Urteil der Woche (KW 4)

Nach knapp 8 Jahren hat das BVerfG mit Beschluss vom 08.12.2021 (2 BvL 1/13) die für das Jahr 2007 erfolgte steuerliche Privilegierung von Gewinneinkünften gegenüber Überschusseinkünften für verfassungswidrig erklärt.

 

Hintergrund:

Durch das Steueränderungsgesetz 2007 wurde für Einkünfte über 250.000 € (bzw. 500.000 € bei Ehegatten) der Spitzensteuersatz ab dem Jahr 2007 von 42 % auf 45 % erhöht (§ 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG). Von der Erhöhung wurden Gewinneinkünfte (Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Einkünfte aus Gewerbebetrieb und selbständige Einkünfte) für das Jahr 2007 ausgenommen (§ 32c EStG), sodass der neue Spitzensteuersatz ausschließlich Bezieher von Überschusseinkünften (z.B. Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) traf.

Zur Begründung führte der Gesetzgeber an, dass Gewinneinkünfte mit einem spezifischen unternehmerischen Risiko verbunden seien. Weiterhin wolle er mit der Entlastung der Gewinneinkünfte dem Umstand Rechnung tragen, dass für 2008 eine umfassende Unternehmenssteuerreform geplant war.

 

Die Kläger des Ausgangsverfahrens haben die Rechtsfrage aufgeworfen, ob die Privilegierung von Gewinneinkünften gegenüber der Überschusseinkünfte gegen das Gebot der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verstoße.

Das FG Düsseldorf setzte das Verfahren aus und legte dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vor, ob eine auf Gewinneinkünfte beschränkte Begrenzung des Einkommensteuertarifs für das Jahr 2007 mit dem Grundgesetz vereinbar ist.

 

Das BVerfG kam zu dem Ergebnis, dass § 32c EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 und des Jahressteuergesetzes 2007 in Verbindung mit § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist.

Zwar habe der Steuergesetzgeber bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum, jedoch sei er hierbei an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit gebunden. Dieser gebiete, die Belastung mit Finanzzwecksteuern an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Eine Ungleichbehandlung – vorliegend die unterschiedlichen Tarifverläufe für verschiedene Arten von Einkünften, die jedoch die gleiche Leistungsfähigkeit repräsentieren – müsse gerechtfertigt sein. Ein solcher Rechtfertigungsgrund könne in der Verfolgung von Förderungs- und Lenkungszwecken liegen.

Das vom Gesetzgeber für die Ungleichbehandlung herangezogene spezifische unternehmerische Risiko sei kein sachlich einleuchtender Grund für die erfolgte Differenzierung zwischen Gewinn- und Überschusseinkünften. Das spezifische Unternehmerrisiko im Rahmen der Gewinneinkünfte biete keine Anhaltspunkte für die Annahme, die Erwirtschaftung gleicher Zahlungsfähigkeit sei Ausdruck einer geringeren Leistungsfähigkeit. Risiken seien außerdem auch bei Überschusseinkünften nicht ausgeschlossen (beispielsweise das Risiko des Ausfalls der Miete im Rahmen von Vermietungseinkünften).

Hinzu komme, dass das Einkommensteuerrecht ein etwaiges Unternehmerrisiko grundsätzlich erst steuermindernd berücksichtige, wenn es sich tatsächlich realisiert hat. Dagegen bleibe das bloß abstrakte Unternehmerrisiko regelmäßig außen vor.

In Bezug auf die Absicht des Gesetzgebers dem Umstand Rechnung tragen zu wollen, dass für das Jahr 2008 eine umfassende Unternehmenssteuerreform geplant war, kam das BVerfG zu dem Ergebnis, dass die zur Rechtfertigung einer Ungleichbehandlung nötigen Förderungs- und Lenkungszwecke nicht hinreichend bestimmt wurden. Weder der Tatbestand des § 32c, noch die Gesetzesmaterialien sowie die Koalitionsvereinbarung der Regierungsparteien enthielten hinreichende Konkretisierungen zu den vom Gesetzgeber beabsichtigten Zielen.

 

Der Gesetzgeber ist nun verpflichtet, bis spätestens 31. Dezember 2022 rückwirkend eine Neuregelung für das Veranlagungsjahr 2007 zu treffen.

 

http://www.bverfg.de/e/ls20211208_2bvl000113.html