Entwicklung naturnaher Eichenwälder für die Laubholz-Säbelschrecke und andere gefährdete Insektenarten
Wald im Fokus
Wälder gelten als Inbegriff der Natur und verdienen besondere Aufmerksamkeit im Naturschutz. Seit einigen Jahren steht der Zustand unserer Wälder und Forste verstärkt im Fokus: Extreme Wetterereignisse wie Dürre und Stürme oder Schädlinge führen zu vielen stark beeinträchtigten Waldflächen, was auch oft mit großen wirtschaftlichen Verlusten einhergeht.
Intakte, naturnahe Wälder sind dabei widerstandsfähiger als geschwächte Monokulturen. Sie sind wichtige Rohstofflieferanten sowie Bausteine in der Klimakrise, beim Hochwasser‐ und Bodenschutz, der Grundwasserneubildung und unserer Erholung.
Heimische Waldtypen sind besondere Lebensräume. Eine besondere Stellung im Insektenschutz nehmen naturnahe Eichen-Hainbuchenwälder ein, die besonders artenreich sind. Im Zentrum des Projekts ELSA steht ein Insekt, das diese Lebensräume bewohnt: die Laubholz‐Säbelschrecke.
Die Art und ihre besondere Lebensweise
Versteckt in den Baumkronen
Die Weibchen legen kurz nach der Paarung Eier in Bodennähe in oder unter die Borke von Bäumen, wie zum Beispiel Eichen ab. Nach 2‐3 Jahren schlüpfen daraus im Frühling kleine Nymphen, die sich zuerst in der Krautund Strauchschicht aufhalten. Im Zuge ihrer Entwicklung wandern die Tiere immer weiter nach oben, bis sie als erwachsene Tiere in der Kronenschicht leben. Aufgrund der versteckten Lebensweise kann man erwachsene Tiere nur mit viel Glück beobachten ﴾zum Beispiel nach starken Regenfällen, wenn die Tiere hinunterfallen und sich in der Strauchschicht wieder aufwärmen﴿. Sie wollen helfen, Tiere zu finden?
Gesang im Duett
Die Laubholz‐Säbelschrecke kann mit ihren kurzen Flügeln zwar nicht fliegen, aber singen. Der artcharakteristische Gesang ertönt im Ultraschallbereich und ist für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar, was den Nachweis der Art zusätzlich erschwert. Bis 1986 gab es in ganz Rheinland‐Pfalz nur drei Meldungen der Art! Mit einem Ultraschall‐Detektor ﴾wie er auch in der Fledermauskunde eingesetzt wird﴿ kann man den Gesang hörbar machen. Faszinierend: Die Art gehört zu den duettierenden Heuschreckenarten ‐ Weibchen antworten einsilbig auf den Gesang der Männchen.
Ein singendes Männchen klingt im Ultraschall‐Detektor bei zirka 25 kHz so: ♫
Dieser Gesang ist in Rheinland‐Pfalz und Nordrhein‐Westfalen unverwechselbar, da hier keine anderen Säbelschrecken‐Arten vorkommen.
Aussehen
Die Farbe der Laubholz‐Säbelschrecke Barbitistes serricauda ist von Tier zu Tier unterschiedlich – meist aber durchaus farbenfroh! Die Grundfarbe ist Hellgrün mit mehr oder weniger ausgeprägter dunkler Punktierung. Die Rotbraunfärbung der Beine und am Kopf kann oft sehr intensiv sein. Ein kräftiger gelber Hinteraugenstreif verläuft unterseits dunkel gesäumt über den Halsschild auf den Flügelrand, manchmal setzt er sich als helle Linie auf dem Hinterkörper fort. Die Größe der Tiere variiert zwischen 1,5 und 2,4 cm. Weibchen sind oft weniger kontrastreich gefärbt als Männchen und haben noch kürzere Flügel. Der Name „Säbelschrecke“ kommt von der Form der Legeröhre am Hinterleibsende des Weibchens: Diese ist am Ende nach oben gebogen und deutlich gesägt. Charakteristisch für die Männchen sind die langen roten Hinterleibsanhänge, die s‐förmig geschwungen sind.
Verwechseln kann man erwachsene Tiere der Art in Mitteleuropa mit anderen Säbelschrecken‐Arten ﴾in Südwestdeutschland kommt allerdings nur die Laubholz‐Säbelschrecke vor﴿, mit der Gattung Isophya ﴾Plumpschrecken﴿ oder Leptophyes ﴾Zartschrecken﴿. Ein Blick auf die gesägte Legeröhre bei Weibchen oder die s-förmig geschwungenen Hinterleibsanhänge bei Männchen ermöglicht eine sichere Bestimmung!
Die jungen Nymphen sind grün mit schwarzen Punkten. Ähnlich sehen Nymphen der Punktierten Zartschrecke (Leptophyes punctatissima﴿ aus.
Besonderer Lebensraum
Wälder für die Laubholz-Säbelschrecke
Vor dem Start des Projekts im Sommer 2021 war wenig über die Heuschreckenart bekannt. Seither konnten wir einige Informationen zu ihren Lebensraumansprüchen sammeln. In den Jahren 2023-2027 werden zusammen mit Forstämtern und Waldbesitzer:innen Wälder entwickelt, die diesen Lebensraumansprüchen entsprechen.
