Wie kann ich Spiele gewinnen?

Hallo liebe Kinder!

Erst gestern ist es mir wieder passiert. Ich wollte mit meiner kleinen Schwester ein Spiel spielen und schnell gab es Diskussionen. Erste Frage: Auf welches Spiel können wir uns einigen? Zweite Frage: Wird hier geschummelt? Dritte Frage: Warum verliere ich immer gegen meine Schwester?

Nicht immer ist es einfach mit dem Spielen. Gut, dass die passende Veranstaltung bei der Kinderuni schon auf mich wartete. „Wie kann ich Spiele gewinnen?“ Woher wusste die Kinderuni bloß, dass ich mir diese Frage seit Jahren stelle. Nicht lange überlegt, da war ich bereits angemeldet.

Die Veranstaltung begann erst mal mit einem sehr merkwürdigen Wort, nämlich der Einführung in die „Spieltheorie“. Hä? Theorie... Spielen... Wie passt das zusammen? Immerhin stelle ich mir unter „Spielen“ jede Menge Spaß für Kinder und Füchse vor, bei „Theorie“ hingegen denke ich nur an langweilige Aussagen für Erwachsene, die kennt man aus der Schule genug. Aber eigentlich ist es ja ganz logisch, wenn man lernen will, Spiele zu gewinnen, dann muss man eben mit Plan und System an die Sache ran gehen. Und diese Spieltheorie erforschen dann sogar echte Wissenschaftler. Ok. Erste Überlegung diesbezüglich: Was macht ein Spiel aus? Käme ein intelligenzbegabter Außerirdischer zu uns auf die Erde und hätte diese eine Frage an uns: „Was ist ein Spiel?“ Was würden wir antworten?

„Manchmal braucht man Glück“, weiß Felix. Sein Name bedeutet übrigens „der Glückliche“, klar, dass er sich also damit auskennt. „Es gibt Brett- und Kartenspiele!“, weiß Evelyn. „Außerdem kann man auch zwischen Glücks- und Taktikspielen unterscheiden!“ Ich stelle fest, die anderen Kinder in dieser Veranstaltung sind große Experten im Feld der Spiele. Und dass man ab und zu bei Spielen auch ganz schön lange über seinen nächsten Zug nachdenken muss, das habe ich auch schon oft erfahren. Wenn man bei „Mensch ärgere dich nicht“ die Möglichkeit hat, mehrere seiner Geschwister raus zu werfen, dann muss man schon länger überlegen, wen man denn am wenigsten mag. Aber was macht denn nun ein Spiel endgültig zum Spiel? „Es dient der Unterhaltung und dem Zeitvertreib“, sagt Thomas. Genau wie ins Kino gehen - kein Spiel. „Es braucht auch Kommunikation mit anderen.“ Also genau wie zum Beispiel ein gemeinsames Treffen im Eis Café - kein Spiel. „Man braucht außerdem Materialien!“ Wir überlegen weiter und denken an einige Spiele, die eigentlich gar keine Materialien brauchen: „Schere, Stein, Papier“ zum Beispiel. Ganz eingekreist haben wir es also immer noch nicht, wann ein Spiel ein Spiel ist. Interessant ist auch, dass ein Spiel ein Spiel ist, selbst wenn man gar keinen Spaß daran hat, wenn man zum Beispiel mit seinen kleinen Geschwistern ein Spiel spielen muss, für das man längst zu alt ist. Schließlich die Auflösung: Ein Spiel braucht Gemeinschaft, es braucht vor allem Regeln und man muss solche Entscheidungen treffen können, dass sie den ganzen Verlauf des weiteren Spiels beeinflussen. Außerdem gibt es am Ende in irgendeiner Weise einen Gewinner und einen Verlierer. Wer von beiden ich meistens bin, sage ich jetzt lieber nicht. Aber warum erforschen Wissenschaftler jetzt Spiele? Haben die etwa nichts Sinnvolles zu tun? Doch auch auf diese Frage wissen die Kinder eine Antwort: Oft braucht man für Spiele mathematisches Wissen und tatsächlich gibt es so etwas Ähnliches wie Spiele auch oft im Alltag, immer dann, wenn Menschen etwas zusammen machen: Geschäfte, die miteinander im Wettbewerb stehen, Länder, die miteinander zusammen arbeiten - oder auch nicht, und natürlich im Sport, bei dem es noch dazu oft um sehr viel Geld geht.

Nachdem die Theorie also besprochen war, ging es darum, verschiedene Typen von Spielen kennen zu lernen und zu analysieren. Spiele, bei denen alle Mitspieler der Reihe nach dran sind, z.B. Monopoly oder Schach, kann man in Baumform darstellen. Anhand eines Baumdiagramms wird durch Äste dargestellt, welche Zugmöglichkeiten die einzelnen Mitspieler haben. Hat man den Baum einmal gezeichnet, kann man dann leicht bestimmen, welches das beste Vorgehen ist.

