Weitgehend unbemerkt arbeiten Nachrichtenagenturen und Zeitungen seit einigen Jahren mit Meldungen, die mittels digitaler Datenbestände und automatisierter Programme erstellt werden. „Algorithmen-Journalismus gibt es häufiger, als die meisten denken und so ziemlich jeder von uns ist bereits mit solchen Beiträgen in Berührung gekommen“, erklären Clemens Schmidt und Leonie Mader, die als wissenschaftliche Mitarbeiter das von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt durchführen.
Konkret soll untersucht werden, wie der Einsatz von Algorithmen in diesem Markt beurteilt wird und wie sich ein neuer Markt für journalistische Beiträge, die durch Algorithmen verfasst sind, aufbaut und strukturiert. Ausgangspunkt des Projektes ist die wirtschaftssoziologische Auffassung, dass Märkte nicht einfach so entstehen und rein über Preise und Wettbewerb strukturiert sind. Mindestens ebenso wichtig sind nach dieser Theorie soziale Faktoren wie die Vorstellung davon, was guter Journalismus ist sowie die Interessen der Beteiligten.
Computer schreibt Nachrichten
„Wir interessieren uns insbesondere dafür, wo Algorithmen-Journalismus eingesetzt wird sowie für die Gründe, warum er in bestimmten Bereichen häufiger zum Einsatz kommt als in anderen“, sagt Clemens Schmidt. Er berichtet, dass gerade in der Finanz- und Sportberichterstattung, wenn es um Zahlen wie Gewinne und Verluste oder beispielsweise den Spielstand eines Fußballspieles geht, Nachrichten oftmals bereits völlig autonom von einem Computerprogramm publiziert werden. Artikel zu kulturellen oder politischen Themen würden dagegen fast ausnahmslos von Journalisten selbst recherchiert und verfasst.
Die Professorin für Wirtschaftssoziologie, Andrea Maurer, und ihr Team planen eine umfangreiche Befragung von Anbietern der Algorithmen, von Nachrichtenagenturen, welche diese einsetzen sowie von Rezipierenden. Hierbei kommt eine besondere Kombination aus quantitativen und qualitativen Verfahren mit einem Choice-Experiment zum Einsatz. Hierbei werden den Befragten verschiedene Situationsbeschreibungen vorgegeben, um Einstellungen und Entscheidungen der Marktteilnehmer zu erheben.
Strukturen und Entwicklungen
Auf die Frage, ob Algorithmen-Journalismus ein Fluch oder Segen für den Journalismus ist, antworten Clemens Schmidt und Leonie Mader zurückhaltend: „Wir wollen den auf Algorithmen basierenden Journalismus gar nicht bewerten. Vielmehr geht es darum, Strukturen und Entwicklungen im Journalismus-Markt zu erkennen und aufzuzeigen.“
Das Projekt leistet damit einen wichtigen Beitrag zur wissenschaftlichen und zur gesellschaftlichen Debatte, indem empirisch fundierte Erkenntnisse gewonnen werden, wie die Digitalisierung und der Einsatz von Algorithmen die Gesellschaft verändern, aber auch von ihr gestaltet werden.