Baumartenzusammensetzung
Die Laubholz-Säbelschrecke kann in einer Vielzahl von Waldtypen vorkommen. Dazu gehören Eichen-Hainbuchenwälder, die im Insektenschutz insgesamt eine wichtige Rolle spielen: unter den heimischen Baumarten können Eichen nämlich den meisten Insektenarten Lebensraum bieten. Um so viele Arten wie möglich zu schützen, entwickeln wir im Projekt Eichen-Hainbuchenwälder, in denen je nach Standort andere Gehölze beigemischt sind.
Vegetationsstruktur
Wälder, in denen die Laubholz-Säbelschrecke vorkommt, haben eine gut ausgebildete Kraut- und Strauchschicht. Jungtiere lieben Brombeeren und Brennnesseln!
Die Kronenschicht in Wäldern für die Laubholz-Säbelschrecke ist heterogen. Die Tiere kommen dort häufiger vor, wo es große Lücken in den Baumkronen bzw. Offenflächen in direkter Nähe gibt. Viele andere Insektenarten profitieren ebenso von diesen Wäldern.
Auch eine naturnahe, abgestufte Waldrandgestaltung ist eine sehr gut geeignete Schutzmaßnahme.
Artenvielfalt in deutschen Wäldern
Zahlreiche im Wald lebende Insektenarten sind an eine ganz spezielle Baumart angepasst. Andere wiederum können verschiedene Baumarten als Lebensraum nutzen. Insgesamt gilt: Je vielfältiger der Bestand, umso diverser ist auch die begleitende Tier- und Pflanzengemeinschaft.
Stiel- und Traubeneiche bieten besonders vielen Insektenarten Lebensraum. Auch Pioniergehölze wie Weiden und Pappeln sind artenreiche Gehölze. Ganz schlecht schneidet im Vergleich die ursprünglich aus Nordamerika stammende Douglasie ab, auf der in Europa kaum Insektenarten leben können.
Das Projekt
Laufzeit: Juni 2021 - Mai 2027
Projektgebiet: Rheinland-Pfalz & Nordrhein-Westfalen
Übergeordnetes Ziel des Projektes ist die verbesserte Erhaltungssituation der Laubholz-Säbelschrecke, ihrer Lebensräume und Artengemeinschaften.
Einer der Verbreitungsschwerpunkte der Art liegt bei uns in Südwestdeutschland, weshalb unsere Region in besonderem Maße für ihren Schutz verantwortlich ist.
Im Projekt ELSA werden bestehende Wissenslücken zur Biologie, Ökologie und der genauen Verbreitung der Art geschlossen, um herauszufinden, wie man ihren Schutz am besten gewährleisten kann. Die untere Karte zeigt die bisher im Projektgebiet bekannten Vorkommen der Laubholz-Säbelschrecke. Noch unentdeckte Vorkommen sind durchaus möglich!
In Zusammenarbeit mit Forstämtern und Waldbesitzer:innen können Maßnahmen zum Schutz der Laubholz‐Säbelschrecke und ihrer Lebensräume entwickelt und implementiert werden. Mögliche Maßnahmen sind z.B. eine naturnahe Waldrandgestaltung oder Waldumbau ehemaliger Fichtenflächen hin zu eichendominierten, heterogenen Mischwäldern.
Optimales Monitoring der Laubholz-Säbelschrecke
Seit Projektstart haben wir einiges über die Laubholz-Säbelschrecke herausgefunden! Ein wichtiger Milestone im Projekt war, zu untersuchen, wie und wann man die versteckt lebende Heuschreckenart am besten nachweisen kann. Ist der Einsatz von Ultraschalldetektoren im Hochsommer optimal? Oder findet man doch eher Jungtiere im Frühling an Wegrändern im Wald? Für weitere Kartierungen und ein fortgeführtes Monitoring der Populationen ist dieses Wissen unverzichtbar. Unsere Ergebnisse haben wir in einem Bericht zum Monitoring-Methodenvergleich zusammengefasst. Er ist HIER online verfügbar!
Was können Sie tun?
Kontakt aufnehmen
Sie besitzen einen Wald oder sind in in einem Forst tätig? Sie sind am Lebensraum- und Artenschutz interessiert? Nehmen Sie gerne Kontakt mit uns auf!
Wir prüfen ihre Fläche unverbindlich auf das Vorkommen der Laubholz-Säbelschrecke. Bei Interesse ist weitere Beratung und die gemeinsame Umsetzung von Maßnahmen möglich!
Projektleitung: Axel Hochkirch
Projektkoordination: Lisa Reiss
Erfassen
Helfen sie uns bei der Erfassung der Vorkommen!
In den kommenden Jahren werden wir als Projektteam intensiv nach noch unbekannten Vorkommen der Laubholz‐Säbelschrecke suchen. Dabei freuen wir uns über jede Form der Unterstützung!
Sie haben Glück und sehen ein Tier? Sie haben einen Ultraschall‐Detektor und können bei Spaziergängen im Wald nach dem Gesang lauschen? Melden Sie Ihre Beobachtungen!
Wir arbeiten mit der Naturbeobachtungs‐Plattform observation.org. Hier ist der Link zum Heuschreckenatlas‐Deutschland, der mit observation.org verbunden ist: heuschrecken.observation.org
Apps und Hilfen
Zur Naturbeobachtungsplattform observation.org gibt es auch tolle Apps!
Und falls Sie eine Heuschrecke finden und sich nicht ganz sicher sind, um welche Art es sich handelt, können Sie mit der App ObsIdentify arbeiten. Die App ermöglicht mit automatischer Bilderkennung die Bestimmung zahlreicher Tier‐ und Pflanzenarten.