) stützt.

Nach Ansicht des BFH ist die vom BZSt als grundsätzlich i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO aufgeworfene Rechtsfrage, ob § 50d Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 EStG dahingehend europarechtskonform auszulegen ist, dass einer im Inland ansässigen Person, die an der ausländischen Gesellschaft beteiligt ist, auch dann eine Erstattung oder Freistellung i.S. des § 50d EStG zusteht, wenn sie zwar selbst keinen Erstattungs- bzw. Freistellungsanspruch nach § 50d Abs. 1 und 2 EStG geltend machen könnte, ihr aber die Möglichkeit der Kapitalertragsteueranrechnung nach § 8 Abs. 1 des  KStG i.V.m. § 36 Abs. 2 Nr. 2 EStG bei gleichzeitiger Befreiung von der Körperschaftsteuer nach § 8b Abs. 1 KStG offen stünde (sog. Mäanderstruktur), ist bereits durch die Rechtsprechung des EuGH geklärt. Da die aufgeworfene Rechtsfrage geklärt ist, kommt eine Revisionszulassung auch nicht unter dem Aspekt der Rechtsfortbildung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Variante 1 FGO) in Betracht. Die Beschwerde ist als unbegründet zurückzuweisen.

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