Urteil der Woche (KW 13)

Das heutige Urteil der Woche weist einen besonderen Bezug zum Universitätsstandort Trier auf: Es handelt sich nicht nur um den Fall eines Trierer Steuerpflichtigen, der Fall hat außerdem große praktische Bedeutung für in der Region um Trier ansässige Grenzgänger.
Der BFH (X R 11/20, X R 28/20) hat sich mit der Frage beschäftigt, ob ein Abzug von Vorsorgeaufwendungen, welche im Zusammenhang mit steuerfreien Gehältern und Renten aus dem EU-Ausland stehen, möglich ist.

Kläger ist ein in Deutschland lebender Rentner, der seinerzeit in Luxemburg als Arbeitnehmer beschäftigt gewesen war und seit seinem Ruhestand eine gesetzliche Altersrente aus Luxemburg bezieht, die in Luxemburg besteuert wird. Nach luxemburgischem Einkommensteuerrecht sind Beiträge zur Pflegeversicherung – anders als in Deutschland – nicht von der Steuer absetzbar. Der Kläger beantragte deshalb bei der Besteuerung seiner Inlandseinkünfte den Sonderausgabenabzug für seine Beiträge zur Pflegeversicherung in Höhe des auf die luxemburgische Altersrente entfallenden Anteils. Das FA lehnte dies ab, da die Beiträge insoweit im Zusammenhang mit steuerfreien Einnahmen stünden und die Berücksichtigung daher nach dem Abzugsverbot des § 10 Abs. 2 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG ausgeschlossen sei. Das FG lehnte die Ansicht des FA ab und gab dem Kläger recht.

Der BFH folgte der Ansicht des FG. Da die luxemburgische Altersrente in Deutschland (wenn auch unter Progression) steuerfrei gestellt wurde, greife grundsätzlich das Abzugsverbot des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 1 EStG. Jedoch komme das Abzugsverbot auf Grund des vorliegenden Ausnahmetatbestandes des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG nicht zur Anwendung. Denn nach § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Teilsatz 2 EStG sind Vorsorgeaufwendungen i.S. von Abs. 1 Nr. 2, 3 und Nr. 3a (d.h. auch Pflegeversicherungsbeiträge) ungeachtet eines unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhangs mit steuerfreien Einnahmen gleichwohl als Sonderausgaben zu berücksichtigen,
- soweit sie in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit in einem (u.a.) EU-Mitgliedstaat erzielten Einnahmen aus nichtselbständiger Tätigkeit stehen (Buchst. a),
- diese Einnahmen nach einem DBA im Inland steuerfrei sind (Buchst. b),
- und der Beschäftigungsstaat keinerlei steuerliche Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen im Rahmen der Besteuerung dieser Einnahmen zulässt (Buchst. c).

Die Voraussetzungen seien im vorliegenden Fall gegeben.
Nach dem Wortlaut (Buchst. a) gelte die Ausnahme zunächst nur bei Einnahmen aus "nichtselbständiger Tätigkeit“, wovon die Bezüge des Klägers aus der luxemburgischen gesetzlichen Rentenversicherung nicht erfasst seien. Trotz des entgegenstehenden Wortlauts gebiete jedoch die Arbeitnehmerfreizügigkeit (Art. 45 AEUV) die Anwendung auch für den Fall des Bezugs einer gesetzlichen Altersrente aus dem (früheren) Beschäftigungsstaat. Der BFH betonte, dass Art. 45 AEUV als unmittelbar geltendes Recht zu beachten sei.
In der Parallelentscheidung (X R 28/20) stellte der BFH zudem klar, dass Beiträge zu einer bestimmten Versicherungssparte, die bereits bei der Besteuerung im Beschäftigungsstaat zum Abzug zugelassen sind, weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht nochmals in Deutschland berücksichtigt werden können.

www.bundesfinanzhof.de/de/entscheidung/entscheidungen-online/detail/STRE202210029/