ALLES NEU? ALLES GUT? IN DER KINDER- UND JUGENDHILFE - FACHDIALOG ZUR REFORM DES SGB VIII

9.12.

Alles neu? Alles gut? Fachdialog zur SGB VIII-Reform

Universität Trier – digitaler Raum – dienstags,16:00 bis 18:00Uhr c.t.

08.11.22, 15.11.22, 29.11.22, 13.12.22

ACHTUNG! DER TERMIN AM 13.12.22 ENTFÄLLT LEIDER KRANKHEITSBEDINGT!!!!!

 

Eine Veranstaltungsreihe des Arbeitsbereichs Sozialpädagogik II an der Universität Trier in Kooperation mit dem Stadtjugendamt Trier und der katholischen Erwachsenenbildung Trier.

Lange Zeit wurde über eine rechtliche Reform Kinder- und Jugendhilfe diskutiert – mit der Verabschiedung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes (KJSG) im Juni 2021 ist das novellierte SGB VIII nun in Kraft getreten. Die Reform sieht Änderungen in fünf Bereichen vor: einen besseren Kinder- und Jugendschutz, die Stärkung von Kindern und Jugendlichen, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufwachsen, Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen, mehr Prävention vor Ort sowie mehr Beteiligung von jungen Menschen, Eltern und Familien.

Die Reform trifft dabei auf einen breiten Fachkonsens, wenngleich nicht alles, was aus Sicht der Fachpraxis- und Wissenschaft wichtig gewesen wäre, auch umgesetzt wurde. Als Essenz eines langen Diskussions- und Aushandlungsprozesses werden mit dem reformierten SGB VIII viele Entwicklungen aufgegriffen, die von der Praxis entweder bereits vorbereitet (bspw. Schulsozialarbeit als eigenständiges Handlungsfeld der Kinder- und Jugendhilfe) oder schon lange gefordert wurden, bspw. den eigenständigen Beratungsanspruch für Kinder und Jugendliche. Auch legt das KJSG den Grundstein für die ‚Große Lösung‘ auf dem Weg zu einer inklusiven Jugendhilfe, die bereits seit der ersten Novellierung des SGB VIII 1990 in der Diskussion ist. Nun soll sie schrittweise bis zum Jahr 2028 realisiert werden, wenngleich noch nicht alle gesetzlichen Grundlagen dafür geschaffen sind. Auch mit beispielsweise der Möglichkeit der gemeinsamen Unterbringung von Müttern und Vätern und ihren Kindern nach § 19, der Stärkung der Hilfen für Volljährige (§ 41 und 41a SGB VIII) sowie den gestärkten Beteiligungsrechten aller Leistungsberechtigten und Adressaten zentrale Forderungen der Kinder- und Jugendhilfe umgesetzt worden.

Allerdings sind auch die vielen kritischen Bezugnahmen auf die Gesetzesentwürfe nicht verstummt und es werden nach wie vor Einwände formuliert. Dies betrifft unter anderem verpasste Chancen mit Blick auf ein an Jugendrechten orientierten Hilfesystems und einem eher individualistischen Inklusionsbegriff aber auch die erweiterten Informationspflichten im Kinderschutz, bei denen vermutet wird, dass sie Ratsuchende verunsichern sowie zu einer erheblichen Belastung der Vertrauensbasis zwischen Familien und Jugendamt führen könnten. Auch die Neuregelung zur Ombudsschaft (§ 9a SGB VIII) wird auf ihre Ambivalenzen hin diskutiert, da hier durch die nun mögliche Förderung dieser Stellen   durch Jugendämter auch implizite Abhängigkeitsverhältnisse entstehen könnten, die den Auftrag der unabhängigen Rechtsberatung für junge Menschen und ihre Familien möglicherweise beeinträchtigen.

Mit Blick auf diese Impulse, Herausforderungen und Probleme, die sich aus der Reform des SGB VIII für die Kinder- und Jugendhilfe ergeben, zielt die Veranstaltungsreihe „Alles neu? Alles gut? Fachdialog zur SGB VIII-Reform“ darauf, das novellierte SGB VIII mit seinen wichtigsten Änderungen vorzustellen, den Reformprozess zu kontextualisieren und einen fachlichen Dialog zwischen Praktiker*innen, Fachwissenschaftler*innen, weiteren Expert*innen und Studierenden zu initiieren. Fachwissenschaftliche Beobachtungen des Reformprozesses werden dabei mit unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven auf die professionellen, administrativen und organisationalen Chancen und Herausforderungen, die das neue SGB VIII mit sich bringt, in Dialog gebracht.

Dazu sieht das Format der zweisemestrigen Veranstaltungsreihe vor, dass nach je einer Auftaktveranstaltung im Sommer- und Wintersemester, jeweils zwei oder mehr Expert*innen aus Wissenschaft und Fachpraxis ihre Perspektiven auf die jeweiligen Reformbereiche in Kurzvorträgen vorstellen und darüber den Raum für einen fachlichen Austausch öffnen. An die Vorträge und Diskussionen schließt sich jeweils noch die Möglichkeit zu einem informellen Austausch bei einem kleinen Umtrunk an. So trägt die Veranstaltungsreihe nicht nur dazu bei, den regionalen Theorie-Praxis-Dialog zu fördern, sondern ermöglicht es auch, Vernetzungen und Kooperationen zwischen Studierenden, Fachpraktiker*innen und Wissenschaftler*innen weiter zu beleben.

In der Auftaktveranstaltung im Sommersemester wird Prof. Dr. Wiesner, der als ehemaliger Referatsleiter im BMFSJ als ‚Architekt‘ des SGB VIII gilt, einen Überblick über das neue Kinder- und Jugendhilferecht geben. Daran schließt sich die Diskussion der Herausforderungen und Chancen der Reform aus Perspektive der öffentlichen sowie der freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe an. Des Weiteren wird die Zusammenarbeit von Kinder- und Jugendhilfe sowie Schule mit einem kritischen Blick auf deren rechtliche Verankerung und die daraus resultierenden Potentiale – aber auch Risiken – diskutiert. In der letzten Veranstaltung im Sommersemester werden die Impulse und Herausforderungen der SGB VIII Reform im Feld des Kinderschutzes für freie wie öffentliche Träger thematisiert. Zum Start des zweiten Teils der Veranstaltungsreihe im Wintersemester 2022/23 wird Prof.‘in Böllert, Münster in ihrer Funktion als Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Kinder- und Jugendhilfe AGJ, den Reformprozess in fachlicher Perspektive kontextualisieren. Anschließend wird über die Hilfsangebote für Care Leaver, die in Pflegefamilien oder in Einrichtungen der Erziehungshilfe aufgewachsen sind, diskutiert. Zum langfristigen Ziel der Reform, Hilfen aus einer Hand für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen zu schaffen, wird die Frage erörtert werden, ob und unter welchen Bedingungen eine inklusive Jugendhilfe funktionieren kann.