Rückblick 60. Bitburger Gespräche in Trier, 12-13 Jan. 2017

- Staat und Religion -

„Staat und Religion“ - Zu diesem Thema fanden unter der wissenschaftlichen Leitung von Herrn Prof. Dr. Ansgar Hense, dem Leiter des Instituts für Staatskirchenrecht der Deutschen Bischofskonferenz, am 12. und 13 Januar 2017 die 60. Bitburger Gespräche im ERA Conference Centre in Trier statt.

Im Zeitalter der Globalisierung sieht sich das Verhältnis von Staat und Religion verstärkt mit neuen Herausforderungen konfrontiert und so widmeten sich namhafte Referenten im Rahmen der Tagung der Frage, ob der seit langer Zeit unveränderte rechtliche Rahmen zur Regelung dieses Verhältnisses möglicherweise einer Neukonfiguration bedarf. So lässt sich das Grundgesetz mit seinen aus der Weimarer Reichsverfassung inkorporierten Regelungen, noch auf die Paulskirchenverfassung von 1848/49 zurückführen. Ein Gutteil der heutigen Ordnung von Staat und Religion findet seinen Ursprung sogar im Zeitalter der Reformation. Das Jahr des Reformationsjubiläums erschien insofern als ein guter Zeitpunkt für eine Bestandsaufnahme und rechtspolitische Positionsbestimmung des aktuellen Verhältnisses von Staat und Religion.

Wo sich eine stark veränderte Glaubens- und Wertegesellschaft zunehmend in einer pluralisierten aber auch säkularisierten Religionslandschaft niederschlägt, ist das Festhalten an einem von großer Kontinuität gekennzeichneten und in der Vergangenheit zwar bewährten, aber alternden Ordnungsmuster einmal mehr zu überdenken. Schließlich ist Indiz für rechtspolitischen Reaktions- und Handlungsbedarf vor allem die deutlich merkbare Distanzierung der Deutschen zu ihren Volkskirchen. So ist ein Drittel der Bevölkerung mittlerweile religions- und konfessionslos, kirchliche Lehrvorgaben werden stärker hinterfragt. Darüber hinaus ist der verfassungsrechtliche Rahmen auch nicht mehr nur rein national geprägt ist, sondern wird immer mehr von europäischen Regeln beeinflusst. Ferner stellt sich nicht zuletzt als Folge der Zuwanderung auch die Frage inwiefern andere Glaubensrichtungen in einer möglichen Neujustierung stärker zu berücksichtigen sind.

Zur Einführung in das Thema referierte Herr Prof. Dr. Ansgar Hense zunächst über die aktuelle Ambivalenz von Staat und Religion, über das Zusammenkommen christlicher Tradition und weltanschaulicher Vielfalt. Dabei galt es die Entwicklungslinien des Verhältnisses von Staat und Religion in der Bundesrepublik aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. Im Anschluss stellte Herr Prof. Antonius Liedhegener der Universität Luzern die Religionspolitik in Deutschland nach 1989 aus politikwissenschaftlicher Sicht dar. Ein Vortrag von Herrn Prof. Dr. Armin Nassehi zu den soziologischen Beobachtungen zum Bedeutungs- und Funktionswandel von Religion in Deutschland musste leider krankheitsbedingt entfallen.

Zum Thema der zunehmenden Säkularisierung veranschaulichten später am Nachmittag Prof. Dr. Matthias Jestaedt (Universität Freiburg) und Prof Dr. Angelika Nußberger (Universität Köln), letztere in ihrer Funktion als Richtern am EGMR das derzeitige Spannungsfeld von Religionsfreiheit und staatlicher Neutralität. Angeführt wurde aktuelle Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des EGMR mit Fragestellungen unter anderem betreffend Kreuze, Kopftücher und Beschneidungsverbote.

Der nächste Tag wurde sodann grundlegend der Frage gewidmet, inwiefern auf dem Gebiet des kirchlichen Arbeitsrechts Veränderungspotenzial besteht. Prof. Dr. Rüdiger Krause (Universität Göttingen) stellte einleitend die Auswirkungen des kirchlichen Selbstbestimmungsrechts auf das Arbeitsrecht dar. Im Anschluss diskutierten in einer rechtspolitischen Debatte Prof Dr. Jens Schubert (Leiter der Abteilung Recht und Rechtspolitik bei ver.di aus Berlin) für das Lager der Gewerkschaften und Uta Losem (Kommissariat der Deutschen Bischöfe aus Berlin) sowie Dr. Götz Kolstermann (Kirchenrechtsdirektor im Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland) auf der Position der Kirchen über die Autonomie der Kirchen bei der Regelung der arbeitsrechtlichen Beziehungen. Kritisch hinterfragt wurde hierbei vor allem, ob die kirchliche Autonomie unverzichtbare Voraussetzung eines kirchlichen Selbstbestimmungsrechts oder bloß ein überholtes Relikt aus alten Tagen ist.

Abschließend gab Prof. Dr. Norbert Lammert, Präsident des Deutschen Bundestages, einen Ausblick über die rechtspolitischen Perspektiven des Verhältnisses von Staat und Religion vor dem Hintergrund der sich wandelnden Gesellschaft.

Die Vorträge und Diskussionen werden – wie stets - in einem im Verlag C. H. Beck erscheinenden Tagungsband veröffentlicht. Im Zuge einer Onlineveröffentlichung wird demnächst auch eine Vorabversion der Druckbeiträge auf der Homepage des Instituts für Rechtspolitik erscheinen.  

 

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