[16.11.16] Verbot der „Kinderehe“

Nach aktueller Rechtslage wird Ehemündigkeit in Deutschland grds. mit Vollendung des 18. Lebensjahres erreicht (§ 1303 I BGB). Auf Antrag kann das Familiengericht, unter gewissen Umständen sogar gegen den Willen der Eltern oder der sonstigen Inhaber der Personensorge (§ 1303 III BGB), von diesem Grundsatz jedoch eine Befreiung erteilen, wenn der Antragsteller bzw. die Antragstellerin das 16. Lebensjahr vollendet hat und sein/e künftige(r) Ehegatte/-gattin volljährig ist (§ 1303 II BGB). Zwangsheiraten sind strafbar, § 237 StGB.

Pressemeldungen zufolge registrierten deutsche Behörden im Rahmen des aktuellen Flüchtlingszustroms jedoch hunderte im Ausland geschlossene Ehen mit Beteiligung mindestens eines Kindes, das – teilweise deutlich - unter die oben genannten Altersgrenzen fällt. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach einer möglichen Anerkennung einer solchen im Ausland geschlossenen Ehe in Deutschland. Im Falle der durch den vorliegenden Auslandsbezug bestehenden Kollision unterschiedlicher Privatrechtsordnungen ist die Ehemündigkeit eines Minderjährigen nach deutschem Kollisionsrecht grundsätzlich nach dem Recht des Staates zu bewerten, dem dieser angehört, Art. 13 Abs. 1 EGBGB. Im Falle ausländischer Flüchtlinge kommt demnach grds. das Recht des Staates zur Anwendung, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzen. Sind die Eheschließungsvoraussetzungen nach dem jeweiligen Heimatrecht gewahrt worden, wird die Ehe auch in Deutschland grundsätzlich anerkannt. Unter Umständen kann die nachträgliche Anerkennung einer Ehe allerdings auf Grundlage des ordre public-Vorbehalts (Art. 6 EGBGB) versagt werden. Die Figur des „ordre public“ dient dabei als Schutzvorschrift zur Durchsetzung der wesentlichen inländischen Rechtsgrundsätze und Gerechtigkeitsvorstellungen. Sprechen zwingende Gründe gegen die Anerkennung, folgt hieraus eine sogenannte „hinkende Ehe“, d.h. eine Ehe, die nach Maßgabe des ausländischen Rechts wirksam bleibt, aber in Deutschland aufgrund des ordre public-Verstoßes nicht anerkannt wird bzw. lediglich als anfechtbare oder aufhebbare Ehe besteht (so jüngst das OLG Bamberg, StAZ 2016, 270=NZFam 2016, 807, anhängig BGH (Az: XII ZB 292/16)) ist. Wurde eine Ehe mit einem Minderjährigen oder unter Minderjährigen – unter Umständen unter der Anwendung von Zwang - im Ausland geschlossen, kann darin möglicherweise ein Verstoß gegen grundlegende Wertungen der deutschen Rechtsordnung (siehe § 1303 BGB, § 237 StGB) gesehen und der ordre-public-Vorbehalt ausgelöst werden. Ab welcher Altersgrenze genau und unter welchen begleitenden Umständen dies der Fall ist, ist dabei nicht pauschal zu bestimmen. Uneinigkeit besteht beispielsweise weiterhin, bis zu welcher Altersuntergrenze konkret eine Eheschließung zwingend gegen die deutsche Rechts- und Werteordnung verstößt. Diesbezüglich könnte beispielsweise auf die durch § 1303 Abs. 2 BGB geprägte Altersgrenze von 16 Jahren oder auf die im Strafrecht existierende Altersgrenze von 14 Jahren zurückgegriffen werden, die verfassungsrechtlich auf die Konzeption der sexuellen Selbstbestimmung zurückzuführen ist.