Intensivkurs Jiddisch 2014
Trierer Studenten lernen Jiddisch
Der Sprachkurs „Intensivkurs Jiddisch I“ unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Simon Neuberg führte Studierende unterschiedlicher Fachrichtungen, darunter Archäologie, Germanistik, Kunstgeschichte, Theologie, Psychologie und Judaistik, sowie Berufstätige und Liebhaber der jiddischen Sprache zusammen.
Die Geschichte des aschkenasischen Judentums und mit ihm die Geschichte der jiddischen Sprache begann vor ca. 1000 Jahren. Reiche jüdische Gemeinden entstanden entlang der großen Flüsse Mitteleuropas sowie in den Siedlungsgebieten an Rhein und Mosel. Die Juden lebten überwiegend innerhalb der Städte und grenzten sich als Gruppe gegenüber ihrer christlichen Umwelt ab. Von Außen begegnete man ihnen häufig mit Diskriminierung. Im Laufe der Jahrhunderte wurden die jüdischen Gemeinden immer wieder zum Ziel antijudaistischer Ausschreitungen und Enteignungen. Im Inneren der gut organisierten Gemeinden entwickelte sich eine reiche, eigene Kultur, religiöse Tradition und Sprache. Durch das Ursprungsgebiet erklärt sich auch, dass das Jiddische auf deutsche Muttersprachler sehr vertraut wirkt. Eine Quelle der jiddischen Sprache ist das Deutsche.
Um 1500 hatte sich das Zentrum der aschkenasischen Kultur aus dem Rheinland nach Osteuropa verlagert, wo Elemente slawischer Sprachen das Jiddische bereicherten. Daneben bildeten linguistische Mitbringsel aus Norditalien und Frankreich, sowie das Hebräisch-Aramäische einen integrierenden Bestandteil des jiddischen Sprache. Zu diesen fremdartigen und für Erstlerner exotischen Anteilen zählt auch, dass Jiddisch in hebräischen Buchstaben, von rechts nach links geschrieben und gelesen wird. Ebendiese Mischung aus Vertrautem und Fremdem, macht auch den Reiz der jiddischen Sprache aus.
Ab dem 19. Jahrhundert schließlich entstanden Sprachinseln in den USA und Lateinamerika. Das Jiddische erfährt eine globale Verbreitung.
Als einer von zwei Lehrstühlen bundesweit, die der Erforschung der jiddischen Sprache und Kultur gewidmet sind, ist die Jiddistik ein Alleinstellungsmerkmal der Universität Trier. Einige Teilnehmer des Sprachkurses waren extra für den Jiddischkurs aus Freiburg und Mainz angereist.
Genauso vielfältig und bunt wie die Teilnehmerschaft war auch das Programm. Den Sprachschülern wurden erste Kenntnisse der Schrift, der Grammatik, sowie des Wortschatzes vermittelt. Darüber hinaus erhielten sie einen Einblick in viele Bereiche der jiddischen Literatur.
Auf großes Interesse stießen die sehr schön ausgewählten Tierfabeln, die Grunderfahrungen des zwischenmenschlichen Kontakts thematisieren. Darüber hinaus hatten die Teilnehmer die Chance Werke der älteren jiddischen Literatur kennen zu lernen und den zugrundeliegenden Druck- und Buchbindetechniken auf die Spur zu gehen.
Einige Stunden waren für die Klezmer-Musik reserviert, die, mal traurig-leidenschaftlich, mal fröhlich und unbeschwert, vor allem als musikalische Begleitung zu Hochzeiten diente. Schließlich erhielten die Teilnehmer Einblicke in die Projekte von Liebhabern des Jiddischen weltweit. Von Koch- und Yogakursen in jiddischer Sprache, über Kinderbücher, bis hin zu eifrig geführten Debatten darüber, ob dem Wort Mobilke oder Keshene – Telefon als jiddischem Ausdruck für Handy der Vorzug gegeben werden sollte.
Bleibt zu erwähnen, dass neben den intensiven Lernphasen auch noch genug Zeit zur Verfügung stand, nette Leute aus ganz Deutschland kennen zu lernen und gemeinsam die letzten, späten Sonnenstrahlen zu genießen.
Eine Beschäftigung mit der Sprache der aschkenasischen Juden lohnt in jedem Fall. Jiddisch bietet viel Material für sprach- und literaturwissenschaftliche Untersuchungen. Es ermöglicht den Zugang zu zahlreichen Dokumenten, die für die Literatur-, Sprach-, Religions- und Geschichtswissenschaft von Bedeutung sind, aufgrund der Klezmer Musik ergeben sich Schnittmengen mit der Musikwissenschaft.
Nicht zuletzt ist das Jiddische eine Sprache voller Schönheit, Eleganz und unzerstörbarem Witz. Sie hat eine warme, direkte und herzliche Ausdrucksweise, legt Zeugnis ab von einer reichen Kultur und Geschichte und bewahrt Lebenserinnerungen aus vielen Jahrhunderten.
Literaturempfehlungen:
Marion Aptroot; Roland Gruschka: Jiddisch. Geschichte und Kultur einer Weltsprache. 2010. München: C. H. Beck
Mordechai Breuer; Michael Graetz: Deutsch – jüdische Geschichte der Neuzeit. 2000. München: C.H. Beck
Zwei Seminarteilnehmerinnen sollen noch zu Wort kommen:
Heidi Rautert kommentiert den Kurs so:
„Mit vollen Segeln, unermüdlicher Energie, Esprit und Intensität ist Prof. Neuberg aufs Yidish-Meer gesegelt. Da bin ich gerne zugestiegen, habe wohl zuzeiten vor lauter oysyes und lemoshel in den Seilen gehangen. Es war herrlich. Diese Sprache hat etwas herzerwärmendes, schwer zu greifen, warum, efsher lag es am Sprecher.
Warum ich zu der netten Gruppe gekommen bin? Zweckfreies Interesse, Sprache bietet besten Zugang zu interessanten Kulturen.
Zum Abschied sage ich jetzt immer gerne - zay gezunt!“
Und Sigrid Wald meint:
„Es gibt viele Gründe, weshalb ich Jiddisch interessant finde. Ich habe schon immer gedacht, dass es schön wäre, die Sprache zu lernen. Es ist eine wichtige Sprache der europäischen Kultur und Geschichte. Ich fand es auch schön, mit so vielen sympathischen Menschen zusammen zu sein und kann mir gut vorstellen, dass ich meine Kenntnisse in Zukunft im Zusammenhang mit meinem Interesse an Sprachen und Geschichte nutzen kann.“
Julia Friederike Kettenring, Trier