Hier ein Beispiel: Spieler A sagt eine Zahl zwischen 1 und 3. Spieler B nennt daraufhin eine Zahl zwischen 1 und 3, die aber noch nicht genannt wurde. Spieler A gewinnt bei einer geraden Summe der Zahlen, Spieler B gewinnt bei einer ungeraden Summe. Das Baumdiagramm sieht dann folgendermaßen aus:

B gewinnt       A gewinnt            B gewinnt     B gewinnt               A gewinnt           B gewinnt

            2\                /3                             1 \              /3                                        1\            /2

                         1                                            2                                                        3
Wer gewinnt, bekommt ein Schokoladenei. „Unter der Annahme, dass Spieler B Schokolade mag, wird er wohl gewinnen wollen“, fasst unser Professor, Prof. Dr. Marc Oliver Rieger, zusammen. Das kann ich nur bestätigen. Die Schokolade würde ich auch gewinnen wollen. Und je nachdem was Spieler A sagt, kann man als Spieler B den Ausgang des Spiels bestimmen und immer so antworten, dass man gewinnt. Sagt Spieler A: „1“, so sollte man als Spieler B: „2“ antworten. Sagt Spieler A: „2“, so ist es sogar egal, was man als Spieler B antwortet - man gewinnt immer. Spieler B sagt also zum Beispiel: „3“ und gewinnt die Schokolade. Spieler A sagt dann wahrscheinlich: „Mist!“

Dieses Vorgehen, bei dem man mit einem Baumdiagramm die einzelnen möglichen Ausgänge des Spiels analysiert, um zu überlegen, wie man gewinnen kann, nennt man komplizierter Weise: Rückwärts-Induktion. Ein schönes Wort, falls man beim Monopoly-Spielen mal mit Fachbegriffen angeben möchte. Leider kann man das nicht für alle Spiele machen. Für Schach zum Beispiel kann man keinen solchen Spielbaum zeichnen, weil es einfach viel zu viele Möglichkeiten gibt! Und weil unsere Möglichkeiten dabei begrenzt waren, gingen wir zum nächsten Thema über: Spiele in Normalform. Damit sind alle Spiele gemeint, bei denen sich Spieler gleichzeitig entscheiden müssen, wie zum Beispiel bei dem allseits beliebten Spiel „Schere, Stein, Papier“. Ihr könnt gerne einmal ausprobieren das nacheinander zu spielen, aber Spoiler-Alarm: der zweite Spieler wird dabei immer gewinnen!

Dabei gibt es Spiele, bei denen man gegeneinander spielt, aber es existieren auch „Koordinationsspiele“, bei denen die Spieler kooperieren, also zusammenarbeiten müssen, um zu gewinnen. Das gilt zum Beispiel bei einem interessanten Spiel mit Steinen. Legen beide Spieler zeitgleich die gleiche Anzahl an Steinen, gewinnen sie, sonst nicht. Man definiert dann das sogenannte „Nash-Gleichgewicht“, wenn beide den gleichen Ausgang wollen, weil sie sich von diesem am meisten (Schokolade) versprechen. Das war alles ganz schön spannend und die super schlauen Kinder in meiner Gruppe schienen das alle sofort verstanden zu haben.

Eine wichtige Frage galt es aber noch zu klären, nämlich: „Wie spielen Computer?“ Habt ihr schon mal gegen einen Computer Schach gespielt? Er scheint alles vorhersagen zu können und gewinnt fast immer. Das kann er deshalb, weil er immer die möglichen nächsten Züge vorausrechnet und dann die beste Variante spielt. Es scheint unmöglich den Computer zu schlagen - außer vielleicht man zieht ihm den Stecker, ich bin ja ein Schlaufuchs. Und doch gibt es Spiele, bei denen der Spielbaum so unendlich groß wäre, dass kein Computer der Welt ihn ausrechnen kann. So zum Beispiel ein chinesisches Brettspiel namens „Go“, das wir noch lernen sollten. Die Anzahl der möglichen Züge ist sooooo riesig, dass es wohl eine Zahl ist mit ca. 1000000000000000000000000000000000000000000000000 Ziffern. Das ist also nur die Zahl der Ziffern der Zahl an möglichen Zügen. Kommt ihr noch mit? Ich glaube, es ist nur wichtig zu wissen, dass es sich um ein so unberechenbares Spiel handelt, dass der Mensch darin besser sein kann als ein Computer. Dabei ist es eigentlich gar nicht schwierig, wir haben das Spiel kennen gelernt und wir sind ja keine Supercomputer, sondern bloß Kinder und Füchse. Damit der Computer etwas ähnlich Schlaues auf die Reihe bekommt wie wir, muss er eine Art Gehirn werden, das nennt man dann „neuronales Netz“, das aus seinen eigenen Fehlern lernt, indem es ganz viele Partien gegen sich selbst spielt. Und das mit diesem neuronalen Netz ist eine echt verrückte und wichtige Geschichte, weil es viel mehr kann als nur Spiele erlernen. Es kann sich fast alles beibringen, zum Beispiel Sprachen erlernen.

Schließlich waren wir dann an der Reihe unsere Gehirne anzustrengen und gegeneinander anzutreten: mathematische Spiele, Geschicklichkeitsspiele, für jeden Geschmack war etwas dabei, aber mein schlauer Fuchs-Kopf war ganz schön am Rauchen. Am Schluss gab es dann eine kleine Siegerehrung der Gewinner, Spaß hatten wir aber alle!

Und jetzt seid ihr gefragt: Seid ihr schlauer als ein Computer? Könnt ihr durch Rückwärts-Induktion den besten Ausgang des Spiels herausfinden oder eure Geschwister besiegen?

Hier ein Beispiel-Spiel, erfunden von Mathematikern:

Man zeichne zwei oder drei Punkte auf ein Blatt. Immer zwei Punkte verbinde man irgendwie und zeichne auf diese Linie einen neuen Punkt. So geht es immer weiter, dabei dürfen sich Linien aber nicht überschneiden und von jedem Punkt dürfen maximal drei Linien ausgehen. Man braucht nur Papier und einen Stift - das Spiel ist also sehr geeignet für die Schule, wenn es mal etwas langweiliger ist... Wer zuerst keine Linien mehr zeichnen kann, verliert!

Viel Spaß,
euer Spielefuchs Kunibert Schlaufuchs
[Louisa Kress; Fotos von Kerstin Heinen]

...und HIER geht's zum nächsten Bericht!